Raoul Peck erzählt Geschichten aus Afrika und Haiti. Foto: dpa

Der haitianische Filmemacher Raoul Peck will uns Europäern die afrikanische Diaspora verständlich machen.

Stuttgart - Würde man Donald Trump, den US-Präsidentschaftskandidaten mit den erschreckenden außenpolitischen Äußerungen, fragen, wie er sich einen Weltbürger vorstelle, bekäme man vermutlich keine kulturlastige Antwort. Vielleicht würde Trump definieren, ein Weltbürger sei jemand, der jederzeit einen Erste-Klasse-Flug in jede Metropole dieser Welt buchen und sich dort im teuersten Hotel einmieten könne. Mit der Weltbürgerschaft des 1953 in Port-au-Prince auf Haiti geborenen Filmemachers Raoul Peck wüsste Trump wohl wenig anzufangen.

Peck kommt aus einer jener armen Regionen der Welt, die Trump in seinen Reden allenfalls als Gefahrenherde für Amerikas Sicherheit oder als Elendszonen ohne Hilfsanspruch sieht. Aber Peck, dessen Familie vor der Diktatur des Duvalier-Clans floh, der in der Republik Kongo aufwuchs, in den USA, Frankreich und Deutschland studiert hat und heute Frankreichs renommierte Filmschule La Fémis in Paris leitet, hat sich nicht nur als patenter Migrant in den Gefilden des Chancen- und Güterreichtums bewiesen. Er zeigt sich fortwährend als einer, der von seiner Herkunft nicht lässt, der Haiti und Afrika als Zonen seiner Verantwortung begreift. Er will Geschichten von dort auch dem Rest der Welt erzählen.

Pecks Filme kamen mit deutscher Hilfe zustande

In Deutschland aber sind Pecks Filme kaum bekannt, was allerdings kein individuelles Sonderschicksal des Mannes ist. Der cineastische Horizont des Landes schrumpft fortwährend, weil die Nachfrage des Publikums vor allem Wohlfühlkomödien aus unseren Nachbarländern gilt. Im Fall Raoul Peck ist das Desinteresse besonders absurd, weil seine Filme mit deutscher Hilfe zustande kommen, mit Unterstützung des in Stuttgart ansässigen Evangelischen Zentrums für entwicklungsbezogene Filmarbeit (EZEF).

Auch wenn man ihnen im DVD-Sortiment durchschnittlicher Elektromärkte selten begegnen wird, alle Filme Raoul Pecks liegen nun in Deutschland auch auf DVD vor. Soeben sind beim Berliner Filmkunstlabel Filmgalerie 451, das die Gründer von Stuttgarts mittlerweile geschlossener Videothek gleichen Namens ins Leben gerufen haben, zwei neuere Arbeiten von Peck erschienen, „Moloch Tropical“ aus dem Jahr 2009 und „Mord in Pacot“ aus dem Jahr 2014.

Ein Filmemacher der schwarzen Diaspora

„Moloch Tropical“ erzählt die böse Geschichte eines haitianischen Diktators, der nicht begreift, dass um ihn her die Revolution ausbricht, und weiter sein dekadentes Leben führt, zu dessen Lüsten das Foltern gehört. „Mord in Pacot“ bildet das sarkastische Gegenstück zum Untergangsgemälde der Diktatur, es ist buchstäblich in den Ruinen der Demokratie angesiedelt. Nach dem großen Erdbeben von 2010 weigert sich ein Pärchen, seine schöne, aber einsturzgefährdete Villa in einem der besseren Viertel Haitis aufzugeben. Dass sie den intaktesten Teil des Hauses an einen Wiederaufbauhelfer vermieten, führt zu einer interessanten Erkundung des Verhältnisses von Helfern und einheimischen Eliten.

Er sei ein Filmemacher der schwarzen Diaspora, hat Peck von sich selbst gesagt. Es geht ihm um kollektive und historische Erfahrungen, in „Lumumba“ etwa um den vielfach beschädigten Prozess der Entkolonialisierung. Sich der eigenen Geschichte nicht stellen zu müssen, das sieht Peck als Privileg der Begüterten. Seine Figuren können nicht locker herausschlüpfen aus ihren Gesellschaften. Aber Peck hat eine andere Vision: dass wir in seinen Filmen in die fremde Geschichte hineinschlüpfen können, um sie endlich besser zu verstehen.