Können Patienten die Kompetenzen eines Arztes beurteilen? Foto: Fotolia

Internet-Portale wollen Patienten helfen, einen guten Arzt zu finden. Wie seriös sind die Angebote?

Jeder vierte Internet-Nutzer hat sich schon einmal auf einem Online-Bewertungsportal über einen Arzt informiert. Wie hilfreich das ist, hängt von der Art des Portals ab und wie gut es kontrolliert wird.

Ingolstadt - „Beruf verfehlt! Patienten sind Störfaktor! Der Arzt hat nur seine Uhr im Blick!“ In fast allen Bewertungskategorien auf dem Online-Portal Jameda gibt der Patient seinem Hals-Nasen-Ohren-Arzt die Note 6.

„Das ist heftig“, sagt Elke Ruppert, Sprecherin bei Jameda, dem nach eigenen Angaben größten Arzt-Empfehlungs-Portal in Deutschland. „Differenzierte Urteile sind uns lieber. Wir raten unseren Nutzern, erst mal durchzuatmen, bevor sie eine Bewertung schreiben.“ Wichtig sei aber zu wissen, dass die Kommentare rein subjektive Meinungsäußerungen seien. Und das macht sie in den meisten Fällen unangreifbar. „Die Verfassung hält das Recht auf freie Meinungsäußerung sehr hoch“, sagt Jurist Mario Martini von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer.

Und so sind Portale wie Jameda, Imedo, Sanego oder Arzt-Auskunft, auf denen Patienten ihre Ärzte benoten können, inzwischen fest etabliert. Eine aktuelle Umfrage der Universität Erlangen-Nürnberg ergab, dass jeder vierte Internet-Nutzer schon einmal ein solches Portal zur Arztsuche genutzt hat. Mehr als die Hälfte davon gab an, bei der Arztwahl von den Bewertungen beeinflusst worden sein.

Portale mit ausführlichen Kommentaren sind besonders hilfreich

Inzwischen arbeiten auch Krankenkassen mit Portalen zusammen: Mehrere Versicherungen kooperieren mit der „arzt-auskunft.de“ der Stiftung Gesundheit. Und am Arztnavigator von www.weisse-liste.de, einem Projekt der Bertelsmann-Stiftung und weiterer Partner, sind große Kassen wie die AOK, Barmer GEK und Techniker Krankenkasse beteiligt.

Helfen die Portale aber auch dabei, einen guten Arzt zu finden? „Aus meiner Sicht ist das fraglich, weil jeder Patient etwas anderes unter einem guten Arzt versteht“, sagt Sabine Schwarz vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ). „Die Bewertungen können aber helfen, jemanden zu finden, der den Bedürfnissen eines Patienten entspricht.“ Zum Beispiel geben sie Aufschluss darüber, wie freundlich Arzt und Mitarbeiter sind oder wie lange man warten muss.

Wie kompetent ein Mediziner ist, können Laien dagegen kaum beurteilen. Die Bewertungen spiegeln nur die Patientenzufriedenheit wider, sagt Peter Müller, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheit. „Die beste Therapie ist nicht immer die komfortabelste. Zahnärzte berichten etwa, dass exakt gefertigte Kronen stramm sitzen. Anfangs drückt das, ein Patient ist deshalb nicht so zufrieden. Eine schludrige ‚Schlackerpassung’ dagegen drückt nicht, der Patient freut sich. Zunächst.“

Ob eine Kritik zu weit geht, ist rechtlich oft Auslegungssache

Besonders hilfreich für Patienten sind Portale, die neben einfachen Notenlisten mit Stichworten auch Freitexte erlauben, in denen die Bewertung begründet werden kann. „ Nur so erfährt man etwa, was hinter einer schlechten Note steckt“, sagt Sabine Schwarz. „Es besteht aber auch die Gefahr von Schmähkritik.“ Daher fordert das ÄZQ von den Betreibern, die Texte regelmäßig zu prüfen.

Auch das ÄZQ hat Arztbewertungsportale mehrfach auf Seriosität hin geprüft und seinerseits bewertet. „Auf Beleidigungen oder Diskriminierungen sind wir eigentlich nicht gestoßen“, sagt Schwarz. „Ausschließen kann man so etwas aber nicht.“

Zulässig sind Diffamierungen nicht, wie Jurist Mario Martini bestätigt. Allerdings ist es oft Auslegungssache, wann eine Kritik zu weit geht. Ein Kommentar wie „Beruf verfehlt“ auf einem privaten Portal kann für Martini im Einzelfall unter das Recht auf Meinungsfreiheit fallen, wenn die Äußerung einen sachbezogenen Anknüpfungspunkt hat. „Solange die persönliche Diffamierung nicht im Vordergrund steht, muss ein Arzt mit der Meinung Dritter grundsätzlich leben“, meint der Jurist.

Die meisten Bewertungen sind positiv

Wenn sich Ärzte einer ungerechten oder verfälschten Bewertung ausgesetzt sehen, können sie sich an die Betreiber des Portals wenden. „Wir gehen der Sache dann nach“, sagt Jameda-Sprecherin Ruppert. Außerdem können Ärzte, zumindest bei Jameda, ihrerseits Kommentare verfassen. Grundsätzlich müssten kritische Patienten aber zu Wort kommen dürfen, betont Ruppert: „Für eine aussagekräftige Bewertung, die wir für rechtskonform halten, riskieren wir auch einen Rechtsstreit. Es geht schließlich um unsere Glaubwürdigkeit.“

Die meisten Bewertungen sind jedoch keineswegs negativ. Die Studie der Universität Erlangen ergab, dass der Großteil der Praxen sogar mit „eins“ oder „zwei“ benotet wurde. „Sind die Patienten also alle zufrieden? Wohl kaum“, sagt Martin Emmert Leiter der Studie. „Möglicherweise weisen manche Ärzte ihre Patienten gezielt auf die Möglichkeit hin, im Internet Bewertungen abzugeben.“

Manche Ärzte benoten sich auch selbst

Auch Manipulationen sind möglich. So sagt Schwarz: „Wenn ein Portal keine Schutzmaßnahmen hat, ist es denkbar, dass sich Nutzer unter verschiedenen Mail-Adressen anmelden und einen Arzt mehrfach bewerten.“ Auffallen könnte das an einer identischen IP-Adresse des Computers. Es gab auch Fälle, in denen sich Ärzte großzügig selbst benotet haben sollen – der Anbieter „Check the doc“ legte wegen dieses Verdachts seinen Betrieb auf Eis.

Bislang ist es so, dass viele Nutzer sich zwar über Internetportale informieren, aber relativ selten Empfehlungen schreiben. Bei einer Untersuchung von Arztbewertungen auf jameda.de fanden Emmert und seine Kollegen von der Uni Erlangen-Nürnberg, dass nur 37 Prozent der Ärzte überhaupt bewertet worden waren. Die Hälfte dieser Ärzte hatte sehr wenige Bewertungen, was die Aussagekraft stark einschränkt.

Dennoch hält Martin Emmert Internetportale insgesamt für eine „sinnvolle, zusätzliche Informationsquelle: „Im ambulanten Bereich haben Patienten sonst keinerlei Möglichkeiten, Informationen einzuholen, die Rückschlüsse auf Qualität zulassen“, sagt er. „Aber man muss die Kommentare mit Vorsicht genießen.“