Polizeibeamte vor dem FKK-Club Paradise Foto: 7aktuell.de/Eyb

Ihnen wurde das Paradies versprochen, doch sie landeten in der Hölle. Die Richter am Landgericht Stuttgart haben die Aussagen der Prostituierten verlesen, die im Echterdinger FKK-Club Paradise arbeiteten. Sie zeichnen ein grausames Bild voll Angst und Brutalität.

Stuttgart - Leere Versprechungen für eine gemeinsame Zukunft, die Aussicht auf schnelles Geld und teure Geschenke – damit schafften es die Zuhälter immer wieder, junge Frauen zur Prostitution zu bringen. Was als Liebesbeziehung begann, entpuppte sich schnell als skrupellose Abhängigkeit. Zwei Prozesstage lang verlasen die Richter der 7. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart im Paradise-Prozess die Aussagen zahlreicher Opfer.

Die Schilderungen der Frauen wollen so gar nicht ins Bild vom sauberen Wellness-Wohlfühl-Ambiente des Paradise-Bordells passen. Sie empfanden ihre ausweglose Lage als Hölle. Demütigungen und Gewalt waren an der Tagesordnung und wurden von den Betreibern billigend in Kauf genommen, sagen sie. In dem Verfahren müssen sich seit März vergangenen Jahres Jürgen Rudloff (65) als Besitzer mehrerer Bordelle unter anderem in Stuttgart, Frankfurt und Graz, sein Marketingmann Michael Beretin (52) sowie sein Steuerberater Herbert Ballasch (71) wegen Zwangsprostitution, Menschenhandels und Betrugs in Millionenhöhe verantworten.

Aus dem fürsorglichen Freund wird ein skrupelloser Zuhälter

Ermittlungen im Augsburger Rotlichtmilieu brachten eine heiße Spur nach Stuttgart zum 2008 in Leinfelden-Echterdingen eröffneten Großbordell Paradise. Nach einer Razzia im November 2014 fanden die Beamten Hinweise auf die Straftaten.

Vor Gericht wird die Masche der dort arbeitenden Zuhälter, allesamt Angehörige der Banden United Tribunes und Hells Angels, deutlich: Auf Singleportalen oder in Stuttgarter Diskotheken suchten sie Kontakt zu ihren Opfern. Dabei hatten sie offenbar ein untrügliches Gespür für Frauen in Schwierigkeiten, seien es Schulden, abgebrochene Ausbildungen oder familiäre Probleme. Mit teuren Geschenken und Nettigkeiten gaukelten sie Interesse an den teilweise unter 21-Jährigen vor.

Hatten die Frauen einmal angebissen, änderte sich das Verhalten ziemlich schnell: Aus der vermeintlichen Liebesbeziehung wurde ein knallhartes menschenverachtendes Geschäft. Die selbst ernannten Beschützer ließen keinen Zweifel daran, wie sie die Frauen sahen – als Einnahmequelle und Besitz. „Nahezu alle Frauen haben einen Zuhälter, sonst ist die Arbeit im Bordell nicht möglich“, gab eine Prostituierte zu Protokoll. Eine andere erklärte das Prozedere der United Tribunes: „Es war ein Muss, sich den Namen des ‚Freundes’ auf den Körper tätowieren zu lassen, die Stelle durfte man sich aussuchen. Damit war man abgestempelt.“ Die Männer redeten von Familie, wenn sie die Gemeinschaft der Tribunes meinten, tatsächlich schufen sie ein Klima der Angst. Dabei halfen so genannte Hausdamen im Bordell, die ständig ein Auge auf die Frauen warfen, Arbeitszeiten kontrollierten und Geld abkassierten. Die Prostituierten gaben bei der Polizei unumwunden zu, versucht zu haben, ihre „Freunde“ nicht zu verärgern und keinen Anlass für Schläge zu liefern. Ärger zu machen, das bedeutete zum Beispiel, wegen Fiebers und Grippe keine 16-Stunden-Schicht schieben zu können oder mit dem verdienten Geld eigene Schulden begleichen zu wollen.

Kein Wort des Bedauerns

Um ihre Macht zu demonstrieren, schlugen die Männer ihre Opfer dennoch mit Fäusten, Gürteln oder einem Duschkopf. Eine der Frauen berichtet sogar, wie sie von ihrem Zuhälter und weiteren Männern mit dem Auto auf ein Feld verschleppt und dort zusammengeschlagen wurde, damit man ihre Schreie nicht hört und sie ihren Peinigern nicht davonlaufen konnte. Am nächsten Tag arbeitete sie weiter – trotz schlimmer Verletzungen.

Während zwei der drei Verteidiger des Hauptangeklagten Rudloff während der laufenden Verhandlung zu einem anderen Termin davon eilen, verlesen die Richter weitere Berichte. Darin wird deutlich, wie die Frauen wochenweise von Bordell zu Bordell gereicht wurden, welche Dienstleistungen sie zu welchem Preis anbieten mussten. „Ich habe mich nie wohlgefühlt, vor allem alte Männer fand ich eklig“, erzählt eines der jüngsten Opfer bei seiner Vernehmung und gesteht, das schlechte Gefühl nicht selten mit Alkohol und Kokain weggedrückt zu haben.

Mancher Frau dämmerte, dass sie „nur verarscht und ausgenutzt wurde und ganz schön naiv war“. Andere stritten aus Furcht vor Repressalien schlichtweg alles ab, redeten davon, „wie besorgt der Freund war, kein Geld von ihr wollte und kein schlechter Mensch sei“. Körperliche Misshandlungen, die das Gericht an diesem Prozesstag in Augenschein nahm, erzählten eine andere Geschichte.

Dass auch die Betreiber des Paradise in den Frauen nichts anderes als ein lukratives Geschäft sahen, wurde am vorigen Prozesstag besonders deutlich, an dem die Angeklagten ihre Geständnisse abgaben. Ihnen kam bei ihren Einlassungen kein Wort des echten Bedauerns oder gar eine Entschuldigung über die Lippen.