Die beiden Höckerschwäne vom Murrhardter Feuersee sind ein Paar. Nachdem der Nachwuchs vertrieben wurde, kann das Weibchen in Ruhe brüten. Foto: Gottfried Stoppel

Eine Fehde unter Schwänen, bei dem ein Jungtier attackiert wurde, hat am Murrhardter Feuersee die Wogen hochschlagen lassen. Nun wird diskutiert, wie man mit den Tieren künftig umgeht und wer für sie die Verantwortung trägt.

Von wegen lieber Schwan: Der Abnabelungsprozess bei den großen weißen Wasservögeln ist nichts für zartbesaitete Gemüter. Suchen Jungtiere nicht von sich aus das Weite, sobald die Brutzeit naht, hilft Vater Schwan gehörig nach und ist dabei nicht zimperlich: Er faucht, zwickt und beißt. Und verschwindet der Jungspund partout noch immer nicht, setzt es Hiebe mit Schnabel oder Schwingen.

Schwan mit Schirm und Stock zurückgedrängt

Das rabiate Naturschauspiel mussten zahlreiche Passanten kürzlich am Murrhardter Feuersee mit Schrecken verfolgen, berichtet Anwohner Christian Schweizer. Der Jungschwan habe sich vor dem adulten Tier über die Hecke und in den Stadtgarten geflüchtet. Doch jenseits des Gewässers eskalierte die Situation weiter, schildert Schweizer. „Passanten und Hundehalter versuchten erfolglos, das Jungtier mit Schirmen und Stöcken wieder in den See zurückdrängen, wodurch der Schwan immer aggressiver wurde.“ Als der Jungvogel auf einem angrenzenden Spielplatz schließlich auch Kinder angegangen habe, hätten sich Mütter an Schweizer gewandt und ihn um Hilfe gebeten. Für den 59-jährigen Betreiber des Naturkundemuseums am Feuersee nichts Neues. Leider. „Immer wieder kommen zu uns Leute und meinen, wir müssten uns um die Schwäne kümmern, weil sie denken, dass die Tiere zum Museum gehören. Das tun sie aber nicht.“ Obendrein dürfe er gar nicht helfen: „Einfangen darf ich den Schwan gar nicht, das wäre Wilderei“, sagt Schweizer.

Aggressiver Schwan ausgewildert

Da seiner Kenntnis nach weder die Polizei noch ein Stadtjäger gekommen seien, um die Situation zu befrieden, habe schließlich eine Nachbarin einen befreundeten Jäger informiert. Dieser habe das Tier tags darauf eingefangen und an einen Ort gebracht, an dem der Schwan niemanden stört – und umgekehrt. Glücklich ist Schweizer mit der Situation nicht, es sei schließlich kein Einzelfall: „Ich wohne hier seit 1985, Situationen wie neulich gibt es seit vielen Jahren immer wieder – es ist eine Tragödie.“ Seiner Ansicht nach sei der See zu klein für die Tiere. „Ich würde die Schwäne auswildern und stattdessen Wasservögel anschaffen, für die der See nicht zu klein ist, zum Beispiel Enten.“ Er jedenfalls habe vom Feuersee noch keinen einzigen Schwan starten sehen – der Anlauf sei viel zu kurz.

Schweizer hat sich an mehrere Stellen per E-Mail gewandt und die Problematik geschildert. Auch habe er bei der Tierschutzbeauftragten des Landes Baden-Württemberg Anzeige gegen Unbekannt erstattet: „Ich möchte eine juristische Klärung erreichen, ob die Schwäne als Haus- oder Wildtiere einzustufen sind und dass die entsprechenden Maßnahmen getroffen werden.“ Er sieht die Stadt Murrhardt in der Verantwortung und wünscht sich, dass die „zuständigen Behörden die Situation prüfen und eine im Sinne des Tierwohls ordentliche Lösung finden“. Die Stadt müsse die Tiere vor Störungen und Verletzungen schützen, findet er.

Gilt das Jagdrecht oder nicht?

Das möchten auch die Stadtoberen in Murrhardt, auch für sie ist das Thema nicht neu: „Schwäne gab es hier am Feuersee schon vor hundert Jahren“, sagt Bürgermeister Armin Mößner auf Nachfrage. Der Schwan, der aktuell auf dem See lebt, habe nur einen halben Flügel, weil der ihm vom Tierarzt nach einer Verletzung teilamputiert werden musste. Das Tier sei dadurch quasi an das Gewässer gebunden. Nach dem Tod des Weibchens habe die Stadt dem Schwan über einen Züchter sogar eine neue Partnerin gesucht. Mit Erfolg: Nachwuchs habe es über die Jahre immer wieder gegeben. „Dass der Vater den älteren Nachwuchs vertreiben will, ist ein natürlicher Vorgang“, sagt Mößner. Allerdings sei eine Eskalation wie vor Kurzem freilich auch nicht im Sinne der Stadt. Unklar sei hingegen bislang gewesen, wie die Murrhardter Verwaltung mit den Tieren umzugehen habe. „Vergangenes Jahr wurden wir von der Unteren Jagdbehörde beim Landratsamt belehrt, dass die Schwäne dem Jagdrecht unterliegen und man sie demnach auch nicht einfach bejagen, also einfangen darf“, erklärt Mößner.

„Stadt-Schwäne“ in Murrhardt

Diese Einschätzung teilt das Landratsamt allerdings mittlerweile nicht mehr, wie sich im Nachgang zum jüngsten Vorfalls am Feuersee ergeben hat: „Auf den Hinweis der Stadt Murrhardt, dass die Tiere von städtischen Mitarbeitenden versorgt werden, wurde im Landratsamt festgestellt, dass es sich bei diesen Schwänen nicht um Wildtiere, sondern um eine Tierhaltung handelt“, teilt das Landratsamt auf Nachfrage mit. Folglich sei in Zukunft das Veterinäramt die zuständige Behörde, und die Stadt Murrhardt sei der verantwortliche Tierhalter.

Und alle Tierhalter hätten grundsätzlich die Verpflichtung, ihre Tiere art- und bedürfnisgemäß zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen, ergänzt der zuständige Dezernent beim Landratsamt, Gerd Holzwarth. Das treffe auch auf die Haltung der „Stadt-Schwäne“ zu. Neben dem ausreichenden Futterangebot am Feuersee müsste die Stadt dafür Sorge tragen, „dass sich die Tiere nicht gegenseitig verletzen“.

Stadt und Amt wollen sich abstimmen

Nach einem Hinweis aus der Bevölkerung, dass es Schwan-Attacken gibt, habe eine Tierärztin sich die Situation am Feuersee angeschaut. Nach dem Einfangen des Jungschwans und dem Auswildern an anderer Stelle, seien keine Revierkämpfe mehr zu erwarten. „Hier wird das Veterinäramt die Stadt Murrhardt, gegebenenfalls unter Hinzuziehung einschlägiger Sachverständiger, beraten.“ Dies werde zu einer weiteren Optimierung der Haltungsbedingungen am Feuersee führen, ist sich Dezernent Gerd Holzwarth sicher. „Wir sind in einem guten Austausch mit der Stadt Murrhardt und stimmen uns am 26. April über tierschutzkonforme Haltung der Schwäne ab.“ Danach sollten keine Fragen mehr offen sein.

Für Bürgermeister Mößner ist schon jetzt klar: „Wir werden künftig, wenn es Nachwuchs gibt, die Jungtiere rechtzeitig einfangen und an geeigneter Stelle auswildern“, erklärt er. Darauf, dass es so weit kommen wird, darf er sich schon mal einstellen, denn der zukünftige Nachwuchs liegt bereits im Nest, in Form von fünf bräunlich gesprenkelten Schwaneneiern – von Mama und Papa Schwan bestens bewacht. 

Höckerschwäne

Größe
 Der Höckerschwan (Cygnus olor) ist der größte heimische Vogel und zählt zur Unterfamilie der Gänse. Männchen erreichen ein Gewicht zwischen rund zehn und 13 Kilo und eine Flügelspannweite von bis zu zweieinhalb Metern. Weibchen sind kleiner und werden kaum zehn Kilo schwer.

Monogamie
 Höckerschwäne binden sich in der Regel auf Lebenszeit an einen Partner. Sie können bis zu 40 Jahre alt werden, durchschnittlich werden sie 20 Jahre alt.