Im Therapiestuhl fühlt Fenja sich wohl und kann am Leben teilnehmen. Die Spielküche, an der sie sitzt, macht der Vierjährigen Spaß. Ihr Papa hat sie extra hoch gebaut für sie. Foto: /Foto: Stoppel

Die vierjährige Fenja aus Fellbach ist schwerstmehrfachbehindert. Die Wohnung im dritten Stock ist eigentlich perfekt auf die Bedürfnisse des Mädchens abgestimmt – wären da nur nicht die Treppen. Eine Spendenaktion soll helfen.

Die kleine Fenja kann vieles nicht, was andere Kinder können. Das vierjährige Mädchen mit dem lieben Gesicht, der bunten Brille und den schönen blonden Haaren ist schwerstmehrfachbehindert. Eine genetisch bedingte Erkrankung, das Aicardi- Syndrom, sorgt dafür, dass sie wohl nie stehen, laufen, eigenständig sitzen, sprechen oder lachen können wird. Trotzdem kann Fenja sich – hauptsächlich über ihre Augen – mitteilen. Und sie kann auch ohne Probleme und deutlich zeigen, wenn sie etwas nicht will. So wirft sie sich neuerdings mit Schwung nach hinten, wenn Mama oder Papa sie im Arm die Treppe zur Wohnung im dritten Stock hochzutragen versuchen.

Für einen Treppenlift ist das Treppenhaus zu eng

Und genau das ist auch der Grund, warum Stefanie und Olaf Kirstein sich entschlossen haben, die Geschichte ihrer Tochter Fenja öffentlich zu machen. Die beiden haben hin und her überlegt, wie das mittlerweile 18 Kilo schwere Kind besser in den dritten Stock befördert werden könnte. Doch für einen Treppenlift ist das Treppenhaus zu eng, und ein Umzug aus der ansonsten behindertengerechten Eigentumswohnung stand auch nie zur Debatte. „Mein Mann kam dann recht schnell darauf, dass die Lösung ein Außenaufzug wäre“, sagt Stefanie Kirstein und fügt hinzu, dass sie unendlich dankbar seien, dass ihre Tochter lebe und älter werde, dass aber genau das auch dazu führe, dass es im Alltag beschwerlicher werde. „Das Risiko, dass wir mit ihr die Treppen hinunterstürzen, wenn wir sie versuchen da hochzukriegen und sie sich wehrt, wird größer.“

Das Kind ist behindert, und der Mann hat Krebs

Als würde das nicht schon reichen, ist ihr Mann an Krebs erkrankt und musste mit einer Depression kämpfen. „Ich kann deshalb momentan auch nicht arbeiten, das heißt, mein Gehalt fällt komplett weg“, sagt Olaf Kirstein. Aus diesem Grund hat sich die Familie entschlossen, ein Konto beziehungsweise eine Seite auf der digitalen Spendenplattform „GoFundMe“ einzurichten und dort um finanzielle Hilfe für den dringend benötigten Aufzug zu bitten. „Das ist unsere einzige Chance, denn wir wollen Fenja auf keinen Fall aus ihrem Umfeld reißen“, sagt Stefanie Kirstein. Also hat die Familie fleißig die Werbetrommel für Spenden gerührt, in den digitalen Medien geworben und Flyer verteilt. Zur Familie, die momentan für die kleine Fenja kämpft und ständig den Tränen nahe ist angesichts all der Hilfsbereitschaft, gehört auch die Fellbacher Ex-Gemeinderätin Sabine Sawall. Stefanie Kirstein saß damals noch unter ihrem Mädchennamen mit der Mutter gemeinsam für die Grünen im Stadtparlament. „Es ist so beeindruckend, was da gerade abläuft. Und das, obwohl die Pandemie doch alle isoliert und zu Einzelkämpfern gemacht hat“, sagt Oma Sabine Sawall.

Einzelkämpfer mussten Stefanie und Olaf Kirstein zum Glück nie sein. „Wir fühlen uns durch die Unterstützung unserer Familie und Freunde reich beschenkt“, schreiben sie auf dem Flyer und auf der Spendenseite, die auch ein Bild des Mädchens zeigt. Und während das Paar abwechselnd die Geschichte ihres lang ersehnten Wunschkindes erzählt, sitzt das Mädchen geduldig in seinem Therapiestuhl zwischen Mama und Papa und scheint zu lauschen. „Sie mag es, wenn sich Leute unterhalten. Sie ist ganz pflegeleicht. Motzt fast nie und ist einfach unser Sonnenschein“, sagt Stefanie Kirstein und streichelt ihrer Tochter, die gerne in ihren Kindergarten geht, Ausflüge in den Wald liebt und einmal die Woche die Aufenthalte im Salzstollen genießt, liebevoll die Backe.

Die 38-Jährige war am Ende des ersten Trimesters, als es Unstimmigkeiten beim Ultraschall gab. Es stand der Verdacht im Raum, dass der Balken, der die beiden Gehirnhälften miteinander verbindet, bei dem Kind im Mutterleib fehlt. Untersuchungen, Beratungstermine und schwere Stunden folgten. „Wir wurden auch darüber aufgeklärt, dass unter Umständen eine späte Abtreibung möglich sein könnte“, sagt Olaf Kirstein. Doch beide zögerten nicht, sondern waren sich sicher, ihr Kind bekommen zu wollen. „Uns konnte ja keiner sagen, wie schlimm es werden würde“, sagt Stefanie Kirstein. Nach der Geburt im Jahr 2018 seien sie auch erst mal mit unauffälligem Befund entlassen worden.

Viele Untersuchungen im Olgäle

Doch als Fenja im Alter von vier Monaten auf der Krabbeldecke auf einmal mit den Beinen zu zucken begann, fuhren sie direkt ins Olgäle nach Stuttgart. Nach vielen Untersuchungen und langem Aufenthalt wurde der seltene Gendefekt – weltweit sind knapp über 400 Fälle bekannt – diagnostiziert. „Hauptsächlich leidet sie an Lungenproblemen und epileptischen Anfällen – pro Nacht sechs bis sieben“, sagt Stefanie Kirstein.

Doch das Mädchen, das Schmerzen hat, viele Medikamente nehmen muss, feste Nahrung verweigert, schlecht schläft, auf Hilfsmittel und Therapien angewiesen ist und eine ungewisse Lebenserwartung hat, macht in seinem Tempo Fortschritte und ist eine Kämpferin. „Wir hatten so Angst, dass sie Corona kriegt und an einer Lungenentzündung stirbt, aber sie hat das Virus mittlerweile zweimal gut überstanden“, sagt Olaf Kirstein, der wie auch seine Frau durch kleine Auszeiten wieder Kraft tankt. Und vielleicht auch durch die Aussage der Ärzte, Fenja hätte es, was das Aicardi-Syndrom angeht, noch verhältnismäßig gut erwischt. „Wir wollen eine Reittherapie beginnen, und wir sehen, dass sie nach dem Kuschelteddy greift. Ein gutes Zeichen“, sagt Olaf Kirstein. Auch im November muss Fenja wieder ihren Kampfgeist zeigen. Eine Hüft-OP steht an.

Danach ist sie sechs Wochen lang eingegipst und muss von zwei Personen über die Treppen hochgetragen werden – ein Grund mehr, dass es bald klappt mit dem Aufzug. Die Kostenschätzung dafür liegt bei 98 000 Euro. Dazu kommt noch ein Steg zum Balkon. In der aktuellen Kalkulation enthalten sind der Aufzug, das Fundament, die Elektrik, ein neuer Weg vom Hauseingang zum Aufzug, die Anpassung der Balkontüre sowie die Beantragungs- und Genehmigungskosten. Aktuell zeigt die „GoFundMe“-Seite knapp 23 500 Euro an. „Wir haben auch eine großzügige 4000-Euro-Spende von der Ute-Harrer-Stiftung, einer gemeinnützigen Stiftung mit Sitz in Fellbach, bekommen“, sagt Stefanie Kirstein, die gar nicht glauben kann, was gerade alles passiert.

Fenja steht eine Hüft-OP bevor

Um für Fenja zu spenden, geht es unter: https://gofund.me/b778f982 direkt zur Spendenplattform. Zudem hat die Familie ein Konto bei der Kreissparkasse Waiblingen eingerichtet. Fenjas Oma Sabine Sawall gibt unter der Mailadresse fenjas.aufzug@gmail.com weitere Infos.