106 Junglehrer sind am Freitag im Weissacher Tal vereidigt worden – zu wenige, um den Bedarf im Rems-Murr-Kreis decken zu können. Foto: Frank Eppler, dpa/Bernd Weißbrod

Die Schulen starten am Montag nach den Sommerferien erneut mit einer angespannten Personallage. Auch zahlreiche Quereinsteiger und aus dem Ruhestand zurückgeholte Kollegen können den eklatanten Fachkräftemangel nicht komplett abfedern.

Die beruflichen Erfahrungen ihrer Schwester haben Carolin Kühnert nicht abschrecken können – eher das Gegenteil ist der Fall: Am Freitag ist die 25-Jährige aus Auenwald zusammen mit mehr als 100 weiteren Junglehrern in der Weissacher Seeguthalle offiziell vereidigt worden. Jeder von ihnen wird sehnlichst an seiner neuen Arbeitsstätte erwartet und durchaus dringend gebraucht.

Pandemie vorbei, knappe Ressourcen bleiben

Sie freue sich sehr, dass sich so viele junge Menschen bewusst für diesen wichtigen Beruf entschieden hätten, sagt die Schulamtsleiterin Sabine Hagenmüller-Gehring. Doch die nun vorgenommenen Einstellungen reichen einmal mehr bei Weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. „Das neue Schuljahr bringt für unsere Schulen auch ohne Pandemie einige Herausforderungen“, räumt Hagenmüller-Gehring ein, „die größte sind die knappen Ressourcen.“

Und so starten die Schulen im Rems-Murr-Kreis, für die das Staatliche Schulamt in Backnang verantwortlich ist, am Montag erneut mit einer angespannten Personallage in das neue Unterrichtsjahr. Um wenigstens alle Einrichtungen „zunächst arbeitsfähig“ zu machen, wie es Sabine Hagenmüller-Gehring ausdrückt, werden 2000 der zu leistenden Wochenstunden mit befristeten Arbeitskräften abgedeckt. Das heißt, eigentlich in den Ruhestand versetzte Lehrer wurden überredet, in Teilzeit weiter auszuhelfen oder Quereinsteiger ohne vollständige Lehrerausbildung verpflichtet. Umgerechnet 74 Stellen wurden so besetzt.

Schulen müssen schon zum Start improvisieren

Auch damit freilich ist noch nicht der Unterricht abgedeckt, den sich das Kultusministerium eigentlich wünschen würde und für den auch das Geld bereit steht. Die Schulen müssen deshalb bereits zum Schuljahresstart improvisieren, indem sie beispielsweise Sportgruppen zusammenlegen oder eigentlich eingeplante Förderstunden streichen. Eine Reserve für Krankheits- oder anderweitige Ausfälle ist erst gar nicht vorhanden. „Für Schulleitungen und Lehrkräfte bedeutet dies, dass sie sich auch im neuen Schuljahr auf Vertretungsunterricht einstellen und viel Flexibilität beweisen müssen“, sagt Sabine Hagenmüller-Gehring. „Ich habe größten Respekt davor, was unsere Schulen bereits seit einigen Jahren leisten, um den Unterricht trotz des Mangels aufrecht erhalten zu können.“

Besonders eklatant sei der personelle Mangel in den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), deren Besetzung trotz der Rekrutierung zahlreicher nicht speziell für den Beruf ausgebildeter Kräfte im Schnitt nur bei 90 Prozent liege. Dabei gebe es regional große Unterschiede. Auch bei der Inklusion müssten Abstriche gemacht werden, weil sonderpädagogische Ressourcen fehlen.

Zum Lehrermangel kommen Raumprobleme hinzu

Ebenfalls große Sorgen bereitet das Unterrichten von Kindern Geflüchteter oder Zuwanderern ohne ausreichende Deutschkenntnisse. Zwar sind es mit in diesem Schuljahr 79 an den Start gehenden Vorbereitungsklassen acht mehr als im Vorjahr, doch neben der schwer kalkulierbaren Schülerzahl (derzeit 1230) und dem Lehrermangel bereitet auch ein Raumproblem Schwierigkeiten. Es würden in Kooperation mit den Kommunen viele pragmatische Lösungen gefunden, gleichwohl stoße man bisweilen an die Grenzen des Bewältigbaren, räumt Sabine Hagenmüller-Gehring ein.

Carolin Kühnert wird ihre Aufgabe am Montag in der Gemeinschaftsschule Sulzbach ungeachtet der schwierigen allgemeinen Situation mit Freude angehen. Die Einrichtung, an der sie bereits ihr Referendariat absolviert hat, entspricht nicht nur ihrer Wunschvorstellung, sie muss ihren Dienst auch nicht alleine antreten. Denn mit dabei sein wird Aria. Der wuschelige beste Freund der 25-jährigen Junglehrerin ist von den Kindern und der Schulleitung dort schon längst als Schulhund engagiert worden.

Zahlen zum neuen Schuljahr

Amt
 Das Staatliche Schulamt Backnang ist für sieben Schulkindergärten, 84 Grundschulen, drei Werkrealschulen, 17 Realschulen, 19 Gemeinschaftsschulen und 14 Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren im Rems-Murr-Kreis zuständig.

Schüler
 Zum neuen Schuljahr sind im Rems-Murr-Kreis 4088 Erstklässler angemeldet worden. Das sind 389 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Grundschüler ist im Vergleich um 670 Kinder auf 15 066 angestiegen. Auch die Zahl der Schüler in Vorbereitungsklassen nimmt zu. Hier wird ein Plus von 72 auf 1231 registriert. Zuwächse bei den weiterführenden Schulen verzeichnet hingegen nur die Gemeinschaftsschule. Hier liegt die Zahl aktuell bei 5242. Das sind 145 Schüler mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Realschüler bleibt mit 7810 stabil (minus 1). Die Werkrealschule (minus 31) ist mit 248 Schülern ein Auslaufmodell.