Wer jagt hier wen? Jodie Comer (links) als Villanelle, Sandra Oh als Eve Polastri Foto: BBC America/Starzplay

Zwei Frauen, die von einander besessen sind: Sandra Oh aus „Grey’s Anatomy“ jagt eine Killerin – oder ist es umgekehrt? Die Serie „Killing Eve“ ist die Thrillerüberraschung der Saison.

Stuttgart - Wer heutzutage als Frau Karriere machen will, muss wahrscheinlich ein bisschen so sein wie Eve und Villanelle. Hier treffen zwei ehrgeizig-obsessive Workaholics aufeinander, denen ihr Job wichtiger als das Privatleben ist, die auch nach Feierabend nicht abschalten können oder wollen und die schon mal in unpassenden Momenten die Männer an ihrer Seite vergessen, weil sie über die Arbeit nachdenken. Eve (Sandra Oh) ist eine Schreibtischagentin beim britischen Geheimdienst MI5, die darauf hofft, endlich einen richtigen eigenen Fall zu bekommen, Villanelle (Jodie Comer) eine psychopathische Auftragskillerin, die in ständig neuen Verkleidungen durch Europa reist.

Morbide, clever, witzig und nervenaufreibend

Als sich die beiden das erste Mal in einem Krankenhaus-Badezimmer begegnen, wissen sie noch nichts voneinander. Eve bewundert vor dem Spiegel Villanelles makellos geschwungene Gesichtszüge. Und Villanelle rät Eve, das Haar lieber offen zu tragen. Doch ein paar Minuten und einige grausige Todesfälle später beginnt ein erotisch aufgeladenes Katz-und-Maus-Spiel, bei dem nie sicher ist, wer hier eigentlich wen jagt.

„Killing Eve“ ist morbide, clever, witzig und ein nervenaufreibender Thriller, den zunächst kaum jemand auf der Liste hatte. Die Britin Phoebe Waller-Bridge, die die Serie nach den „Codename Villanelle“-Krimis von Luke Jennings umgesetzt hat, hatte zuvor als Autorin und Hauptdarstellerin der skurrilen Comedyserie „Fleabag“ zwar für Aufsehen gesorgt, mit Thrillerstoffen aber genauso wenig Erfahrung wie ihre Hauptdarstellerin und Co-Produzentin Sandra Oh, die neun Jahre lang Dr. Christina Yang in der Arztserie „Grey’s Anatomy“ war.

Frauen reisen durch Europa, Männer hüten das Haus

Der unverkrampfte weibliche Zugang aber zeichnet „Killing Eve“ aus. Die acht Episoden der ersten Staffel (die zweite startet in den USA im April) drehen die üblichen Geschlechterrollen im Thriller um. Attraktive Auftragskillerinnen mögen zwar inzwischen schon als Krimi-Stereotype gelten, dass sie aber von einer Frau gejagt werden, ist ebenso außergewöhnlich wie die konsequent umgesetzte Drehbuchidee, dass es in „Killing Eve“ stets die Männer sind, die in Nebenrollen gedrängt werden, die zum Kollateralschaden, zum emotionalen Ballast, zum leichten Opfer werden – oder brav zu Hause warten und die Kinder hüten, während ihre Frauen in geheimen Missionen nach Berlin oder Paris reisen.

Dabei schreckt „Killing Eve“ auch nicht vor kuriosen Wendungen zurück. „Es tut mir leid, dass du das jetzt mitansehen musst“, sagt Eves Chefin Carolyn (Fiona Shaw) einmal zu ihr, als es darum geht, einem enttarnten Maulwurf in ihrer Abteilung Informationen zu entlocken. Statt ihn mit Waterboarding , Eisbädern oder anderen Foltermethoden zum Reden zu bringen, nimmt sie den Mann in den Arm und tröstet ihn solange, bis er alles, was er weiß, preisgibt.

Ein Thriller, den keiner auf der Liste hatte

Dieser unwahrscheinliche Thriller ist die Entdeckung der letzten Seriensaison. Die „New York Times“, der „Guardian“ und der „Rolling Stone“ haben „Killing Eve“ bereits 2018 zur besten neuen Serie des Jahres gekürt, Sandra Oh wurde mit einem „Golden Globe“ ausgezeichnet.

In Deutschland kommt die Serie allerdings erst jetzt mit großer Verspätung an. Und ganz leicht wird einem das Überprüfen des vielen Lobs auch nicht gemacht. „Killing Eve“ ist zunächst nur bei Starzplay zu sehen, einem kostenpflichtigen Unterangebot von Amazon Prime.

Killing Eve vom 22. Februar an auf Starzplay