Derzeit leben etwa 12 600 Filipinos in Deutschland, die meisten davon arbeiten in der Pflege. Foto: picture alliance / dpa/Oliver Berg

Hierzulande wird Personal von den Philippinen in Kliniken und Heimen dringend benötigt. Doch die ausländerfeindliche Stimmung schreckt viele Bewerber ab.

Jason Heinen gerät in letzter Zeit häufiger in Bedrängnis. Zum Beispiel vor gut zwei Wochen, als der Unternehmer eine Infoveranstaltung vor 120 Pflegekräften machte, die es sich grundsätzlich vorstellen konnten, für einen Job in Deutschland zu ziehen. Nur wollten die Interessierten verblüffend wenig über Arbeitsbedingungen, Vertragsrecht oder Gehaltsauszahlung wissen. „70 Prozent der Fragen drehten sich um Rassismus“, erinnert sich Heinen. „Ich versuche, Deutschland möglichst positiv darzustellen.“ Aber das werde schwierig.

In den Philippinen werden massiv Pflegekräfte ausgebildet

Jason Heinen ist Vermittler von Pflegekräften und arbeitet für das Unternehmen Saisy Germany. Als er vor sechs Jahren in diesem Job anfing, schien das Geschäft wie eine Goldgrube: In Deutschlands alternder Bevölkerung mangelt es akut an Arbeitskräften, insbesondere solchen, die in der Pflege arbeiten können. Bis 2030 dürfte eine halbe Million solcher Fachkräfte fehlen. Und Heinens Heimat Philippinen, dessen Bevölkerung von derzeit 114 Millionen jährlich noch um 1,5 Prozent wächst, bildet massiv Pflegekräfte aus. Die zwei Staaten haben einen Vertrag: Deutschland will mehr Filipinos.

Aber wollen das auch die Deutschen? In den Philippinen ist man sich nicht mehr so sicher. Deutschland wird als migrationsfeindlich wahrgenommen. Das preisgekrönte Onlineportal Rappler titelte schon 2021 mit Verweis auf die AfD: „Die Verbreitung des Faschismus ist real.“ Nationale Medien berichteten zuletzt groß über die Demonstrationen gegen Rechts in Deutschland.

Jeden Tag springt ein Interessent wieder ab

Solche Eindrücke haben offenbar auch fern von Deutschland reale Folgen. Der Unternehmer Jason Heinen etwa berichtet: „Uns springt jeden Tag eine interessierte Person ab.“ Die Sorge davor, man würde in Deutschland schlecht behandelt, steige rapide. „Wenn es so weitergeht, wird bald niemand mehr nach Deutschland wollen“, glaubt Heinen.

Weltweit gehören die Philippinen seit Jahrzehnten zu jenen Ländern, die am meisten Landsleute zum Arbeiten ins Ausland schicken. Der Großteil der Filipinos und Filipinas ziehen nach Saudi-Arabien, in die USA, die Vereinigten Arabische Emirate, Australien oder Hongkong. Nach Deutschland kommen bislang eher wenige – hauptsächlich aufgrund der Sprachschwierigkeiten und den bürokratischen Problemen bei der Anerkennung der Berufsqualifikationen.

Diskriminierung und Rassismus sind Alltag

Derzeit sind es etwa 12 600 Filipinos, die meisten davon arbeiten in der Pflege. Und viele von ihnen haben hierzulande durchaus Diskriminierung und Rassismus erlebt: Das berichtet jedenfalls die interkulturelle Beraterin Grace Lugert-Jose, die sich auf die Integration ausländischer Pflegefachkräfte spezialisiert hat. 2023 hat sie eine Befragung unter 224 in Deutschland arbeitenden Filipinos und Filipinas durchgeführt. Ergebnis: „Oft kommen die neu eingereisten Pflegefachkräfte in Teams mit schlechtem Arbeitsklima, in denen Mobbing bereits an der Tagesordnung ist“, so Lugert-Jose. „Dann werden sie als die Neuen mit meist zurückhaltendem Auftreten und Unsicherheiten in der deutschen Sprache zum Opfer von Mobbing.“

Der Befund scheint zu einer kürzlichen Umfrage der EU-Agentur für Grundrechte zu passen: In Deutschland gaben darin 65 Prozent der Befragten mit afrikanischen Wurzeln an, Rassismus erfahren zu haben – der zweithöchste Wert hinter Österreich.

Lieber Filipinos als Pflegekräfte aus anderen Ländern?

Solche Informationen wirken auch auf Menschen aus Asien kaum einladend. Zumal selbst die deutsche Willkommenskultur zweischneidig ist: Wer in Deutschland Wert auf eine christlich geprägte Leitkultur legt, hat an Patientenbetten oft lieber Filipinos als zum Beispiel Ägypterinnen oder Syrer. Denn dem Christentum gehören rund 90 Prozent der Filipinos an.

So eine Präferenz für Menschen aus den Philippinen, wie sie etwa in der CDU/CSU vertreten ist, lässt sich auch als latente Fremdenfeindlichkeit lesen. Denn willkommen sind die dann nur, weil sie aufgrund ihres Glaubens nicht allzu fremd sind. Zudem: An die zehn Prozent aus den Philippinen sind muslimisch. „In Deutschland gibt es wohl Rassismus gegen Muslime“, erklärt eine Pflegekraft, die von Jason Heinens Programm wieder abgesprungen ist. „Ich will damit nichts zu tun haben.“