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Mit Franziskus wird sich auch zeigen, welchen Weg die Katholische Kirche einschlägt – die Probleme sind mannigfaltig. Ein Überblick.

Rom - Mit Franziskus wird sich auch zeigen, welchen Weg die Katholische Kirche einschlägt – die Probleme sind mannigfaltig. Ein Überblick.

1. Reform der Römischen Kurie

Eine Forderung haben progressive und konservative Katholiken weltweit gemeinsam: die Reform der Kurie, des kirchlichen Regierungsapparats im Vatikan. Die Kurie ist durch Skandale (Vatileaks) und Amtsmissbrauch in Verruf geraten. Der im Safe der Papstwohnung liegende Vatileaks-Bericht, der dem neuen Pontifex ausgehändigt werden soll, beinhaltet nach Angaben von Vatikan-Experten zahlreiche Korruptionsfälle innerhalb der Kurie.

Viele Kardinäle, darunter vor allem die elf US-Amerikaner, aber auch Europäer – etwa des deutschen Episkopats wie Walter Kasper und auch der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn – fordern vehement Veränderungen. Kasper sprach sich bereits im Vorfeld des Konklaves ganz offen für „mehr Kollegialität im Sinn des 2. Vatikanischen Konzils“ aus. Die italienischen Kardinäle sehen dagegen weniger Diskussionsbedarf. Von Johannes Paul II. vernachlässigt, wurde die Kirchenverwaltung unter Benedikt XVI. zum eigentlichen Machtzentrum des Vatikans. Mit dem Italiener Tarcisio Bertone als Kardinalstaatssekretär geriet die Kurie in die internationalen Schlagzeilen. Gewisse Machenschaften ihrer Würdenträger wurden durch Dokumente bekannt, die aus dem Vatikan geschmuggelt wurden und in italienische Medien gelangten. Vatileaks war geboren. In diesem Fall wurde der Kammerdiener des Papstes verhaftet. Allerdings gibt es, so gut informierte Kreise aus dem Kirchenstaat, anscheinend noch andere Personen im Umfeld der Kirchenverwaltung, die bereit sind, geheime Unterlagen an Journalisten weiterzuleiten. 

2. Die Aufarbeitung der unzähligen Missbrauchsfälle

Rasch wird der neue Papst auch ein Zeichen setzen müssen, dass die Fälle sexuellen Missbrauchs in kirchlichen Einrichtungen konsequent und entschlossen aufgearbeitet werden.

Vielerorts ist dies bereits der Fall. Die Kirche bezahlte Millionensummen an Entschädigungen, Anwälte durchforsteten Akten der Kirche, Präventionsprogramme werden entwickelt. Doch der Schaden ist kaum wieder gut zu machen – vor allem für die Opfer, aber auch für die Kirche. Bereits mit einem neuen Geist der Offenheit wäre viel gewonnen.

3. Was ist mit dem Zölibat?

Nicht wenige Gläubige und Geistliche fordern ein Ende der Zölibatsvorschrift. Wäre eine Kirche denkbar, in der die Geistlichen frei wählen können? Ehelosigkeit oder nicht? Ein heikles Thema für den neuen Papst. Vielleicht so heikel, dass er es gleich ad acta legen wird.

4. Gläubige gewinnen

Auf der Papst-Agenda wird auch das Thema Pius-Bruderschaft stehen müssen. Das fordern Repräsentanten des deutschen und österreichischen Episkopats. Sie wollen endlich Klarheit darüber haben, wie sich ihre Kirche diesen erzkonservativen Abtrünnigen gegenüber verhält.

Benedikt XVI. und seine Kardinäle, die eine Annäherung suchten, scheiterten an deren Kompromisslosigkeit. Franziskus wird hier eine Entscheidung treffen müssen. Im Januar 2014 jährt sich zum 50. Mal das historische Treffen zwischen Paul VI. und Athenagoras, dem orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Einheit der Christen war getan.

Unter Benedikt XVI. geriet diese Einheit aus dem Blickfeld der Kirche. Der neue Papst wird auch hier eine Richtung vorgeben müssen. Entweder in Richtung mehr Einheit oder weniger. Umfragen im katholischen Kirchenvolk zeigen, dass sich eine Mehrheit der Gläubigen für mehr Einheit unter allen Christen ausspricht.

Der neue Petrus-Nachfolger muss sich auch dem Problem einer neuen Evangelisierung stellen. Will er mehr Gläubige gewinnen? Sollen die Kirchen wieder voller werden? Muss man dann nicht die Kirche auch für Geschiedene und für Homosexuelle öffnen? In vielen Ortskirchen herrscht Frust. Kirchengemeinden schrumpfen, die Mitglieder sind müde geworden, Laien fühlen sich nicht ernst genommen. Kritiker fordern auch, die Rolle der Frau zu stärken. Frauen sollen zu Priesterinnen geweiht werden dürfen. Wenn alles so bleibt, wie es ist, verliert die Kirche die gläubigen Frauen der modernen Gesellschaft, heißt es.

5. Öffnung nach Osten

Der neue Papst wird seine Kirche nach Osten hin öffnen müssen. In Richtung jener Länder, in denen es immer mehr Katholiken gibt, aber auch immer mehr Katholiken, die von den Anhängern anderer Glaubensrichtungen verfolgt werden.

Die katholischen Realitäten in Indien,
Vietnam, Korea und China, so fordern viele Kardinäle vor allem aus Asien und den USA, sollten ein vorrangiges Interesse des neuen Papstes finden. Gefordert wird auch mehr Einsatz für Katholiken in China, wo das Regime in Peking immer noch Katholiken ausgrenzt und eine eigene
katholische Staatskirche geschaffen hat.

6. Die Beziehung zum Islam 

Auch die Beziehung zum Islam wird auf der Agenda stehen müssen. Eine Forderung, die vor allem von afrikanischen, US-amerikanischen, asiatischen und Kardinälen aus dem Nahen Osten vorgetragen wird. Sie sprechen sich dafür aus, dass die Kirche den Kontakt zu den wichtigsten Repräsentanten des sogenannten moderaten Islam suchen müsse.

In einem Europa, in dem immer mehr Moslems leben, sei „eine klare Position seitens der Kirche zum Islam unerlässlich“, sagt Kardinal Walter Kasper. Nicht Ausgrenzung sei in diesem Punkt angesagt sondern „Annäherung im Glauben“.

7. Eine Frage der Ökumene 

Der neue Papst muss versuchen, die christlichen Kirchen einander anzunähern. Sein Titel „Pontifex“ bedeutet „Brückenbauer“. Franziskus wird neue Brücken errichten müssen, um die Spaltung der Christen zu überwinden.

Benedikt XVI. hatte bei evangelischen Christen immer wieder Irritationen hervorgerufen – etwa, als er den protestantischen Kirchen 2007 absprach, „im eigentlichen Sinn“ Kirchen zu sein. Er schien mehr an der Aussöhnung mit der erzkonservativen Piusbruderschaft interessiert zu sein als an einem Ausgleich mit den evangelischen Christen.

Verschiedene theologische Streitfragen trennen Katholiken von Protestanten – jeder hat ein eigenes Verständnis der Eucharistiefeier. Katholiken ist das gemeinsame Abendmahl mit Protestanten daher verboten. Viele Gläubigen sehen jedoch die Gemeinsamkeiten, weniger das Trennende.

Es ist dies aber eine Weltkirche der fünf Kontinente, und sie wächst auf der südlichen Halbkugel, während sie in der Alten Welt schrumpft. Drogenhandel, Gewalt, Korruption und Armut etwa sind heiße Eisen in Lateinamerika, die der neue Papst zum Weltjugendtag im Juli in Rio de Janeiro gleich anpacken muss und wird.