Frank Wittendorfer kehrt nicht ins Oberriexinger Rathaus zurück. Foto: privat

Im 3300-Einwohner-Städtchen Oberriexingen (Landkreis Ludwigsburg) wird im Juni ein neuer Bürgermeister gewählt. Der bisherige Schultes, Frank Wittendorfer, ist nach einer Covid-Impfung dienstunfähig. Das hat das Gesundheitsamt nun bestätigt.

In der kleinsten Stadt des Landkreises geht eine Zeit der Provisorien und Unsicherheiten zu Ende. Zum 1. April wird Frank Wittendorfer, Bürgermeister der Stadt Oberriexingen, von Landrat Dietmar Allgaier in den Vorruhestand versetzt. Der erst 41 Jahre alte Wittendorfer hatte bis zuletzt für eine Rückkehr in sein Amt gekämpft, das er seit 2017 inne hat. Seit November 2021 hat er mit den Folgen seiner Covid-19-Auffrischungsimpfung (Post-Vac-Syndrom) zu kämpfen. Zunächst war er von Long-Covid ausgegangen worden. Der Krankheitsverlauf ist so dramatisch, dass er seit Juli 2022 dauerhaft krank ist. Derzeit ist nicht absehbar, wann die vollständige Genesung eintreten wird, teilt die Stadt mit. Wittendorfer hatte während der Pandemie mit einem Impfzentrum selbst für eine gute Versorgung in der Stadt gesorgt.

Seit Juli 2022 hat der ehrenamtliche Bürgermeister Erich Bannert die Geschäfte der Römerstadt geleitet. Seit Mai 2023 unterstützt Gerd Maisch die Stadtverwaltung. Er wurde vom Gemeinderat zum Stellvertreter Wittendorfers bestellt. Maisch bringt über 28 Jahre Erfahrung als Bürgermeister von Tamm und Oberbürgermeister von Vaihingen/Enz mit und wird wohl bis zur Wahl des neuen Bürgermeisters bleiben. „Meine Bestellung geht bis 30. April. Wir wollen die Verlängerung im April im Gemeinderat einbringen“, sagt Maisch.

Aus dem Leben gerissen

Im Rathaus herrsche eine gemischte Stimmung. Einerseits, so Maisch, wünsche man Wittendorfer eine rasche Genesung und eine Rückkehr in das Amt. Andererseits sei es nun gut, dass mit der Versetzung in den Vorruhestand Klarheit geschaffen wurde und die Hängepartie zu Ende gehe. Ihm selbst sei ein ähnlicher Fall in den vergangenen 30 Jahren im Landkreis nicht bekannt, sagt Maisch. Es komme immer wieder vor, dass Bürgermeister aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht die volle Amtszeit ableisten. „Das sind aber in der Regel schon deutlich ältere Kollegen gewesen“, sagt Maisch.

Wittendorfer selbst spricht in einer schriftlichen Erklärung von der „schwierigsten Phase“ in seinem Leben. „Ich wäre gerne weiterhin Bürgermeister der Stadt Oberriexingen geblieben“, schreibt er. Durch seine Erkrankung wurden seine beruflichen und privaten Lebenspläne durchkreuzt und „so wurde ich aus dem kompletten gesellschaftlichen Leben, dem Berufsleben und aus dem Familienleben herausgerissen. Dies alles ist für meine Familie und mich unfassbar.“

Wiedereingliederung schlug fehl

Im November 2023 habe Wittendorfer Landrat Allgaier, seinen ehrenamtlichen Stellvertretern und dem Gemeinderat angeboten, seine Dienstfähigkeit amtsärztlich untersuchen zu lassen. „Inzwischen liegt das amtsärztliche Gutachten des Gesundheitsamts des Landratsamts Ludwigsburg vor und wurde vom Amtsarzt meine dauerhafte Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen festgestellt“, schreibt Wittendorfer weiter. Er wolle den Weg frei machen für Kontinuität an der Verwaltungsspitze, bleibe Oberriexingen aber verbunden.

Persönlich will Wittendorfer gemeinsam mit den Ärzten an der „vollständigen Wiederherstellung“ seiner Gesundheit arbeiten und sich Stück für Stück ins Leben zurückkämpfen. Maisch erklärt, dass alle Beteiligten behutsam mit dem Thema umgegangen seien und man nicht auf eine Entscheidung gedrängt habe. „Die Erkrankung nach einer Corona-Impfung ist für alle etwas ganz Neues“, sagt Maisch. Eine Prognose falle schwer, generell sei der Krankheitsverlauf ein Auf und Ab. So hatte Wittendorfer im Juni 2022 sogar eine Wiedereingliederung versucht. Diese musste er aber im darauffolgenden Juli schon wieder abbrechen.

Zum weiteren Verfahren nun schlägt die Stadtverwaltung vor, für den 30. Juni die Bürgermeisterwahl anzusetzen. „Das hat mehrere Gründe. Zum einen muss drei Monate nach dem Ausscheiden eines Bürgermeisters ein Nachfolger gewählt werden“, sagt Maisch. Diese Frist wolle man voll ausschöpfen, um den Bewerbern Zeit für den Wahlkampf zu geben und um sich in der Stadt vorzustellen. Zum anderen aber haben man auch an die Pfingstferien (21. bis 31. Mai) gedacht. Bei einem früheren Termin der Wahl wären Kandidatenvorstellungen unter Umständen in die Ferienzeit gefallen. Maisch selbst wird sich in Oberriexingen nicht zur Wahl stellen, wie er sagt.

Eine Rückkehr Wittendorfers auf den Chefsessel in einem Rathaus ist laut Maisch im Übrigen nicht ausgeschlossen. Es werde dann eine erneute amtsärztliche Untersuchung fällig, aber möglich sei dies. Nun erhält Wittendorfer zunächst eine Pension wegen Dienstunfähigkeit, deren Höhe vom Kommunalen Versorgungsverband festgesetzt wird, heißt es vom Landratsamt.

Was ist ein Post-Vac-Syndrom?

Definition
 Der Begriff „Post-Vac“ stellt laut Bundesgesundheitsamt keine medizinisch definierte Bezeichnung einer Erkrankung dar. Unter dem Begriff werden nach den vorliegenden Erkenntnissen verschiedene länger andauernde Beschwerden nach Covid-19-Impfung beschrieben, wie sie auch mit Long-/Post-Covid in Verbindung gebracht werden – zum Beispiel das chronische Erschöpfungssyndrom.

Meldungen
 Das Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, erhielt im Rahmen der Überwachung der Arzneimittelsicherheit seit Beginn der Covid-19-Impfkampagne im Dezember 2020 bis zum letzten Auswertungszeitpunkt im Mai 2023 insgesamt 1547 Meldungen über Post-Vac- Nebenwirkungen.