Derzeit nur noch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vertreten ist die NPD, über deren Verbot nun in Karlsruhe Foto: dpa-Zentralbild

Mit einem Verbot der NPD wäre im Kampf gegen die Popularisierung rechtsradikalen Gedankengutes noch nicht viel gewonnen, meint unser Kommentator.

Berlin - Heute beginnt die mündliche Verhandlung im Verbotsverfahren gegen die NPD. Die Vertreter der Bundesländer geben sich zuversichtlich, dass der zweite Anlauf zum Verbot der Partei diesmal glückt. Hoffentlich behalten sie Recht, denn die Aussicht auf ein neuerliches Triumphgeschrei der rechtsextremen Parolendrescher ist genau so bedrückend wie die Tatsache, dass im Falle einer Niederlage die Finanzierung der Rechtsextremisten durch Steuergelder weiterginge.

Nur ist das alles im Grund ein ganz kleines Nebenthema, wenn es um die Popularisierung rechtsradikalen Gedankengutes geht. Die NPD mag eine abstoßende Partei sein. Eine Gefahr für das demokratische Gemeinwesen ist die inzwischen heillos desolate Organisation gewiss nicht. Deshalb ist die Erwartung auch maßlos übertrieben, mit einem Verbot sei ein entscheidender Schlag gegen das Anwachsen rechtsradikaler Gesinnungen erreicht. Da nämlich wäre über ganz Anderes zu reden.

Weit, weit über die engen Grenzen des parteipolitisch organisierten Rechtsradikalismus hinaus verfangen inzwischen Hetzparolen, die sich gegen Zuwanderer, Muslime und Fremde richten. Darüber ist zu reden. Wie kann es kommen, dass radikale Hetzer oder gar Gewalttäter auch nur ansatzweise das Gefühl haben können, in irgendeiner Art von nationalem Notstand zu handeln oder sich gar als Vollstrecker eines nebulösen Bürgerwillens empfinden?

Es ist auf die Sprache zu achten

Ja, warum denn? Weil in der Art unserer öffentlichen Debatte zwei Dinge geschehen sind: Die Grenzen von erlaubt und intolerabel sind verwischt worden. Und die Sprache der Politik bildet die Wirklichkeit nicht ab. Zum Thema Tabubruch nur zwei Erinnerungen: Es ist erlaubt, sogar dringend notwendig, Missstände beim Namen zu nennen. Dazu gehört etwa auch ein glasklares Benennen von Nationalitäten, wenn es im Rahmen eines kriminellen Geschehens von Belang ist. Es ist aber verboten, ganze Nationalitäten als verbrecherisch oder kriminalitätsgeneigt zu verunglimpfen. Es ist erlaubt, ja geboten, darüber zu reden, dass Muslime in Deutschland keinen eigenen Rechtsraum konstituieren. Es ist aber unakzeptabel, eine ganze Religion als menschenverachtend darzustellen und Menschen, die aus dem arabischen Raum zu uns kommen, per se als fundamentalistische Vertreter eines mittelalterlichen Islam zu verorten. Menschen sind Individuen und keine Vertreter von Weltanschauungen. Wer Menschen nicht als Personen behandelt, sondern sie nur als Gruppe klassifiziert und wahrnimmt, der folgt dem Muster des Rassismus.

Es ist eben auf die Sprache zu achten. Auch hier zwei Beispiele: Bayern ist sowohl in seinen Integrationsbemühungen als auch in den organisatorischen Anstrengungen zur Bewältigung des Flüchtlingskrise vorbildlich. Die Behörden gehen geordnet, bedacht und sorgsam um. Dennoch malt die CSU realitätswidrig am Bild des angeblichen Chaos, des Landes am Abgrund, des nationalen Notstands. Oder: Seit den nicht zu verharmlosenden Geschehnissen in der Kölner Silvesternacht ist die angeblich überbordende Gewaltbedrohung durch Zuwanderer ein prägendes Thema unserer öffentlichen Debatte. Das steht in keinem Verhältnis zu den 76 (!) Brandanschlägen auf Asylbewerberheime im vergangenen Jahr, zu dem insgesamt 924 (!) Straftaten gegen Flüchtlingsheime in 2015.

Auch in der Sprache abzurüsten, zu differenzieren, hinzuhören, Probleme anzuerkennen, aber keine pauschalen Dämonisierungen vorzunehmen, gelassen aber genau zu reden – das wäre das Gebot der Stunde. Ungefähr das Gegenteil von dem, was Erika Steinbach vorexerziert.

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