Vonovia-Mieter in Stuttgart protestieren gegen die Mietpreispolitik des Unternehmens. Foto: Lichtgut-Oliver Willikonsky

Alles diskutiert über Wohnungsnot, hohe Mieten und Mietpreisbremse. Doch in der Praxis haben Städte und Staatsanwaltschaften keinerlei Handhabe gegen Abzocke.

Stuttgart - Je mehr die Mieten im Land in teils astronomische Höhen steigen, desto weniger Sanktionen gegen überhöhte Mieten gibt es. Die Stadt Stuttgart beispielsweise hat noch bis vor wenigen Jahren regelmäßig Bußgelder wegen Mietüberhöhung verhängt und in diversen extremen Fällen auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Doch seit 2011 steht kein einziges Bußgeld mehr zu Buche, die Zahl der Anzeigen ist deutlich zurückgegangen.

Was paradox klingt, lässt sich durch eine veränderte Rechtsprechung erklären. „Der Bundesgerichtshof hat in Urteilen seit 2004 die Feststellung einer Mietpreisüberhöhung strikt an die Ausnutzung einer persönlichen Zwangslage gebunden“, sagt ein Sprecher der Stadt. Die jedoch kann ein Mieter praktisch nicht beweisen. Damit ist der Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz, der früher häufig angewendet worden ist und der eine solche Zwangslage eigentlich nicht vorsieht, weit gehend bedeutungslos geworden. „Bei einem solchen Fall Vorsatz nachzuweisen, ist sehr schwierig“, sagt auch eine Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft.

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Nicht nur die machtlosen Behörden fordern eine Änderung der Rechtslage und der Rechtsprechung. Auch der Deutsche Mieterbund kritisiert die Situation scharf. „Der Bundesgerichtshof hat den einschlägigen Paragrafen wertlos gemacht“, sagt Rolf Gaßmann. Seither erstatteten auch die Mietervereine kaum noch Anzeigen, weil es aussichtslos sei, klagt der Landesvorsitzende. Weil zudem die Mietpreisbremse keine Ordnungswidrigkeit darstelle, hätten offizielle Stellen keinerlei Handhabe gegen Mietwucher. „Man kann sich über Abzocke aufregen, aber solange es keine Sanktionsmöglichkeiten gibt, wird sich an der Situation nichts ändern“, so Gaßmann.