Issa L. zeigte bei der Urteilsverkündung äußerlich keine Regung. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Issa L. hat einen Mann mit einem Samuraischwert auf offener Straße förmlich hingerichtet. Dafür muss er 14 Jahre hinter Gitter, kommt zuvor aber in die Psychiatrie.

Stuttgart - Er kommt im grauen Langarmshirt und barfüßig in Schlappen in den Saal 1 des Landgerichts. Issa L. ist an den Füßen und an den Händen gefesselt. Sein Gesicht verbirgt er hinter einem Blatt Papier. Erst als die Kameras aus dem Saal geschafft worden sind, zeigt er sich, behält aber seine Atemmaske auf. So hört der 31-Jährige das Urteil im sogenannten Schwertmord-Prozess.

Die Entscheidung der 9. Schwurgerichtskammer kommt nicht überraschend: 14 Jahre Gefängnis wegen Mordes. Vorab wird der Jordanier in der Psychiatrie untergebracht, weil er unter einer wahnhaften Störung des Realitätsbezugs leide und deshalb nur vermindert schuldfähig sei, sagt Vorsitzender Richter Jörg Geiger. Der Richter spricht von einer öffentlichen Hinrichtung des Wilhelm L., den Issa L. am 31 Juli 2019 am helllichten Tag auf offener Straße und vor den Augen der zwölfjährigen Tochter des Opfers im Stadtteil Fasanenhof getötet habe.

Der Richter geißelt das Onlinestellen von Tatvideos

Ehe Richter Geiger auf die Urteilsgründe eingeht, geißelt er die Tatsache, dass damals Handyvideos des Mordes ins Internet gestellt worden waren: „Das war absolut verachtenswert, ein Unding.“ Geiger wartet zudem mit einer Überraschung auf. Das Mordmerkmal der Heimtücke sei nicht gegeben, der 36-jährige Wilhelm L., der mit dem Angeklagten ein Jahr lang eine Wohngemeinschaft in Fasanenhof gebildet hatte, habe erkannt, dass Issa L. ihn angreifen wolle. Daher sei er weder arg- noch wehrlos gewesen.

Dagegen sei das Mordmerkmal der Grausamkeit gegeben. „Das Niedermetzeln des Opfers hat mehr als zwei Minuten gedauert“, so Geiger. Man habe es hier mit einer schrecklichen und verachtenswerten Straftat zu tun, so der Richter. Mit dem Urteil folgte die Kammer weitgehend der Staatsanwältin, die 13 Jahre und die Unterbringung in der Psychiatrie gefordert hatte. Die Verteidigung hatte auf Schuldunfähigkeit plädiert.

Issa L. war 2015 aus Jordanien nach Deutschland gekommen und hatte hier behauptet, er sei Syrer, um seine Asylchancen zu erhöhen. 2018 kam er nach Stuttgart und zog bei Wilhelm L. in der Fasanenhofstraße ein. Das Verhältnis der Männer war gut, im März 2019 trat dann eine Wesensveränderung bei Issa L. zutage. „Krankhaftes Denken, eine krankhaft übersteigerte Religiosität“, habe sich bei ihm eingestellt, so Richter Geiger.

„Unbarmherzig und gnadenlos“, so der Richter

Doch laut Gericht war der Irrglaube des Mannes, er sei der Messias, er sei Jesus, er sei ein von Gott gesandter Prophet und empfange Botschaften durch die Wolken nicht der Grund für den Mord an dem 36 Jahre alten Familienvater.

Issa L. habe sich vielmehr an seinem einstigen Mitbewohner rächen wollen. „Rache als Motiv ist gesichert“, sagt der Richter. Rache für etwas, das nie stattgefunden habe.

Der Mann habe sich wahnhaft eingebildet, er sei an seinem 30. Geburtstag von Wilhelm L. und mehreren Anderen heimlich unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht worden. „Dafür gibt es keinerlei Hinweise“, so der Richter. Später sei er in einem Garten aufgewacht, so der Angeklagte. Man habe ihn an einen Milliardär verkauft. Er werde alle, die daran beteiligt gewesen seien, finden und töten.

Am 31. Juli 2019 hob Issa L. in Gerlingen 425 Euro ab, fuhr nach Stuttgart und kaufte in einem Waffengeschäft auf der Königstraße ein Samuraischwert mit einer Klingenlänge von 73 Zentimetern für 149,90 Euro. Eine Waffe, die eigentlich als Dekoration dient, die aber eine geschliffene Stahlklinge ohne Sollbruchstelle hat. Damit fuhr der Mann in den Fasanenhof, wo er auf Wilhelm L. wartete.

Wilhelm L. kam am frühen Abend mit seiner Tochter nach Hause. Vater und Tochter hatten einen Tag in der Innenstadt verbracht. Schon von weitem habe der 36-Jährige seinen ehemaligen Mitbewohner gesehen, so der Richter. Trotzdem sei Wilhelm L. auf den Mann mit dem Schwert zugegangen, habe aber seine Tochter hinter sich gestellt und sie geheißen, stehenzubleiben.

Der 36-Jährige habe erkannt, dass es gefährlich werden könne. Deshalb sei keine Heimtücke gegeben. „Er hätte noch die Flucht antreten können“, sagt der Richter. Auf die Frage, was er wolle, soll Issa L. geschrien haben: „Was will ich wohl.“ Dann folgten die ersten Schwerthiebe – unbarmherzig und gnadenlos, so Richter Geiger. Das Opfer habe noch zu fliehen versucht. „Es half ihm alles nicht“, sagt Jörg Geiger. Immer wieder schlug der 31-Jährige zu. Wilhelm L. hatte noch versucht, im Smart einer Zeugin Schutz zu finden – vergebens.

Gericht spricht von Abschlachten

Wilhelm L. erlitt mehr als 50 Verletzungen, er wurde nahezu enthauptet. „Das war ein Abschlachten, wie man es sich nicht schlimmer vorstellen kann“, sagt der Richter.

Issa L. warf das Schwert in ein Gebüsch und floh, wurde aber kurze Zeit später festgenommen. Er fragte einen Beamten, ob Wilhelm L. tot sei. Als der Polizist dies bejahte, sagte der 31-Jährige „Gott sei Dank“.

Vor Gericht hatte der Angeklagte geschwiegen. Seine Verteidiger Achim Wizemann und Hans Steffan hatten argumentiert, ihr Mandant sei psychisch so krank, dass er schuldunfähig sei. Sie forderten deshalb einen Freispruch vom Mordvorwurf, weil Issa L. ob seiner Krankheit für sein Tun nicht verantwortlich zu machen sei. Der Mann sei in der Psychiatrie unterzubringen.

Dahin kommt Issa L. nun auch. Erst wenn er als gesund eingestuft wird und die 14 Jahre noch nicht abgelaufen sein sollten, wird er ins Gefängnis überführt. Seine Zeit in der Psychiatrie kann allerdings auch länger währen als 14 Jahre. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Mordmerkmale und Schuldunfähigkeit

Mörder
ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.

Wer Mörder ist, wird mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe bestraft. So ist es im Strafgesetzbuch im Paragrafen 211 festgelegt.

Nach Paragraf 20 des Strafgesetzbuches handelt ohne Schuld, „wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Vermindert schuldfähig
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in Paragraf 20 des Strafgesetzbuches bezeichneten Gründe bei Begehung einer Straftat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach Paragraf 49 Absatz. 1 gemildert werden. Dies ist in dem vorliegenden Fall geschehen.