Soft Jocks wollen wie Superman sein: stahlharter Blick und dicke Muckis, sensibler Kern und herzensgutes Gemüt. Foto: Imago/Pond5 Images

In diesem Jahr sind Mucki-Männer angesagt, die sich sensibel zeigen – wie Calvin-Klein-Model Jeremy Allen White, Emilio Sakraya oder Taylor Swifts bärtigen Lover Travis Kelce. Toxische Männlichkeit ist damit aber noch lange nicht passé.

Stimmen die „Männer“-Klischees auch Jahrzehnte nach Erscheinen des legendären Herbert-Grönemeyer-Songs „Wann ist ein Mann ein Mann?“ noch? In diesem jahr wird der Mega-Hit „Männer“ 40 Jahre alt. Als hätte der Deutsch-Pop-Barde 1984 schon geahnt, was 2024 debattiert wird, dichtete er damals: „Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht – außen hart und innen ganz weich.“

Das ist auch der Kern der These über eine aktuell schwer angesagte Art von Kerlen namens Soft Jock – weiche Muskeltypen. Gemeint sind imposante Männer, die einfühlsam sind, aber nicht bedrohlich.

Das sind die Soft Jock Vorzeige-Kerle

Travis Kelce Foto: Ashley Landis/AP/dpa
Jeremy Allen White Foto: Imago//Starface
Paul Mescal Foto: Imago/Famous
Jacob Elordi Foto: Imago/Avalon ed.

In den Medien haftet dieses Soft-Jock-Etikett gerade mehreren medial bekannten Männern an. Die „Soft Jock“-Vorzeige-Kerle 2024 sind American-Football-Star und Taylor-Swift-Freund Travis Kelce (34), Schauspieler und Clavin-Klein-Model Jeremy Allen White (33), der irische Schauspieler Paul Mescal (28) und sein australischer Kollege Jacob Elordi (26) .

Was ist ein Jock?

Jock-Typen entsprechen einem wenig schmeichelhaftem Klischee. Der Begriff leitet sich von der Sportlerunterwäsche Jockstrap ab. Ein Jock ist ein junger, sportlich aktiver und sexuell attraktiver Mann, der nicht besonders viel in der Birne hat. Imposante Typen mit breitem Kreuz und dickem Bizeps. Charakterlich sind Jocks oft verdorben, weil sie – von Frauen und Männern – begehrt und umschwärmt sind und sich im sozialen Gefüge kaum anstrengen müssen.

Was ist ein Soft Jock?

Kit Connor Foto: Imago/Abacapress
Emilio Sakraya Moutaoukkil Foto: Imago/Panama Pictures

Soft Jocks sind ebenfalls imposante Männer, die aber einfühlsam sind und nicht bedrohlich wirken. „Soft Jocks mögen einen maskulinen Körperbau haben, aber ihr Inneres ist weitaus weniger toxisch“, fasst die britische Tageszeitung „Guardian“ den neuen Typus Mann zusammen.

Auch wenn er erst 19 ist und die Aura eines Golden Retrievers verströmt, könnte man noch den Schauspieler Kit Connor dazu zählen. Der junge Brite schien sich zuletzt einen Bodybuilder-Körper anzutrainieren. In Deutschland passt der 27 Jahre alte Musiker und Schauspieler Emilio Sakraya Moutaoukkil (27) in die Schublade.

Dicke Oberschenkel und sensibles Gemüt

Timothée Chalamet Foto: Imago/Sopa Images

Das Online-Frauenmagazin „Bustle“ schreibt in Bezug auf Schauspieler Paul Mescal, dass er „seine massigen Oberschenkel mit einer tiefen Wertschätzung für traurige Mädchenmusik verbindet“.

Der „Guardian“ fügt hinzu, dass es natürlich einfacher sei, seine weibliche Seite zur Schau zu stellen, wenn man jeden plattmachen könne, der etwas dagegen habe. Bis vor nicht allzu langer Zeit sahen Männer, denen man ein sensibles Image zuschrieb, noch gaz anders aus - so wie der amerikanisch-französische Filmstar Timothée Chalamet („Dune“).

Was ist Männlichkeit?

Dad Bob vs Sixpack  Foto: Imago/Pond5 Images

Die Definition, was Virilität (lateinisch „virilis“, männlich) ist, hat sich historisch und kulturell stark gewandelt. Gemeint ist zuvorderst die männlich-erotische Ausstrahlung und Zeugungsfähigkeit.

Wer mannhaft ist und seinen Mann steht, galt/gilt traditionell als tapfer und potent. Als Sinnbild von Männlichkeit assoziiert/e man bestimmte physische Attribute wie etwa Körpergröße, Muskulatur, tiefe Stimme, breite Schultern, markante Gesichtszüge und Brustbehaarung.

Auch Charaktereigenschaften wie Mut, Risikobereitschaft, Abenteuerlust und Aggression zeichnen/zeichneten Männer aus, wobei diese sich soziokulturell oft stark unterscheiden.

Wie halten es moderne Männer mit ihrem Mannsein?

Jock allein genügt nicht, es muss auch soft sein. Foto: Imago/Pond5 Images

Der harte und starke Mann, der Frau sagt, wo’s langgeht – das war einmal. Der moderne Mann ist einfühlsam und sensibel. Er ist offen für weibliche Selbstverwirklichung, verständnisvoll und gesundheitsbewusst. Auch vergräbt er seine Gefühle nicht in den Hinterhöfen seiner Seele, sondern spricht offen mit ihr und anderen darüber.

Jock allein genügt nicht, es muss eben auch soft sein. Denn die weibliche Erwartungshaltung ist heute sehr viel höher als sie früher einmal war. Moderne Frauen wollen offenbar alles zugleich: den sensiblen Frauenversteher und zarten Streichler, den Testosteron-Helden und den stürmischen, nach Moschus riechenden Liebhaber. Viele Männer sind mit dieser multifunktionalen Rollenverteilung überfordert.

Was ist dran am Testosteron-Mythos?

Hybride Männlichkeit: harter Kerl mit weichem Kern. Foto: Imago/Pond5 Images

Der Männlichkeitsforscher Toni Tholen von der Universität Hildesheim erklärt, Männlichkeit stehe heute in vielfältiger Hinsicht zur Verhandlung: sozial, individuell und partnerschaftlich. „Gesellschaftlich und kulturell betrachtet artikuliert sich auch im Phänomen Soft Jocks das, was in der Männlichkeitsforschung als ‚hybride Männlichkeit’ bezeichnet wird.“

Gemeint sei damit, so Tholen, dass in die männliche Identitätsperformance auch „weiblich konnotierte Aspekte wie Emotionalität, Weichheit und Offenheit, auch Sensibilität und Verletzlichkeit selektiv integriert werden“.

Männer zwischen Superman-Image und Sensibilität

Soft Jock: Der Superman-Dress sitzt wie eine zweite Haut. Foto: Imago/United Archives

Dadurch ändere sich aber nichts an der strukturellen Dominanz von Männlichkeit, erläutert Toni Tholen. Die soziokulturelle Privilegierung von Männern werde womöglich sogar nur verschleiert. Oft lösten sich auch angeblich weiche Männer nicht wirklich von traditionellen, „bisweilen toxisch wirkenden Zuschreibungen wie Stärke, Leistungsoptimierung, Durchsetzungsmentalität und Superman-Image“.

Der Forscher betont, dass das Phänomen auch ein Indiz für den gegenwärtigen Zwiespalt „im westlichen Diskurs über Männlichkeit“ sein könne. Die einen wollten unbedingt an der Vorstellung einer traditionellen, starken und überlegenen Männlichkeit festhalten beziehungsweise dahin zurückkehren.

Die anderen wollten eine alternative Männlichkeit, die ohne Dominanzstreben und Muskelpakete auskommt. Thole: „Eine Männlichkeit, die offen, zugewandt, fürsorglich und sensibel ist. Dieser Zwiespalt wird oft auch direkt in einzelnen Männern und auch in Frauen ausagiert.“