In der Talkrunde bei Markus Lanz am Donnerstag war unter anderem der Extremismusforscher Ahmad Mansour zu Gast. (Archivbild) Foto: picture alliance / dpa/Stephanie Pilick

Markus Lanz hat am Donnerstag bei seiner Talkrunde vier muslimische Gäste empfangen. Diskutiert wurde neben dem Vorfall auf Sylt auch über muslimischen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus .

Markus Lanz nennt es einen „historischen Moment“ – noch nie zuvor habe er vier Muslime in seiner Talkrunde gehabt. Am Donnerstagabend (30.05.2024) diskutierte er in seiner ZDF-Talksendung Markus Lanz mit seinen Gästen über die Kalifats-Demonstrationen in Hamburg, den umstrittenen Moscheeverband DITIB sowie den Nahostkonflikt und muslimischen Antisemitismus sowie auch antimuslimischen Rassismus in Deutschland.

Es sei nicht einfach gewesen, die Runde an diesem Donnerstag zu besetzen. Noch nie habe er so viele Absagen bekommen, sagte Markus Lanz. Diese seien hauptsächlich von Verbandsvertretern gekommen. Dennoch konnte Lanz vier Gäste für seine Sendung am Donnerstagabend gewinnen.

Das waren die Gäste bei Markus Lanz

  •  Khola Maryam Hübsch, Publizistin: Sie positioniert sich als praktizierende Muslimin und erläuterte ihre Meinung zum Nahostkonflikt und den Kalifats-Demonstrationen radikaler Islamisten in Hamburg, durch die viele Muslime ein „Entwurzelungsgefühl“ hätten.
  •  Ahmad Mansour, Extremismusforscher: Er warnt: „Seit dem 7. Oktober sehe ich eine Radikalisierungswelle auf uns zukommen.“ Mit Blick auf die rassistischen Ausfälle auf Sylt äußert er sich auch zum gesellschaftlichen Klima und fragt sich: „An welcher Stelle sind Begriffe wie Scharia und Kalifat wieder wichtig geworden?“
  •  Murat Kayman, Jurist: Er schildert, wie er als türkisches Gastarbeiterkind in Lübeck sozialisiert wurde. „Junge Muslime sehen sich zunehmend in einer Gegnerschaft zur deutschen Gesellschaft“, sagt er. Er sieht schon weit vor dem Gaza-Konflikt Probleme des Verhältnisses vieler Muslime zu Deutschland.
  •  Mouhanad Khorchide, Theologe: Der in Beirut geborene Professor für Islamische Religionspädagogik spricht über muslimischen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus in Deutschland. Er sieht ein Identitätsproblem, da junge Muslime aufgestachelt würden, sich nur noch in Abgrenzung zum Westen mit Muslimen identifizieren zu können.

Gäste sind Vorfälle wie auf Sylt gewöhnt

Der Vorfall auf Sylt, als dort vor einer Woche in einem Club junge Partygäste rassistische Parolen zu Gigi D’Agostinos Hit „L’amour toujours“ grölten, war direkt der Einstieg in die Diskussion. Sein erster Reflex sei gewesen: „Das ist nicht Deutschland, das sind nicht die Deutschen“, sagt Markus Lanz in der Sendung.

Während Ahmad Mansour wenig überrascht ist von den Szenen auf Sylt und betont, dass es diese Vorfälle vermehrt gäbe, sieht der Jurist Kayman Lanz’ Aussage äußerst kritisch. Es sei eine Wunschperspektive des Moderators, dass das Video nicht Deutschland repräsentiere. Denn genau diese Situation wie auf Sylt seien der Jurist wie auch die anderen Gäste seit ihrer Kindheit gewohnt. Dass es erst im Nachgang vermehrt eine Gegenrede, Positionierungen und ein Störgefühl gegen Verhalten dieser Art von mehreren Politikern gab, sei zwar positiv. Es enttäusche ihn jedoch viel mehr, dass es genau diese Positionierungen nicht direkt vor Ort gegeben habe – von anderen Mitfeiernden oder den Club-Besitzern.

Khola Hübsch irritiert Lanz mit ironischem Vergleich

Khola Hübsch sieht den Vorfall auf Sylt auch nicht als Einzelfall. Sie beschäftigt vielmehr die Frage, woher derartige rassistische Parolen kommen. Die Journalistin finde es vielmehr erschreckend, dass die Gesellschaft sich immer noch nicht weiterentwickelt habe und „wir immer noch über Kultur reden und nicht über Struktur“.

Die Ausländerkriminalität sei laut Hübsch in den öffentlichen und politischen Debatten intensive diskutiert worden. Die Journalistin nennt es – wie sie später bei erneuter Nachfrage durch Lanz aufklärt – ironisch eine substanziellere Debatte, über „Männerkriminalität“ zu sprechen als über „Ausländerkriminalität“. Ihr ist es ein Dorn im Auge, dass der Anteil von Kultur und Religion an sozialen Missständen überbewertet würde und wichtigere Aspekte wie Armut und sozioökonomischer Status in der Diskussion missachtet würden. Daher wundere sie es nicht, dass der Rassismus steige.

Extremismusforscher Ahmad Mansour konterte hingegen, dass er die Diskussion über die Ausländerkriminalität als eine durchaus berechtigte Debatte ansehe und „das wird nicht dazu führen, dass irgendwelche Nazis irgendwelche Gründe bekommen, um mehr Ausländer zu hassen“.

Mansour zieht kritischen Vergleich zu Sylt-Vorfall

Mansour fragte in der Sendung, warum die propalästinensischen Demonstrationen an der Humboldt-Universität in Berlin kurz zuvor nicht auf derartige Empörung wie das Sylt-Video gestoßen seien. Er sieht die Israel-Kritik als völlig „legitim“, jedoch hätten die Vorfälle in Berlin nichts mehr damit zu tun, das sei Vandalismus.

Die anderen Talkshow-Gäste fanden Mansours Vergleich und die Themenüberleitung von Sylt auf Berlin schwierig. Der Theologe Mouhanad Khorchide warnte, dass das eine nicht gegen das andere ausgespielt werden dürfe. Die Journalistin Khola Hübsch schloss sich dieser Meinung an und fand es falsch, wenn sich nun alle als Antisemiten präsentierten. Als Ursache für den „steigenden Antisemitismus, auch unter Muslimen“ sieht die Journalistin vielmehr, dass es keine Räume zur geschützten Diskussion gäbe. Genau deshalb entstünden Vorfälle wie an der Humboldt-Universität in Berlin, weil es versäumt worden sein, „im akademischen“ Bereich geschützt über den Nahost-Konflikt zu diskutieren.

Laut dem Theologen Khorchide geht es bei den Palästina-Demonstrationen wie der an der Humboldt-Universität in Berlin außerdem nicht „um den Nahost-Konflikt, sondern um uns hier“. Die meisten Demonstranten hätten keine Ahnung vom Konflikt und würden vielmehr aus einem Diskriminierungsgefühl und „Nicht-Ankommen in europäischen und westlichen Gesellschaften“ hingehen.

So reagiert das Netz

Auch Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten die hitzigen Diskussionen bei Markus Lanz am Donnerstagabend und reagierten darauf im Netz auf der Plattform X, ehemals Twitter. Dort hagelte es vermehrt Kritik an den Aussagen von Journalistin Khola Hübsch, aber auch Lanz muss einstecken. Viele empfanden den Moderator sehr zurückhaltend in der Sendung am Donnerstag.

Im Netz kritisierten Nutzer die Zusammenstellung der Talkshow-Gäste:

Vor allem Journalistin Khola Hübsch erntete Kritik im Netz:

Überzeugt waren viele Nutzer von den Beiträgen des Extremismus-Experten Ahmad Mansour:

Vielen Nutzern waren die Diskussionen in der Sendung insgesamt zu aufgeheizt, und sie kritisierten die zurückhaltende Rolle von Markus Lanz:

Aber es gab auch zufriedene Zuschauer:

Markus Lanz in der Mediathek

Seit 2008 wird die Talkshow von Markus Lanz im ZDF ausgestrahlt. Die Sendung des gebürtigen Südtirolers wird von Dienstag bis Donnerstag in einem Hamburger Fernsehstudio aufgezeichnet und am späten Abend im ZDF ausgestrahlt – oft zeitversetzt, manchmal auch live. Die Sendezeit liegt meist bei 23.15 Uhr - kann aber je nach Rahmenprogramm auch variieren. Die Lanz-Videos sind in der ZDF-Mediathek abrufbar.