SPD-Wirtschaftsminister Nils Schmid: Mitarbeiter mit hoher sozialer Kompetenz können den Betrieben zu Gute kommen Foto: dpa

Die Bildungszeit – von Kritikern auch Bildungsurlaub genannt – wird in Baden-Württemberg zum Jahreswechsel ausgeweitet. Künftig können Arbeitnehmer auch für Weiterbildungen im Ehrenamt bis zu fünf freie Tage im Jahr bekommen – sehr zum Ärger der Wirtschaftsverbände.

Stuttgart - Der umstrittene Anspruch auf Bildungszeit für Arbeitnehmer gilt in Baden-Württemberg zum kommenden Jahr auch für Weiterbildungen im Ehrenamt. Nach Informationen unserer Zeitung waren die Proteste der Wirtschaft gegen die Ausweitung im Anhörungsverfahren erfolglos. Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) wird dem Landeskabinett am nächsten Dienstag die entsprechende Verordnung weitgehend unverändert zur Beschlussfassung vorlegen.

Bereits seit Juli müssen Betriebe im Südwesten Arbeitnehmer und Auszubildende für bis zu fünf Tage im Jahr freistellen, wenn diese an einer beruflichen oder politischen Weiterbildung teilnehmen. . Dieses Recht gilt auch für Beamte und Studierende der Dualen Hochschule. Das Gehalt wird dabei weiterbezahlt, die Kosten für die Weiterbildung müssen die Arbeitnehmer tragen.

Vom 1. Januar 2016 an soll diese Regelung nun auf Weiterbildungen im Ehrenamt ausgeweitet werden. Nach früheren Angaben von Schmid zählen dazu die Bereiche Sport, Soziales, Kirchen, Musik, Theater, Kunst, Kinder- und Jugendarbeit sowie Tier-, Natur- und Umweltschutz. Auch das Engagement in öffentlichen Ehrenämtern, etwa als ehrenamtlicher Richter, Vormund, Pfleger oder Betreuer falle unter diese Regelung.

Heftige Kritik in der Anhörung

In der Anhörung warfen die Wirtschaftsverbände der grün-roten Landesregierung vor, mit der Ausweitung auf das Ehrenamt deutlich über vergleichbare Bildungszeit-Regelungen in anderen Bundesländern hinauszugehen. Es sei nicht Aufgabe der Arbeitgeber, die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten durch bezahlte Freistellungsansprüche zu subventionieren, werden die Einwände in einem Regierungspapier zusammengefasst. Zudem enthalte die Verordnung zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe, und es entstehe ein erheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand.

Das Wirtschaftsministerium räumt laut dem Regierungspapier ein, dass ehrenamtliche Tätigkeiten zunächst einmal Privatsache seien und die neue Vorschrift die Betriebe zusätzlich belaste. Ehrenamtlich Tätige gehörten aber in aller Regel zu den motiviertesten Mitarbeitern in einem Betrieb.

Werde deren soziale Kompetenz durch Weiterbildung gestärkt, könne dies letztlich auch den Betrieben zugute kommen.

Nur ein Prozent aller Berechtigten nimmt bislang Bildungszeit

Des weiteren weist das Wirtschaftsministerium darauf hin, dass in das Bildungszeitgesetz des Landes mehrere Regelungen aufgenommen wurden, mit denen eine Überforderung insbesondere kleinerer Betriebe verhindert werden soll. Nach den bisherigen Erfahrungen aus anderen Bundesländern würden zudem im Schnitt nur etwa ein Prozent aller Berechtigten von dem Anspruch auch Gebrauch machen. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die Betriebe im Südwesten durch die Ausweitung der Bildungszeit überbeansprucht würden.