Die Stadt Stuttgart musste Flüchtlinge in einem Anbau der Schleyerhalle unterbringen. Viele könnten in Wohnungen unterkommen, doch die Anmietung ist mühsam. Foto: Thomas Niedermueller

Die Prüfung von angebotenen Privatwohnungen ist aufwendig. Künftig werden nur langfristige Angebote akzeptiert – und keine Verhandlungen über die Nationalität der Mieter.

„Der Versuch, der Stadt Stuttgart Wohnungen für Geflüchtete aus der Ukraine zur Verfügung zu stellen, endete im Desaster.“ So hat es der Stuttgarter Journalist Frank Peter Unterreiner in seinem neuen Stuttgarter Immobilienbrief aus seiner Eigentümersicht geschrieben. Er habe im März fünf Wohnungen angeboten und dabei auf den einfachen Zustand von drei der Wohnungen hingewiesen, die eigentlich saniert werden sollten. Für vier Einheiten hat er dann Miete erhalten, ohne dass aber je ein Flüchtling dort eingezogen wäre. Seine Bilanz: Geld- und Ressourcenverschwendung auf städtischer und auf Vermieterseite. Er fragt sich, ob er ein Einzelfall sei oder es sich um „systemisches Versagen“ handle. Er tippt auf Letzteres.

Stadt räumt Fehler ein

Die Stadtverwaltung hat grundsätzlich Fehler „im Management“ zugegeben und diese „intern aufbereitet“. In den gemeinderätlichen Ausschüssen hat Liegenschaftsbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) wiederholt darauf hingewiesen, von der großen Zahl an Flüchtlingen aus der Ukraine – rund 8000 sind in Stuttgart –, aber auch von der zunehmenden Zahl aus dem Nahen Osten und Afrika überrascht worden zu sein. In Stuttgart lebten aktuell dreimal so viele Geflüchtete wie vor einem Jahr, der Großteil in kommunalen Unterkünften.

Im Gegensatz zu anderen Städten sei es gelungen, allen Angekommenen binnen Stunden ein Dach über dem Kopf zu bieten. Das habe man „mit Bordmitteln geleistet, zahlreiche Stellen sind nicht besetzt, Mitarbeitende fallen aus, sei es durch Krankheit oder Überlastung“. Es gebe regelmäßige ressortübergreifende Treffen, um die Herausforderungen zu bewältigen. Das helfe, „viele Probleme im Alltag zu meistern, leider nicht alle“. Im Krisenmodus seien Fehler nicht vermeidbar, man schaue aber, „wie und wo wir besser werden können“.

160 000 Euro Miete umsonst bezahlt

Im „Fall Unterreiner“ seien tatsächlich Kosten in Höhe von 18 000 Euro entstanden. Insgesamt habe man bisher 160 000 Euro Miete gezahlt, ohne dass die Wohnungen belegt wären. Bisher seien insgesamt für die Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge rund 70 Millionen Euro – also eine andere Hausnummer – aufgewendet worden. Die Anmietung erfolgte in Absprache von Liegenschafts- und Sozialamt. Es könnten bei Unterreiner und anderen Anbietern „Prüfkriterien und sonst übliche zeitintensive Abstimmungen vernachlässigt“ worden sein.

Üblicherweise wird ein Angebot anhand der eingereichten Unterlagen (Pläne, Fotos) geprüft. Dann wird die Angebotsmiete mit dem Mietspiegel verglichen und ein Termin mit dem Sozial- oder Liegenschaftsamts vereinbart. Diese nehmen Mängel auf, die vor einer Anmietung beseitigt werden müssten. Wichtig sind Rauchmelder, E-Check, Installation von FI-Schutzschaltern oder Steckdosen für das Badezimmer, Anfertigung einer größeren Anzahl von Schlüsseln, Sicherung loser Kabel. Nachdem der Mietvertrag unterschrieben ist, übernimmt das Liegenschaftsamt die Wohnung. Möblierung und Ausstattung sowie die Belegung erfolgen dann durch das Sozialamt. Das kann insgesamt bis zu einem Vierteljahr dauern. „Eine gewisse Zeit der Mietzahlung ohne tatsächliche Belegung“ werde es deshalb immer geben.

Stand heute gab es 853 Angebote an Wohnraum unterschiedlichster Art (Häuser, Wohnungen, WG-Einzelzimmer), davon seien 124 Wohnungen angemietet worden, bei 46 Wohnungen sei keine Belegung erfolgt, vor allem, weil sie Mängel aufgewiesen hätten, die vor einer Belegung hätten behoben werden müssen. 121 Angebote wurden abgelehnt. 587 Angebote müssen noch geprüft werden. Nun werden mittels Serienmail Anbietende gefragt, ob weiterhin Interesse an der Vermietung bestehe; gleichzeitig werden sie informiert, dass nur abgeschlossene Wohneinheiten mit langfristiger (mindestens drei Jahre) oder unbefristeter Laufzeit und freier Belegung durch das Sozialamt akzeptiert würden. Die Stadt übernimmt nicht nur die Miete und betriebliche Nebenkosten, sondern leistet auch Schadenersatz, wenn etwas kaputtgeht.

Stadt will langfristig mieten

Besonders wichtig: Die Verwaltung ist nicht bereit, mit Vermietern über die Nationalität und das Geschlecht der Flüchtlinge zu verhandeln. Es ist kein Geheimnis, dass Menschen aus der Ukraine bevorzugt akzeptiert werden, es aber Vorbehalte gegen alleinstehende Männer aus dem Nahen Osten und Afrika gibt. „Wir machen keine Unterschiede bei der Unterbringung“, betont Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann (Grüne). In diesem Zuge erwartet die Stadt „einen deutlichen Rückgang der verbleibenden Angebote“. Das bedauert die Verwaltung, denn sie setzt nun auf die Unterbringung in größeren Unterkünften, „da Wohnungen mehr Management bei weniger Nutzen auf sich ziehen“.