Sehr verdichtet, zu wenig Grün: Das Areal rund um den Wasserturm. Foto: Jürgen Bach

Ödnis, Leerstand, Trockenheit: Rund um den Wasserturm in Tamm ist die Aufenthaltsqualität überschaubar. Dagegen will die Stadt jetzt etwas unternehmen.

Rainer Gänßle braucht das Krisen-Szenario gar nicht hypothetisch an die Wand zu malen. „Die Vegetation geht kaputt, die Bäume verkahlen. Ich hatte heute im Büro 36 Grad. Es ist dramatisch. Und wir sitzen mittendrin“, sagt der Landschaftsarchitekt. Es sei allerhöchste Eisenbahn, dass Kommunen die Hebel umlegten. „Wir sind mit dieser Maßnahme am Puls der Zeit.“

Die „Maßnahme“, von der Gänßle spricht, ist die Neugestaltung des Quartiersplatzes am Wasserturm auf der Hohenstange, dem seit den 1970-er Jahren rasch gewachsenen Stadtteil, in dem fast die Hälfte der rund 12 600 Tammer lebt und von dem es schon vor einem Jahr in einer Verwaltungsvorlage hieß, ihm drohe die „völlige Verödung“, wenn nichts geschehe. Die Stadt fürchtete einen Trading-down-Effekt.

Starke bauliche Verdichtung, hoher Versiegelungsgrad, ein – nach kurzem Aufblühen eines Lebensmittelgeschäfts – wieder längerer Leerstand und eine eigentlich gut gedachte kleine Grünanlage, in der aber keine Anreize zum Verweilen gegeben sind und die laut Rainer Gänßle „als Freiraum einer grünen Fuge keine Qualität mehr hat“: So stellt sich das Quartier um den Wasserturm dar – wobei es genau genommen zwei Türme sind, ein markanter großer und daneben ein gedrungener kleiner.

Der Plan für die Zukunft: Möglichst viele Versiegelungen aufbrechen, wasserdurchlässige und helle Belagsarten wie Drain- und Rasenfugen verwenden, Wasserelemente anschaffen – „nicht nur zum Selbstzweck“, so Gänßle, sondern zur Kühlung der Umgebungstemperatur und als Wohlfühlfaktor – , klimaangepasste Bäume nachpflanzen, Sitzgelegenheiten zum Ausruhen und Begegnen etablieren und vor allem „versuchen, das gesamte Oberflächenwasser ins Grün zu leiten und konsequent nach dem Schwammstadt-Prinzip handeln“: All das gelte es umzusetzen, man müsse man auch von manchen Dogmen aus der Bautechnik weg, so Gänßle. Künftig, so die Hoffnung, werden sich dort dann wieder mehr Menschen im öffentlichen Raum aufhalten wollen.

Die aktuell massiv spürbaren Klimawandel-Folgen untermauern die Argumente für die Umgestaltung – das neue Gesicht für das Quartier ist aus Sicht des Rathauschefs Martin Bernhard aber auch an sich wichtig: „Wir müssen mal Geld in die Hand nehmen und den Leuten da oben auf der Hohenstange was geben, was sie schon lange verdient haben“, sagt er, als in der Sitzung des Technischen Ausschusses manche Stadträte angesichts der Kosten vernehmlich schlucken. Der Landschaftsplaner spricht von 1,8 bis 2,1 Millionen Euro, je nach Variante. „Mich erstaunt diese Summe nicht, ich hätte eher noch mit mehr gerechnet“, meint Bernhard.

Auf manche Faktoren hat die kommunale Planung allerdings keinen Einfluss: etwa auf das überdimensional große Parkdeck bei den Wassertürmen und die Zufahrt dorthin. „Eine Riesen-Belagsfläche, die einen fast erschlägt, und geringes Grün“, seufzt Gänßle. „An dem Parkdeck können wir wenig machen, aber dem Raum bis zum Parkdeck können wir mehr Qualität geben.“

Zumindest stehen die Aussichten gut, dass in den leeren Räume gegenüber bald wieder für den täglichen Bedarf eingekauft werden kann. „Die Fläche des Lebensmittelladens ist vermietet. Die Ladeneröffnung eines Lebensmittelgeschäftes dürfte zeitnah erfolgen“, erklärt die Trema Immobilien Management GmbH, der die Immobilie gehört. Nachdem Edeka seinen Treff 3000 vor wenigen Jahren geschlossen hatte, konnte sich ein Nachfolger nicht halten. Neben einem Lebensmittelladen, so Bernhard, wolle nahe der Wassertürme auch eine „Eisdiele to go“ Einzug halten.

In welcher von zwei Varianten die Quartiersumgestaltung vonstatten gehen soll, darüber gibt’s aber noch keine Einigkeit. Eine sieht vor, den teils schwächelnden Platanen-Bestand zu erhalten, die andere will eine zukunftsweisende neue Gestaltung mit Baumdächern anlegen – mit neuen, klimaresistenten Bäumen, die aber Zeit zum Wachsen brauchen werden. „Es ist ein No-Go, Hand an Bäume anzulegen, weil sie irgendwann kaputt gehen könnten,“ fand Stadträtin Karin Vogt (Grüne). Ein Baumgutachter soll nun eine Bestandsaufnahme machen, bevor ein Beschluss fällt.

Klima und Veränderung

Stadtteilwandel
Der Tammer Stadtteil Hohenstange verändert sich und bekommt nicht nur rund um die Wassertürme ein verändertes Gesicht. Die Stadt baut in dem einwohnerreichen Stadtteil beispielsweise gerade eine neue Grundschule.

Sonnenschutz
Kinder, die im Schatten an den Wasserspielen vor dem Rathaus planschen, Flohmarkt-Verkäufer oder Markt-Besucher, die über jedes bisschen Sonnenschutz froh sind: Das Klima war im Technischen Ausschuss auch an anderer Stelle ein Thema. Für mehr als ein Dutzend neu angeschaffter großer Sonnenschirme gab’s von etlichen Stadträten Dank. Allerdings wurde ein Exemplar auch gleich von Unbekannten so stark beschädigt, dass es erst einmal nicht mehr verwendet werden kann.