Prozessauftakt im Gruppe-S.-Verfahren im April 2021: Mandant möchte nach vorne blicken. Foto: dpa

Im Verfahren gegen die Rechtsterrorgruppe S. zieht einer der Hauptangeklagten seinen Einspruch gegen das Urteil vom November zurück. Andere Verurteilte wollen dem Beispiel offenbar folgen.

Im Strafprozess gegen die Mitglieder der mutmaßlichen Rechtsterrorgruppe S. haben die Verteidiger des zweiten Rädelsführers Tony E. ihren Revisionsantrag zurückgezogen. Die Richterinnen und Richter des 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart hatten im November nach zweieinhalbjähriger Hauptverhandlung neun der elf Angeklagten zu hohen Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren und sechs Monaten und sechs Jahren verurteilt. Ein Verurteilter erhielt eine Freiheitsstrafe auf Bewährung, ein anderer, der Polizeispitzel Paul-Ludwig U., wurde freigesprochen, weil er die Polizei mit Informationen versorgt hatte. An seiner Glaubwürdigkeit hatten die Richter jedoch ausdrücklich Zweifel.

Sie sind überzeugt, dass die Gruppe S. einen gewaltsamen politischen Umsturz in Deutschland plante. Am 14. Februar 2020 wurden zwölf Männer im gesamten Bundesgebiet festgenommen. Zwei von ihnen starben: Einer nahm sich in der Untersuchungshaft das Leben, ein zweiter starb während des Prozesses an einem Herzinfarkt. Der Spitzel blieb auf freiem Fuß.

Bereits unmittelbar nach dem Urteil hatten viele Verteidiger angekündigt, das Urteil vom Bundesgerichtshof überprüfen zu lassen. Bei einer solchen Revision wird nicht die Tat als solche von Richtern noch einmal unter die Lupe genommen. Sie prüfen aber, ob ihre Kollegen im Prozess juristische Fehler gemacht haben. Dazu gehört auch die Frage, ob die Rechte der Verteidiger während des Prozesses eingeschränkt wurden.

Revisionsantrag aus persönlichen Gründen zurückgezogen

Dies hatten fast alle Verteidiger in ihren Plädoyers am Ende des Prozesses behauptet. Vor allem, weil ihnen angeblich Ermittlungsergebnisse des Landeskriminalamtes vorenthalten worden seien, wie sie ihren Vorwurf damals begründeten. Auch unsere Zeitung hatte fälschlicherweise berichtet, dass erst kurz vor Prozessende überraschend Daten aus Chatprotokollen aufgetaucht seien. In seiner Urteilsverkündung legte der vorsitzende Richter Herbert Anderer jedoch überzeugend dar, dass die Daten den Verteidigern in anderer Form schon lange vor Prozessbeginn im April 2021 vorlagen.

Toni E. wurde zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Wegen seiner Inhaftierung hat er erst im vergangenen Sommer den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen. Es überrascht daher, dass er den Revisionsantrag nun zurückzieht: „Die Gründe liegen im persönlichen Bereich unseres Mandanten, der mit noch rund einem Jahr verbleibender Haftzeit nach vorne blicken möchte. Mit einem Abschluss des Revisionsverfahrens ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen“, begründete der Heidelberger Rechtsanwalt Jörg Becker den Schritt.

Hauptangeklagter will Revisionsantrag aufrechterhalten

Eine Revision bewirkt, dass ein Urteil zunächst nicht rechtskräftig wird, also nicht vollstreckt werden darf. Erkennt ein Verurteilter das Urteil aber an, wird es für ihn rechtskräftig. Für Toni E. bedeutet dies, dass er spätestens im Mai 2025 aus der Haft entlassen wird und damit die Gruppe S. juristisch für ihn endgültig abgeschlossen ist.

Seine Entscheidung könnte Signalwirkung für andere Verurteilte haben. Mehrere Verteidiger sagten unserer Zeitung, sie würden ihren Mandanten ebenfalls empfehlen, die Revision zurückzuziehen. Der Hauptangeklagte und Namensgeber der Gruppe, Werner S., sowie der Mindener Thomas N. halten daran fest, das Stuttgarter Urteil überprüfen zu lassen. Sollten die Richter des Bundesgerichtshofes zu der Entscheidung kommen, dass das Stuttgarter Urteil aufzuheben sei, würde dieses zu Gunsten aller Verurteilter abgeändert werden.