Der Journalist Deniz Yücel Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Gruppe Puls fordert, dass sich Bürgermeister Jan Trost für den Journalisten in der Jury starkmacht. Doch zunächst muss der Gemeinderat seinen Segen geben.

Marbach - Der Marbacher Schillerpreis wird seit mehr als 60 Jahren verliehen. Auf der Liste der Geehrten befinden sich Geistesgrößen wie der Literaturwissenschaftler Peter-André Alt oder Bernhard Zeller, der sich als Direktor des Schiller-Nationalmuseums immense Verdienste erworben hat. Die Gruppe Puls im Marbacher Gemeinderat bricht nun eine Lanze dafür, dass der Journalist Deniz Yücel als Nächster mit der Auszeichnung bedacht wird, der neben seiner Arbeit als Rechercheur auch dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, dass er in der Türkei im Gefängnis saß. Ihm war Terrorpropaganda vorgeworfen worden. Seine Festnahme löste eine Welle der Empörung aus.

Puls sieht nun in Yücel einen geeigneten Kandidaten für den mit 10 000 Euro dotierten Preis, weil Journalisten „durchaus in der Denktradition von Friedrich Schiller“ stünden. Sie setzten sich ganz allgemein für Freiheit, Gerechtigkeit und Aufklärung ein. Folglich seien die Voraussetzungen für eine Verleihung des Schillerpreises erfüllt. Dazu komme die aktuelle Lage, wonach die schreibende Zunft im Zeitungswesen „weltweit staatlichen und privaten Übergriffen, Gewalttaten und Haftstrafen ausgesetzt“ sei. In der Türkei seien beispielsweise mehrere Journalisten „grundlos inhaftiert“, schreiben Hendrik Lüdke und Benjamin Flaig von Puls in ihrer Antragsbegründung. „Deshalb sollten wir nun den Journalismus ehren und deshalb stellvertretend den Schillerpreis an einen bekannten und verfolgten Vertreter dieser Berufsgruppe verleihen“, fassen die beiden zusammen.

Lüdke und Flaig machen sich bewusst für ein prominentes Mitglied aus der Schar der Pressevertreter stark. Sie erinnern daran, dass die Preisträger in der Regel zuletzt den wenigsten Marbachern ein Begriff gewesen seien. Selbst den Gemeinderäten seien die Kandidaten im Grunde nicht geläufig gewesen. Doch nicht nur das. Im Vorfeld der Ehrung im vergangenen Jahr war unter den Fraktionen dezente Kritik am Auswahlverfahren aufgekommen. Seinerzeit fiel das Votum auf die Entwicklungsbiologin Christiane Nüsslein-Volhard. An deren wissenschaftlichen Meriten hatten die Räte nichts zu kritteln. Allerdings war nach dem Geschmack des einen oder anderen nicht klar zu erkennen, inwieweit sich die Preisträgerin in der Denktradition von Friedrich Schiller bewegt. Schon in der damaligen Diskussion war dann der Vorschlag aufgekommen, einen verfolgten Journalisten zu würdigen – was nun von Puls auch offiziell angeregt wird. Die Gemeinderatsgruppe fordert, dass Bürgermeister Jan Trost als Mitglied und Vorsitzender des Preisgerichts den langjährigen taz-Redakteur Deniz Yücel für die nächste Ehrung 2021 vorschlägt und sich für ihn auch einsetzt. Neben dem Marbacher Rathauschef sitzen der Direktor der Deutschen Schillergesellschaft, der Landeshistoriker der Universität Tübingen sowie Vertreter aus Philosophie, Theaterwissenschaften, Medizin und Naturwissenschaften und ein Abgesandter der Stiftung Weimarer Klassik in der Jury.

Weil in der illustren Runde personelle Veränderungen anstehen, wird der Marbacher Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung am 25. Juni über die Neubesetzung der Kommission beraten. „Wir müssen noch besprechen, ob wir dann den Antrag von Puls auch gleich auf die Tagesordnung nehmen“, sagte Jan Trost am Montagmittag auf Nachfrage. Wobei man in der Sache nicht unter Zeitdruck stehe. Die Jury tage erst gegen Ende des Jahres und lege bei dieser Zusammenkunft fest, wem der Schillerpreis für 2021 verliehen werden soll. Dem Marbacher Gemeinderat werde der Beschluss in der Folge zur Kenntnis vorgelegt.

Ob er die Anregung von Puls befürwortet und in der Jury für Deniz Yücel trommeln will, dazu möchte sich Jan Trost vor der Debatte im Gemeinderat nicht äußern. Fakt ist aber, dass der Schultes das Recht dazu hätte, einen Namen aufs Tableau zu bringen. Denn allgemein sei das Prozedere in der Findungsrunde so, dass jeder einen Vorschlag unterbreiten könne, über den man sich dann austausche, erklärt er. Der Kreis der möglichen Kandidaten sei breit gefasst, betont der Bürgermeister und verweist auf die Preisträger der vergangenen Jahre. „Das reicht vom Politiker über die Buchhändlerin bis zur Theaterregisseurin“, sagt er. „Es ist dabei wichtig, dass es sich um Personen handelt, die aus der Masse herausstechen“, konstatiert er. Wie bekannt die Preisträger sind, liege im Auge des Betrachters und sei immer eine Frage der Definition, sagt Trost im Hinblick auf den Puls-Einwand, wonach in der Vergangenheit die wenigsten Marbacher mit den Namen der Preisträger etwas anfangen konnten.