Ab jetzt sicher auf drei Rädern unterwegs: Einer der ersten Ausflüge führte Christian und Hella Uhl nach Remseck. Foto: Werner Kuhnle

Die beiden Ludwigsburger Christian und Hella Uhl freuen sich: Dank einer Internet-Spendensammlung können sie jetzt zusammen unfallfrei Rad fahren. Das war vorher schwierig, weil Christian blind ist.

Christian Uhl kann es immer noch nicht so recht begreifen. „Der Wahnsinn!“, sagt er immer wieder und schüttelt fassungslos den Kopf. „Nie im Leben hätte ich das gedacht!“ Der Grund, warum er so entgeistert ist, steht an diesem sonnigen Herbsttag direkt neben ihm und seiner Frau Hella. Ein türkisfarbener, wahr gewordener Herzenswunsch mit drei Rädern und zwei nebeneinander angebrachten Sitzen mit Rückenlehnen: ein therapeutisches Paralleltandem. Eigentlich ist es sogar noch mehr als ein Herzenswunsch, der in Erfüllung gegangen ist. Denn als Hella – ohne das Wissen ihres Mannes und auf Anregung eines Kollegen – im Juni bei „Betterplace.me“, einer gemeinnützigen Spendenplattform im Internet, die Bitte um finanzielle Unterstützung gestartet hat, wünschten die beiden sich sehnlichst ein Dreiradtandem mit zwei hintereinander angebrachten Sätteln. Auch dieses preiswertere Modell hätten sie alleine niemals finanzieren können.

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.spendenaktion-fuer-paar-aus-ludwigsburg-herzenswunsch-ist-ein-dreiradtandem-fuer-radtouren.31694633-d2bc-4274-a434-494a715cbd77.html

Denn wegen Corona hatte die Blindenwerkstatt, in der Christian Uhl vorher gearbeitet hat, geschlossen und auch danach nicht weitergemacht. Seitdem ist seine Frau die Alleinverdienerin. Große Sprünge machen können die beiden nicht. Umso wichtiger ist es, dass sie mit dem Fahrradfahren ein gemeinsames Hobby teilen, bei dem Christian aus dem engen Umfeld seiner Wohnung herauskommt.

Aus dem gefährlichen Hobby wurde pures Vergnügen

Mit dem bisherigen Zweiradtandem war es aber ein gefährliches Hobby. Denn weil Christian nicht immer schnell genug auf Hellas Zuruf reagieren konnte, wenn ein Hindernis wie beispielsweise eine Bodenschwelle auftauchte, sind die beiden mehrfach gestürzt. Ein Dreiradtandem, das war ihnen klar, würde da deutlich mehr Sicherheit bieten. Geworden ist daraus ein therapeutisches Paralleltandem. Dessen großer Vorteil ist, dass die beiden Pedaleure darauf nebeneinander statt hintereinander sitzen können. „Wir haben beides ausprobiert, und dabei haben wir festgestellt, dass das herkömmliche Dreiradtandem wegen seiner Länge vor allem in den Kurven doch sehr kritisch war“, sagt Hella. „Eine Bekannte meinte, das wäre etwa so, als ob man einen Lastwagen fahre – da muss man einfach sehr weit ausholen.“ Sie selbst kann nicht Auto fahren, weil sie ebenfalls eine Sehbehinderung hat.

Und da fast hundert Menschen insgesamt mehr als 9000 Euro für den guten Zweck gespendet haben, fiel die Wahl auf das etwas teurere, aber deutlich leichter zu fahrende Modell. „Die größte private Einzelspende betrug 450 Euro, und die Better-World-Stiftung hat sogar 2000 Euro gespendet“, sagt Hella. Und Christian findet: „Das ist der Wahnsinn, und das in der heutigen Zeit, wo alles so teuer geworden ist.“

Nicht nur Geld, auch viele gute Wünsche

Als ihm seine Frau erzählte, dass sie eine solche Aktion im Internet gestartet hatte, sei er erst verärgert gewesen, erzählt er: „Ich war damit nicht einverstanden, denn ich möchte nicht betteln müssen“, sagt er. Doch seine Frau widersprach: „Betteln will ich auch nicht, aber das ist für mich nicht betteln.“ Denn die Krankenkasse finanziert oder bezuschusst so etwas nicht. Dabei ist das gemeinsame Radfahren für die beiden die einzige Möglichkeit zur gemeinsamen Teilhabe an ein bisschen Freizeitsport und -vergnügen. Und Christian Uhl kann seine Diabetes mit Bewegung besser in Schach halten.

Sehr gefreut haben sich die beiden, dass zusammen mit den Geldspenden auch noch viele gute Wünsche kamen. „Eine gute Aktion“, lobte etwa einer der Spender. „Ist man gesund, macht man sich über die Probleme anderer Menschen beim Radfahren eigentlich viel zu wenig Gedanken. Euch viel Erfolg bei der Aktion. Ich hoffe, Ihr fahrt in diesem Sommer noch mit eurem Dreirad!“ Auch andere schrieben, sie würden die Daumen drücken.

Große Dankbarkeit

Für Christian ist so etwas besonders wichtig. Denn: „Ich bin eher der Pessimist“, sagt er. Nun aber hat er gemerkt, dass es viel mehr nette und hilfsbereite Menschen gibt, als er es je für möglich gehalten hätte.

Am 23. September konnten die beiden Uhls ihren wahr gewordenen Traum abholen. Und nutzen seither jeden freien Tag, um gemeinsam auf Tour zu gehen. Vergangenen Montag ging’s über Remseck an den Max-Eyth-See, am Tag darauf nach Esslingen. „Ich habe schon ganz viele Touren rausgesucht“, sagt Hella Uhl und strahlt mit der Sonne um die Wette. „Das Fahren mit dem Paralleltandem macht tierisch viel Spaß; man kann damit sogar rückwärts fahren, wenn es sein muss.“ Und ihr Mann meint: „Ich fühle mich jetzt viel sicherer als vorher, jetzt hat man die Wackelei nicht mehr wie bei dem Zweiradtandem.“ Das steht jetzt übrigens bei einem Fahrradfachgeschäft in Kornwestheim zum Verkauf.

„Ein ganz, ganz großes Dankeschön an alle Spenderinnen und Spender, dass sie uns dieses Paralleltandem ermöglicht haben“ möchten Hella und Christian Uhl aussprechen. Und sie meint: „Bestimmt sieht man sich mal irgendwo, dann können die Leute auch sehen, dass es rege genutzt wird.“

Spezialfahrräder bei gesundheitlichen Einschränkungen

Dreirad
Ein dreirädriges Fahrrad ist vor allem für diejenigen hilfreich, die Probleme mit dem Gleichgewichtssinn haben, sich altersbedingt nicht mehr auf ein normales Fahrrad trauen oder wie im Fall von Christian und Hella Uhl mehr Stabilität bei unerwartet auftauchenden Hindernissen brauchen. Die Räder gibt es als Tandems und Paralleltandems und auch mit Elektromotor.

Handbike
Für Menschen, die ihre Beine dauerhaft oder vorübergehend nicht bewegen können, sind Handbikes geeignet, die allein mit der Kraft der Arme angetrieben werden.

Rad auf Rezept Kinder bis 15 Jahre können bei Bedarf bestimmte Therapiefahrräder auf Rezept bekommen, Erwachsene maximal eine Förderung.