Stargast Jens Spahn beim beifallumtosten Einmarsch in die Alte Kelter, rechts der neue CDU-Landeschef Manuel Hagel Foto: Gottfried Stoppel

Zum politischen Aschermittwoch der baden-württembergischen Christdemokraten strömen 1500 Anhänger aus allen Landesteilen in die Alte Kelter. Hauptredner ist der frühere Bundesgesundheitsminister. Ansonsten bestimmt überraschend Cadenabbia-Türkis das Bild im riesigen Saal.

Wenn so viele Christdemokraten wie nirgendwo sonst in Baden oder Württemberg sich vier Stunden lang auf einem Fleck versammeln, dann steht fest: Es ist politischer Aschermittwoch der CDU Baden-Württemberg, und der lockt regelmäßig an einem Vormittag im Spätwinter die Massen in die Alte Kelter in Fellbach. Einmal mehr drängeln sich 1500 begeisterte Anhänger konservativer Lebenskultur in die prächtige, 100 Meter lange und 33 Meter breite Kathedrale aus Holz. „Nur der Brandschutz bremst uns aus“, sagt der neue, seit drei Monaten im Amt befindliche Landesvorsitzende Manuel Hagel bereits beim obligatorischen frühmorgendlichen Pressefrühstück. Doch auch so „ist dies bundesweit nach Passau der zweitgrößte politische Stammtisch“.

Große Freude über neue CDU-Mitglieder

Ansonsten ist viel von der Aufbruchstimmung die Rede, die der fleißige Nachfolger von Thomas Strobl als Landeschef erzeugt. Es gibt einen erfreulichen Zuwachs bei den Mitgliederzahlen, wie auch der Rems-Murr-Vorsitzende, der Landtagsabgeordnete Siegfried Lorek, bilanziert: Allein im Januar habe es auf Kreisebene 15 Neueintritte gegeben – überwiegend junge Menschen zwischen 17 und 20 Jahren. Insgesamt kommt die CDU im Rems-Murr-Kreis seinen Angaben zufolge auf aktuell insgesamt rund 1440 Mitglieder.

Zahlreiche Interessenten dieses „Familientreffens“ (CDU-Bezirkschef Steffen Bilger) haben denn auch die vergleichsweise kurze Anfahrt etwa aus dem Remstal, dem Schwäbischen Wald oder der Backnanger Bucht hinter sich gebracht. Anders als jene vom Bodensee, aus dem Schwarzwald oder Oberschwaben, die oft in gemeinschaftlichen Busfahrten angereist sind, weshalb sich die Alte Kelter schubweise mit weiteren Neugierigen füllt.

Gute Sicht auch von hinten dank der Monitore am Dachgebälk

Auch wer weiter hinten sitzt, hat dank der drei am Dachgebälk befestigten Monitore beste Sicht aufs Bühnengeschehen. Ganz vorne dürfen die Honoratioren Platz nehmen. So mancher Überraschungsgast wird entdeckt, etwa der einstige Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück aus Pforzheim. Recht hoch ist zudem die Rems-Murr-Bürgermeister-Dichte – beispielsweise mit den OBs Sebastian Wolf (Waiblingen) und Hartmut Holzwarth (Winnenden) sowie Bürgermeistern wie Johannes Berner (als Repräsentant der Stadt Fellbach). Alfdorfs Schultes Ronald Krötz ist nach eigener Aussage „erst seit Kurzem CDU-Mitglied“ und lässt sich auch nicht durch eine kürzliche Sprunggelenks-OP ausbremsen: Er kommt in Krücken in den Saal, „ich wollte mir das schon lange mal angucken“.

Von zahlreichen Parteifreunden begrüßt wird auch die Waiblinger Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp. Die 36-jährige stellvertretende Generalsekretärin der Bundes-CDU ist vor wenigen Wochen zum zweiten Mal Mutter geworden – sie hat somit einen Sohn und eine Tochter. „Ich weiß gar nicht, wie sie dieses Pensum schafft“, raunt ein altgedienter Fellbacher CDU-Mann.

Stumpp ist es auch, die für jene Änderung mitverantwortlich zeichnet, die wiederum Jens Mohrmann, Geschäftsführer der für die Alte Kelter zuständigen Fellbacher Event & Location GmbH, beim Durchschlendern auffällt: Statt Orange wie früher beherrscht die neue türkisblaue Farbgebung der Fähnchen und Bierdeckel das Bild. „Das ist seit September 2023 unsere neue Bundesfarbe“, weiß der Fellbacher CDU-Stadtverbandsvorsitzende Fabian Zahlecker, „das ist Cadenabbia-Türkis, benannt nach dem Ferienort von Konrad Adenauer am Comer See“.

Stuttgart OB Frank Nopper huscht kurz vor Jens Spahn in den Saal

Nachdem die Fellbacher Stadtkapelle Udo Jürgens’ „Ich war noch niemals in New York“ intoniert hat, huscht kurz nach 10.30 Uhr der frühere Backnanger und heutige Stuttgarter OB Frank Nopper gerade noch rechtzeitig in die Halle – ehe direkt hinter ihm der Stargast erscheint: der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn, der 2018 schon mal beim Fellbacher Aschermittwoch glänzte. Am Abend davor war er noch von einer gemeinsamen Israelreise mit Parteichef Friedrich Merz am Flughafen Frankfurt angekommen, nun hat er es „just in time“ (Generalsekretärin Nina Warken) nach Fellbach geschafft. Im Blitzlichtgewitter bahnt sich der beliebte Bundespolitiker hinter dem Feuerwehr-Spielmannszug aus Weinstadt den Weg durch die begeisterte Menge.

Anschließend verschießt zunächst Manuel Hagel verbale Pfeile gegen die Ampel-Koalition, distanziert sich aber auch von der AfD, die „nie die Macht in unserem Land bekommen darf“. Allerdings „reicht es nicht, die AfD zu verteufeln, weil das viel zu billig ist“, man müsse sie stattdessen „im politischen Nahkampf stellen“.

Dann ist die Zeit für Jens Spahn – „ich komme aus einem Münsterländer Dorf mit 4000 Leuten“ – und seine rund einstündige Rede gekommen. Die CDU sei seit seinem Auftritt 2018 in Fellbach – mittlerweile gab es „drei neue Parteivorsitzende“ und ein „tiefes Tal der Tränen“ – wieder „zurück als stärkste politische Kraft in Deutschland“. Eine „andere, bessere Politik“ sei „der einzige Weg“, um auch die AfD in Schach zu halten. „80 Prozent der Menschen haben kein Vertrauen in diese Bundesregierung, das gab’s noch nie.“ Bei der Ampel gelte: „Die wissen alles besser, kriegen aber nichts gebacken“ und „sitzen nun in ihrem selbst verschuldeten Haushaltsloch“. Fazit: „Deutschland ist stark, es wird nur schlecht regiert.“

Am Ende gibt’s Ovationen für den starken Redner

Zum Applaus reißt es die Christdemokraten in der Kelter von den Bänken, auf denen noch die Teller mit den Resten der Rollmopsbrötchen, Weißwürste oder schwäbischen (vielleicht auch vegetarischen Maultaschen) stehen. So hatten sie sich das vorgestellt, für die nächste Wahl wähnen sie sich bereits auf der Siegerstraße.