Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis soll künftig straffrei sein – das wirkt sich auch auf bisherige Strafverfahren aus. Foto: picture alliance/dpa/Hannes P Albert

Das umstrittene neue Gesetz der Bundesregierung zur Legalisierung zwingt Staatsanwaltschaften und Gerichte, allein in Baden-Württemberg 19 000 Strafverfahren neu aufzurollen. Der Aufwand ist gewaltig.

Zum 1. April könnte das umstrittene Cannabis-Gesetz der Ampelkoalition in Kraft treten. Es sieht unter anderem vor, dass der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für Erwachsene nicht mehr strafbar ist. Diese Regelung wird enorme Auswirkungen auf die Justiz haben. Denn weil das Gesetz rückwirkend gilt, müssen alle laufenden Verfahren und noch nicht vollständig vollstreckten Strafen, die sich auf diese Grenze beziehen, neu aufgerollt werden. Das bringt die ohnehin überlasteten Gerichte und Staatsanwaltschaften an ihre Grenzen.

Bundesweit dürfte eine sechsstellige Zahl an Verfahren betroffen sein, in Baden-Württemberg fast 19 000. Das Justizministerium bestätigte einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung. „Auf die schlechte Idee der Legalisierung von Cannabis folgt eine noch schlechtere Umsetzung. Der aktuelle Gesetzesentwurf führt zu einer extremen Mehrbelastung der Justiz“, sagte Justizministerin Marion Gentges (CDU). Die 19 000 Verfahren müssten nun händisch darauf geprüft werden, ob die Vollstreckung von dem rückwirkenden Straferlass betroffen sein könnte oder nicht. „Welche Dimension es schlussendlich annimmt, ist noch nicht abzuschätzen. All das könnte noch getoppt werden mit einer utopischen Frist von maximal vier Werktagen zur Umsetzung des Gesetzes“, kritisiert Gentges. Hier zeige sich wieder einmal, wie der Bund das eigentliche Ziel vollkommen verfehle und der Justiz einen Bärendienst erweise.

Es dürften kaum Straftäter auf freien Fuß kommen

„Wir schauen uns im Vorgriff die entsprechenden Verfahren bereits jetzt an, so gut es geht“, sagte ein Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft unserer Zeitung. Allein in der Landeshauptstadt gehe es um 4000 Fälle, darunter fallen sowohl Haft- als auch Geldstrafen, die noch nicht vollständig vollstreckt sind. „Wir müssen alle überprüfen und im Zweifel die Vollstreckung einstellen“, so der Sprecher. Das bedeute viel Arbeit: „Die Uhr tickt“.

Dass dadurch massenhaft Inhaftierte auf freien Fuß kommen, glaubt der Sprecher indes nicht: „Bei Leuten, die im Gefängnis sitzen, geht es meist nicht nur um den Besitz der fraglichen Menge Cannabis, sondern um mehr.“ Weil aber häufig Gesamtstrafen aus mehreren Delikten gebildet werden, dürfte die Überprüfung kompliziert werden.