2000 entstand Michel Majerus Arbeit "If We're Dead So It Is", eine 46 Meter lange Skaterrampe. Nun soll sie auf den Schlossplatz. Foto: Michel Majerus Estate

Auf Schlossplatz soll größtes Werk des Künstlers Michel Majerus entstehen - eine Skaterrampe.

Stuttgart - Großes bahnt sich an im Kunstmuseum Stuttgart - das gesamte Haus wird in diesem Herbst neu geordnet. Anlass ist die Ausstellung zum Werk des jung verstorbenen Malers Michel Majerus mit etlichen Großformaten. Das größte Werk soll vor dem Kunstmuseum entstehen - eine Skaterrampe auf dem Schlossplatz.

Wie kann Malerei in einer Welt aussehen, die sich freiwillig dem multimedialen Bildersturm ergibt? In einer Welt zudem, die auf der Leinwand scheinbar alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat - von der höchsten Präzision über die Auseinandersetzung mit der reinen Farbe, die Aneignung und Überhöhung der Alltagskultur bis hin zur ironischen Distanz zum Vokabular der Kunstgeschichte?

Gerade 19 Jahre alt ist der in Luxemburg geborene Michel Majerus, als er 1986 sein Studium an der Stuttgarter Akademie beginnt. Das Studium der Malerei. Der kommerzielle Erfolg der "Heftigen Malerei" ebbt gerade ab, die nicht zuletzt von der Stuttgarter Ausstellung "Europa '79" ausgehenden Impulse einer von ironischen Brüchen gekennzeichneten Haltung, vor allem im Schaffen von Martin Kippenberger, erfahren erstmals breitere Beachtung. Aber auch dem historischen Ernst im Werk von Anselm Kiefer gilt die Aufmerksamkeit. Über alle Unterschiede hinweg verbindet dies die Positionen der Maler: das Prinzip der Aneignung und der Gleichzeitigkeit genutzter Themen und Materialien.

Stuttgarter Akademie gibt Majerus erstes Stipendium

In Stuttgart begegnet Majerus zunächst K.R.H. Sonderborg. Als Maler selbst eine mitbestimmende Figur der 1960er Jahre, vermittelt Sonderborg neben der Liebe zu einer anarchischen Existenz vor allem Tempo. Eine Dimension, die man im sich von 1990 an stürmisch entwickelnden Werk von Michel Majerus wiederfindet. Aber eben auch dies: Konzeptuelles im Sinn der Befragung von Malerei durch Malerei. Ein Einfluss nicht nur, aber auch von Majerus' zweiter wichtiger Lehrerpersönlichkeit in Stuttgart - dem von Paul-Uwe Dreyer mit viel persönlichem Engagement auf den Weißenhof geholten New Yorker Konzeptkünstler Joseph Kosuth.

Die Stuttgarter Akademie gibt dem nun 26-jährigen Majerus 1993 ein erstes Stipendium mit auf den mutmaßlich schwierigen Künstlerweg. Da ist der Maler schon in Berlin. Nicht nur über den Kontakt zu dem Sammlerpaar Ute und Rudolf Scharpff bleiben indes Verbindungen nach Stuttgart. Auch die Landesbank Baden-Württemberg reagiert auf eine erste Einzelausstellung von Majerus 1996 in der Berliner Galerie neugerriemschneider. Deren hintersinniger Titel: "Fertiggestellt zur Zufriedenheit aller, die Bedenken haben". Werke der Berliner Majerus-Schau finden sich bald in der LBBW-Sammlung wieder. Und Ralf Christofori schreibt 2009 anlässlich der Sammlungspräsentation "Extended" im Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe über Majerus: "Kaum eine Arbeit von ihm steht für sich allein. Sie sucht immer die Auseinandersetzung mit anderen Arbeiten. Und zwar nicht nur mit den Werken anderer Künstler, sondern auch und gerade mit den eigenen Arbeiten."

Folgerichtig ist daher das Interesse des Kunstmuseums Stuttgart, eine Arbeit zu zeigen, die erstmals 2000 für den Kölnischen Kunstverein entstand - "If We're Dead So It Is", eine 46 Meter lange Skaterrampe.

Noch ein Bild, schon eine Installation, noch ein distanziertes Kunstwerk, schon ein Projekt, das erst in der und durch die Beteiligung entsteht. In Majerus Worten: "Man kann keine Kunst mehr machen, die ausschließlich Kunst ist." 2004 ist die Rampe ein zweites Mal zu sehen und zu erleben - in Sevilla. Acht Jahre später soll sie jetzt in Stuttgart noch einmal aufgebaut werden. Nicht direkt vor dem Kunstmuseum, sondern vor dem Königsbau auf den Schlossplatz gerückt. Ein Ort mit Widerhaken. Nicht nur, dass Majerus' Rampe an die einstige Skater-szene unter dem Kleinen Schlossplatz erinnert und damit auch die Frage stellt, wer den öffentlichen Raum wie nutzt beziehungsweise nutzen darf. Möglich wird ein solches Projekt zudem nur im engen Dialog zwischen Stadt und Land. Entsprechende Gespräche zwischen der Stadt Stuttgart (für den Straßenraum verantwortlich) und der Landesregierung (über das Finanzministerium für den Schlossplatz verantwortlich) laufen. "Wir hoffen auf grünes Licht", bestätigt Kunstmuseumsdirektorin Ulrike Groos auf Anfrage die Planungen.

"Abstraktion und Farbfeldmalerei, Trash und Trance, Ikonik und Comic" - all das verbindet sich nach Ralf Christofori in der Malerei von Michel Majerus. Nicht von ungefähr klingt die Skizzierung nach frühem Ruhm. Majerus kann nach 1999 kaum so schnell produzieren, wie seine Werke international verkauft werden. Dann aber die Tragödie - gerade 35-jährig stirbt der Maler 2002 bei einem Flugzeugabsturz.

Mehr als 100 Werke sollen in Stuttgart zu sehen sein, wenn am 25. November im Kunstmuseum die Majerus-Hommage eröffnet wird. Doch wohl gerade in und für Stuttgart wäre die Schau erst mit der Skaterrampe vollständig.