Kinder der Familie Schmieg auf dem Bänkle im Alten Schloss 1925. Foto: privat

Was wird in Familien weitergegeben? Wir stellen Familienerbstücke vor. Heute: Ulrike Schmieg und ihr Bänkle aus dem Alten Schloss.

Fürwahr, eine feine Adresse: Stuttgart, Altes Schloss, die Wohnung „vom Eingangstor aus oben links“. Da lebte Anfang des vorigen Jahrhunderts Hans Schmieg, „Hofrat und königlicher Beamter, der die Kasse des Hofstaats unter sich hatte“, erzählt Ulrike Schmieg. Zum hofrätlichen Haushalt in der von einer mittelalterlichen Wasserburg später zum Renaissance-Schloss ausgebauten Residenz im Herzen Stuttgarts gehörte auch eine Sitzbank. Das Möbel mit den schön geschwungenen Armlehnen ist ein wichtiges Erinnerungsstück der Familie, das bis heute in Ehren gehalten wird. Vor allem die Kinder der verschiedenen Generationen hatten ihre Freude damit.

Bis ins Jahr 1926 war die Bank ein wichtiges Utensil für die fünf Sprösslinge des Hans Schmieg auf dem Spielplatz Altes Schloss. Als der Hofrat 1920 starb, waren die schönen Tage im Schloss gezählt. Seine nach damaligem Brauch „Hofrätin“ titulierte Witwe wohnte noch sechs weitere Jahre im historischen Gemäuer, dann musste sie ausziehen.

Und so ging das „Bänkle“, wie das Sitzmöbel auf gut Schwäbisch genannt wird, auf Reisen und vom Großvater auf den Vater von Ulrike Schmiegs Mann Bernhard über. Aber es war nur ein Katzensprung. Hans Schmieg junior war als Bankrat leitender Angestellter bei der Reichsbank, wo er eine Dienstwohnung hatte. Die residierte an der Königstraße. Das Gebäude existiere noch, „aber nicht mehr die Terrasse, auf der das Bänkle stand“, sagt Ulrike Schmieg. Hier jedenfalls leistete die Sitzgelegenheit ihrem im vergangenen Jahr im Alter von 95 Jahren verstorbenen Mann Bernhard und seinen beiden Geschwistern als Kind gute Dienste. Nach einem kurzen Intermezzo in Korntal, wo die Familie nach der Pensionierung von Hans Schmieg junior hinzog, erreichte das Bänkle seine bisher längste Lebensstation: Weinstadt-Großheppach.

Hier ließen sich Ulrike Schmieg und ihr Mann Bernhard, der in Bad Cannstatt damals eine Zahnarztpraxis betrieben hat, nach der Hochzeit 1964 nieder. Und mit ihnen das Bänkle, das nun fester Bestandteil im Leben der vier Kinder des Ehepaars wurde. Mal stand es im Garten, mal in einem Kinderzimmer, es diente als Sitzgelegenheit beim Essen, beim Spielen oder beim Malen, „bei allem, was Kinder eben so machen“, erzählt die heute 79-jährige Mutter, Oma und baldige Urgroßmama.

Wie die Zeiten und Moden seither hat auch das Bänkle immer wieder sein Äußeres geändert. „Mal war es braun, dann weiß oder orange “, erzählt Ulrike Schmieg. „Jetzt ist es beige.“ Bei Familientreffen setzten sich Jung wie Alt gerne drauf und schwelgte in Erinnerungen. „Es hat alle ausgehalten“, sagt die Seniorin über die Solidität des Möbelstücks. „Es musste nie repariert werden.“

Bis heute sei das Bänkle „sehr wichtig für unsere Familie“, betont die 79-Jährige. Der Schritt, das Möbel auch für die nächste Generation als Erinnerungsstück zu erhalten, ist bereits getan. Die achtfache Großmutter freut sich bereits auf ihren ersten Urenkel, der Anfang Juli in Freiburg zur Welt kommen soll. In froher Erwartung ist kürzlich auch schon das Bänkle dorthin umgezogen. „Es ist ein schöner Gedanke, dass es weitergeht“, sagt Ulrike Schmieg. „Ich empfinde das als Glück.“ Gerade heute, merkt sie an, „in dieser momentan so schrecklichen Zeit“.

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