Mercedes-Stern im Theater: Das Projekt des Staatstheaters Stuttgart handelt auch von Daimler. Foto: dpa

Projektleiter Holtzhauer über die Doppelpremiere zum Thema Auto im Schauspiel Stuttgart.

Stuttgart - Im Jubiläumsjahr 125 Jahre Automobil zeigt das Stuttgarter Staatsschauspiel am Mittwoch um 19 Uhr das katalanische und das deutsche Stück "Car Wash / Das Gestell". Dramaturg und Projektleiter Christian Holtzhauer erklärt, wie es zur Koproduktion kommt.

Herr Holtzhauer, hatten Sie die Idee zu dem Projekt "Menschen, Autos und das Öl" beim Geruch des Motorenöls in der Interimsspielstätte, einer ehemaligen Autowerkstatt?

Nein, das Projekt ist viel älter, wir haben es uns bereits 2008 während der Autokrise - Stichwort Abwrackprämie - ausgedacht und wollten es eigentlich im Kammertheater spielen. Als klar wurde, dass wir während der Sanierungsspielzeit in der Ex-Mercedes-Niederlassung sein würden, war auch klar, dass wir das hier machen würden.

Woher kommt das Interesse an Autos?

Auslöser war eine Zeitungsnotiz über einen Streik bei Frape Behr, einer Tochterfirma der Stuttgarter Firma Behr in Barcelona. Behr ist weltweit führend im Bau von Autoklimaanlagen, und als die Tochterfirma in Spanien streikte, standen in Stuttgart die Bänder still - ein gutes Beispiel dafür, wie Globalisierung funktioniert. Als Theater, das vor allem auf lokaler Ebene agiert, fanden wir es interessant, auch einmal eine weltweite Vernetzung zu probieren. Und deshalb hat die deutsche Regisseurin Annette Pullen jetzt in Barcelona Marc Rosichs Stück "Car Wash" inszeniert und der Katalane Josep Galindo in Stuttgart "Das Gestell" von Soeren Voima.

Warum gerade Spanien?

Es gab hier über die Staatsoper Kontakt zu dem Regisseur Calixto Bieito, in dessen Teatre Romea in Barcelona Hasko Weber schon inszeniert hat. Sicher wird Barcelona nicht in dem Maß als Autostadt wahrgenommen wie Stuttgart, aber es gibt interessante Parallelen. Der Satz "Wenn Daimler hustet, ist das Land am nächsten Morgen krank" etwa gilt in Barcelona ebenso, nur eben mit Seat. 


Nun fällt die Doppelpremiere genau in den Beginn der Jubiläumsfeiern des Automobilsommers. Das freut die Marketingabteilung.

Das Jubiläum spielte in unseren Überlegungen keine Rolle, und wir werden auch nicht gesponsort. Uns interessiert nicht der nostalgische Rückblick, wir fragen mit den Stücken selbst sowie mit einer Vortragsreihe nach der Zukunft des Automobils. Allerdings sind solche Projekte tatsächlich finanziell nicht allein zu stemmen. Wir werden daher von der Kulturstiftung des Bundes gefördert, die mit ihrem Fonds "Wanderlust" internationale Kooperationen unterstützt.

In welcher Höhe?

Mit 150.000 Euro. Damit können wir die zwei Stückaufträge finanzieren und die Kosten des Austausches der beteiligten Künstler und der fertigen Produktionen, die hier und in Barcelona sowie auf einem Festival im spanischen Salamanca gezeigt werden.

Hatten die Autoren inhaltliche Vorgaben?

Wir haben ihnen freigestellt, wie sie mit dem Sujet umgehen. Marc Rosichs "Car Wash" hat Züge eines Roadplays, es spielt in einer verlassenen Tankstelle am Rande der Stadt und wäre sicher auch eine gute Kulisse für den Film "Denn sie wissen nicht, was sie tun". Es wirft zugleich einen Blick zurück auf die spanische Autogeschichte.

Inwiefern?

Der spanische Diktator Franco wollte ein eigenes, spanisches Auto bauen. Er holte sich dazu Hilfe bei Fiat in Italien. Das Werk sollte im Binnenland gebaut werden, Fiat sagte aber, aus wirtschaftlichen Gründen sei es nur in Barcelona machbar. Nun war Franco auf die widerständigen Katalanen nicht gut zu sprechen. Er willigte zwar ein, das Werk bei Barcelona bauen zu lassen, holte dann aber Arbeiter aus dem Rest Spaniens nach Barcelona, die dort arbeiten sollten. Eine Figur des Stücks ist ein solcher Arbeiter der ersten Stunde. Deshalb wird man neben Katalanisch auch Spanisch hören. Wir werden das Stück dann auf Spanisch übertiteln, wenn wir es beim internationalen Kunstfestival in Salamanca zeigen.

Wie funktioniert die Mehrsprachigkeit bei einer wortintensiven Kunst wie dem Theater?

Wir sprechen Englisch, Deutsch, Spanisch, Katalanisch - und natürlich gibt es auch Übersetzer. Interessant sind auch landestypische Unterschiede. Die Regisseurin Annette Pullen hat in Barcelona eine vielfältige Theaterkultur vorgefunden. Es gibt aber kaum Ensembletheater. Deshalb werden die Schauspieler für jede Produktion rollengerecht gecastet. Wir dagegen suchen vor allem Stücke und auch Regisseure, die zu uns und unserem Ensemble passen. Das hat Auswirkungen darauf, wie man eine Figur betrachtet, wenn der Schauspieler aus dem Ensemble zunächst nicht so recht der Rolle zu entsprechen scheint. Es war für beide Seiten, also für Josep Galindo und für uns, spannend, gemeinsam an einer Vision für das Stück von Soeren Voima zu arbeiten.

Wovon handelt "Das Gestell" von Voima?

Es erzählt die Geschichte eines Paares, das sich immer fremder wird: Als sich ein Kind ankündigt, beginnt Torben, der sich mal für Attac engagiert hatte, bei Daimler zu arbeiten und an der Konzeption eines umweltfreundlichen Autos mitzuwirken. Er merkt nicht, dass er seine früheren Ideale allmählich aufgibt. Imme, seine Frau, kommt damit nicht zurecht, auch deshalb, weil sie sich nach einem Leben im Einklang mit der Natur und fernab der großen Städte sehnt. Es geht letztlich um die Frage, wie man ein ökologisch und politisch "richtiges" Leben führen kann, wenn die Umwelt ständig zu bequemen Kompromissen verleitet.

Neben der Uraufführung gibt es vom 13. bis 15. Mai in der Türlenstraße in Kooperation mit dem Internationalen Zentrum für Kultur- und Technikforschung Gesprächsrunden zum Thema Automobil. Die benachbarte Filmgalerie zeigt Auto-Filme.