Der US-amerikanische Skirennläufer will im Abfahrtslauf in Sotschi die Goldmedaille gewinnen – aber nicht irgendwie.

Sotschi - Die Logik des Leistungssports ist für gewöhnlich eine recht simple. Es geht ums Gewinnen, um den Sieg – wie dieser zustande kommt, ist im Nachgang meist zweitrangig. Wenn man nicht Bode Miller heißt.

Wenn man aber Bode Miller heißt, dann hat bei all dem Streben nach Erfolg auch das Wie seine Berechtigung. Zu beobachten war das kürzlich ganz gut in Kitzbühel. Der 36-Jährige ist als Trainingsschnellster ins Rennen auf der Streif gegangen, wenig später leuchtete im Ziel die Eins auf. Bestzeit. Doch als Miller wenig später gefragt wurde, ob er glaube, dass seine Zeit zum Sieg reichen werde, sagte er zwar, dass er das hoffe. Er erklärte aber auch, dass es dieser Lauf eigentlich nicht verdient habe, zum Sieg-Lauf zu werden. Denn Miller hatte Fehler gemacht – die ihn am Ende auch tatsächlich den Sieg kosteten. In Sotschi, beim olympischen Abfahrtsrennen an diesem Sonntag (8 Uhr/ZDF), soll das nicht noch einmal passieren, Miller hat schließlich Ziele. In Ergebnis und Ausführung.

Die vom Schweizer Olympiasieger Bernhard Russi neu angelegte Strecke in Rosa Khutor scheint dem US-Amerikaner für beiderlei perfekt geeignet. Einen Olympiasieg hat der charismatische Rennläufer zwar bereits geholt – 2010 gewann er in der Kombination –, Gold in der Abfahrt hätte für Miller aber einen weitaus größeren Stellenwert. Und der Sieg ausgerechnet auf dieser Piste würde die Wertigkeit in seinen Augen noch erhöhen. Er sagt: „Es ist schön, auf einer Strecke um Medaillen zu kämpfen, die dich als Skirennläufer richtig fordert.“

Als er das sagt, sitzt Bode Miller auf einem Podium in Krasnaja Poljana. Seine Mütze hat er tief ins Gesicht gezogen, die Augenbrauen sind nicht zu sehen, irgendwie sieht er ein wenig düster und schlecht gelaunt aus. Was ja sogar verständlich wäre.

Im Leben des Skistars ist in den vergangenen Jahren schließlich einiges so ein bisschen aus den Fugen geraten. Eine kurze Beziehung mit einer gewissen Sara McKenna hatte deren Schwangerschaft zur Folge. So richtig viel zu tun haben wollte er nach der Trennung von der Frau mit dem noch ungeborenen Kind zunächst nicht – was seine Ex-Freundin öffentlich machte. Noch bevor der Junge auf die Welt kam, heiratete Miller die Beachvolleyballerin Morgan Beck, auch sie wurde schwanger, erlitt aber eine Fehlgeburt. Kurz danach bekam McKenna das gemeinsame Kind, das seitdem Bestandteil von juristischen Streitereien ist.

Erst setzte Miller gerichtlich einen weiteren Vornamen für den Jungen durch, dann entbrannte ein Streit ums Sorgerecht. Der dauert an, der kleine Nate (die Mutter nennt ihn Sam) war dennoch bereits öffentlich zu bestaunen. Immer wieder brachte Miller nicht nur seine Frau, sondern auch den Sohn mit zu den Rennen dieses Winters. Die er – zum Glück – wieder bestreiten konnte.

Denn seine verletzungsbedingte Zwangspause war die andere Sache, die Miller belastete. Doch seit Saisonbeginn ist er zurück – 13 Kilogramm leichter als zuvor, so fit wie lange nicht und mit dem gewohnten Schuss Genialität und Risikobereitschaft in seiner Fahrweise. Und so ist da nichts mehr von schlechter Laune oder Finsternis, wenn er über das Sprechen kann, was er am besten kann. „Ich fühle mich gut, meine Fitness ist viel besser als 2010, mein Selbstvertrauen groß“, verkündete er am Donnerstag – und machte noch mal klar, dass er seine Sammlung von bislang fünf olympischen Medaillen an diesem Sonntag (8 Uhr/ZDF) gern erweitern würde. Ein weiterer Beleg für die Angriffslust von Miller, der behauptet, seine Art Skizufahren sei Ausdruck seiner Persönlichkeit, war das erste Abfahrtstraining.

Miller war der Schnellste, auch mit seiner Performance war er zufrieden, einen Haken an der Sache fand er dennoch. „Unglücklicherweise“, sagte er, „vergeben sie keine Medaillen für Trainingsläufe.“