Ganz so ungezwungen wie hier bei der vergangenen OB-Wahl dürfte es am 8. November in den Stuttgarter Wahllokalen nicht zugehen. Foto: dpa/Franziska Kraufmann

Im Frühjahr sind in mehreren kleinen Gemeinden im Land Bürgermeisterwahlen wegen der Pandemielage abgesagt worden. Damit das in Stuttgart nicht passiert, hat die Stadt Vorkehrungen getroffen. Doch völlig ausgeschlossen scheint das Szenario nicht.

Stuttgart - Der 8. November rückt näher – und im Stuttgarter Rathaus schaut man mit Spannung auf den Tag der Oberbürgermeisterwahl. Nicht nur, weil die Landeshauptstadt dann – oder noch wahrscheinlicher beim zweiten Wahlgang drei Wochen später – ein neues Stadtoberhaupt bekommt. Sondern auch, weil Wahlen in Zeiten massiv steigender Coronazahlen eine ganz besondere Herausforderung sind. Es gilt, einen korrekten Ablauf des Wahlkampfs, der Stimmabgabe und der Auszählung zu garantieren – denn sonst droht eine Absage oder eine nachträgliche Annullierung.

Dieses Szenario gilt bisher als unwahrscheinlich – gänzlich ausschließen lässt es sich aber nicht. Ob eine Wahl durchgezogen wird, entscheidet grundsätzlich die Rechtsaufsicht. Im Stuttgarter Fall ist das das Regierungspräsidium (RP). Laut Kommunalwahlgesetz kann eine Wahl abgesagt werden, wenn während der Vorbereitung ein offenkundiger, vor der Wahl nicht mehr behebbarer Mangel festgestellt wird. „Diese Voraussetzungen können grundsätzlich je nach Infektionslage auch aufgrund der Corona-Pandemie vorliegen“, sagt die RP-Sprecherin Stefanie Paprotka. Ob dies der Fall ist, müsse „im Einzelfall auf der Grundlage einer Einschätzung der Situation hinsichtlich Infektionslage, örtlichen Gegebenheiten und den getroffenen infektionsschützenden Maßnahmen entschieden werden“.

Und tatsächlich behält man beim RP die Situation im Corona-Hotspot Stuttgart genau im Auge. „Wir befinden uns in regelmäßigem Kontakt mit dem für die Wahl zuständigen Statistischen Amt der Stadt. Nach Kenntnis des Regierungspräsidiums wurden von dort die erforderlichen Maßnahmen für die Gewährleistung einer rechtssicheren Wahl getroffen, beispielsweise auch für den Fall, dass vermehrt Wahlhelfer absagen“, so die Sprecherin. Derzeit bestehe daher kein Anlass für eine Absage der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart.

Genug Reservekräfte für Wahlhelfer

Das schätzt man auch im Rathaus so ein. „Momentan sehen wir kein solches Szenario“, sagt die Sprecherin Anna Sendler. Es wäre theoretisch vorstellbar, „wenn infektionsschützende Maßnahmen die organisatorische Durchführung der Wahl beeinträchtigen würden“. Wenn also beispielsweise die Sicherheit der Wähler oder der Wahlhelfer am Wahlsonntag durch die Infektionslage gefährdet wäre.

Dem will die Stadt mit einem ganzen Maßnahmenbündel entgegenwirken. Dazu gehört nicht nur, dass die notwendige Zahl von 3100 Wahlhelferinnen und Wahlhelfern gefunden ist, sondern auch, dass es genug Reservekräfte gibt. Falls kurzfristig der eine oder andere doch ausfallen oder einen Rückzieher machen sollte.

Neben dem Hinweis auf die Briefwahl, die in diesem Jahr eine deutlich größere Rolle spielen wird als sonst, will die Stadt aber auch möglichst sichere Verhältnisse in den Wahllokalen schaffen. Dazu gehören Masken- und Abstandspflicht, eine Begrenzung der Personen in den Räumen und Desinfektionsmöglichkeiten. Auf besonders sensible Wahllokale, wie zum Beispiel in Pflegeheimen, wird am 8. November verzichtet.

Zwei Absagen im Land

Das bedeutet, dass so mancher diesmal einen anderen Ort ansteuern muss als sonst. Die Räume werden regelmäßig gelüftet, die Wähler gebeten, einen eigenen Stift mitzubringen und die besonders beliebte Zeit zur Stimmabgabe am Spätnachmittag zu meiden. Außerdem notiert der Schriftführer die Uhrzeit der Stimmabgabe, damit mögliche Ansteckungsketten nachvollzogen werden können. Eventuelle Begleitpersonen müssen ihre Kontaktdaten hinterlassen.

Es ist also vorgesorgt – doch die Realität kann auch die beste Vorbereitung überholen. Das hat sich in Baden-Württemberg in diesem Jahr schon mehrfach gezeigt. So sind etwa die Bürgermeisterwahlen in den kleinen Orten Waldenburg (Hohenlohekreis) und Untermünkheim (Landkreis Schwäbisch Hall) im Frühjahr abgesagt und jeweils Anfang Oktober nachgeholt worden.

OB Kuhn müsste im Amt bleiben

In Untermünkheim hat das Landratsamt Schwäbisch Hall in Absprache mit der Kommune den Wahltermin kassiert. „Infolge des damals extrem überdurchschnittlichen Infektionsgeschehens in der Gemeinde wäre die Vorbereitung und Durchführung der Wahl mit nicht mehr behebbaren Mängeln behaftet gewesen“, sagt Sprecher Steffen Baumgartner. Die Coronainzidenz lag dort damals um das Sechsfache über dem Landesschnitt. Eine Bewerbervorstellung, ein geordneter Wahlkampf und eine sichere Stimmabgabe schienen nicht mehr möglich. Als Folge der Verschiebung musste der Amtsinhaber, der nicht mehr zur Wahl angetreten war, ein halbes Jahr länger die Geschäfte führen als geplant.

Im Fall der Fälle würde es in Stuttgart dem scheidenden OB Kuhn genauso gehen. Bei der Stadt setzt man darauf, dass sich Corona einigermaßen beherrschen lässt. Das Aufatmen, wenn die Wahl über die Bühne gegangen ist, dürfte trotzdem groß sein.