Die Stadt Zug am Zuger See und der umgebende Kanton sehen bieder aus, sind aber sehr, sehr reich. Foto: imago//Andreas Haas

Der Schweizer Kanton Zug hat zu viel Geld. Die begehrlichen Bürger streiten über die Verwendung des Reichtums. Auswärtige schauen mit Neid und Neugier zu.

Wohin nur mit dem vielen Geld? Diese Frage treibt die Menschen im Schweizer Kanton Zug um. Es geht um 1,056 Milliarden Schweizer Franken, umgerechnet fast 1,1 Milliarden Euro. Dieser Batzen Geld wartet auf eine Verwendung in dem malerisch gelegenen Zug, das ohnehin als der reichste Kanton Helvetiens gilt. Außerhalb der Grenzen des wohlhabenden Gliedstaates dürften Menschen das Zuger Luxusproblem mit Neid, Neugier oder Bewunderung sehen. Der Zuger Finanzdirektor, Heinz Tännler, reagiert mit Schweizer Pragmatismus: „Es ist nicht so, dass dieses Geld verdunstet, wenn man es nicht sofort ausgibt“, erklärt er gegenüber unserer Zeitung.

Plötzlich ist eine Milliarde Franken frei

Die Geschichte um den Zuger Milliardenschatz begann Anfang März. Damals stimmten die Bürgerinnen und Bürger über die Errichtung von zwei modernen Tunnelumfahrungen für den Verkehr ab. Die Planer veranschlagten ebenjene 1,056 Milliarden Franken an Baukosten über einen Zeitraum von mindestens 18 Jahren. Die beiden Infrastrukturprojekte sollten vollständig aus kantonalem Eigenkapital finanziert werden. Dieses stieg im Jahr 2023 auch dank üppiger Steuereinnahmen um 431 Millionen Franken auf 2,35 Milliarden Franken. Zug hätte es sich also die teuren Umfahrungen leisten können. Doch die Zuger sagten Nein.

Seitdem sitzt der Kanton auf dem Geld, das er eigentlich in die Tunnel stecken wollte. Kaum hatte die Bevölkerung an der Urne entschieden, entwickelte sie Begehrlichkeiten: Mit mehr als einer Milliarde Franken lässt sich schließlich einiges bewegen. Die Zuger Zeitung trug die Ideen unter dem Titel „So könnte Zug eine Milliarde ausgeben“ zusammen. „Manche davon sind durchaus ernst gemeint – andere weniger“, schrieb das Blatt. Der überschaubar kleine Kanton, so die Überlegungen, könnte sich eine U-Bahn zulegen oder den Einwohnern ein Freiticket der Schweizerischen Bundesbahnen schenken. In die Diskussion geriet ebenso die kostenlose Stromspeisung von E-Autos oder der Bau einer Skihalle. Auch die staatstragende „Neue Zürcher Zeitung“ mischte sich ein und fragte, „wieso niemand auf die Idee gekommen ist, die überschüssige Zuger Milliarde“ der Eidgenossenschaft zu spenden. Dann könnte Bern eine Rentenerhöhung stemmen.

Zug galt früher als Armenhaus

Finanzdirektor Tännler schüttelt den Kopf. Gewisse Ideen seien „schlichtweg absurd“. Er regt an, die Steuerzahler zu entlasten. „Entsprechend wäre eine Steuerrückzahlung oder -senkung angebracht.“ Eine Drosselung würde das milde Steuerklima in Zug weiter verbessern, einem Kanton, der in früheren Zeiten als Armenhaus gegolten hat.

Heutzutage lassen sich Firmen, Multimillionäre und Milliardäre aus der ganzen Welt in Zug nieder. Der Kanton empfängt reiche Migranten mit offenen Armen und niedrigen Steuersätzen. Mitunter befinden sich unter den Zuzüglern schwarze Schafe. Eine der schillerndsten Figuren war wohl der US-Rohstoffhändler Marc Rich, der vom Standort Zug aus seine Geschäfte dirigierte. Sein Heimatland beschuldigte den Krösus der kriminellen Machenschaften, suchte Rich mit Haftbefehl. Der damalige Präsident Bill Clinton begnadigte ihn aber dann. Aus Richs Firma entwickelte sich Glencore, der weltweit mächtigste Konzern für Rohstoffhandel und den Betrieb von Bergwerken. Und Glencore residiert noch heute in Zug.