Stabwechsel beim Spitzenverband der Wirtschaft: BDI-Präsident Ulrich Grillo (links) übergibt im nächsten Jahr das Amt an Dieter Kempf. Foto: dpa

Der BDI-Präsident Ulrich Grillo gilt als einer der erfolgreichsten Präsidenten der Wirtschaftsverbände. Er selbst hätte gern weitergemacht, doch er muss sich um sein Unternehmen kümmern.

Berlin - „Ja, das Amt macht Spaß“, sagt Ulrich Grillo, der überraschend zum Jahresende als Präsident des Industrieverbands BDIabtritt. Bis dahin wolle er mit unvermindertem Engagement das Amt ausüben. Auf keinen Fall werde es eine Periode mit einer „lame duck“ (lahmen Ente) geben, meint Grillo. So werden die Interimszeiten genannt, wenn der alte Chef noch da ist und der neue noch nicht in Amt und Würden. Der scheidende BDI-Chef will bis zum letzten Tag aktiv sein. Grillo, zu dessen Markenzeichen Einstecktuch und Siegelring gehören, kommt aus dem Ruhrgebiet und liebt eine klare Sprache. Warum der 56-Jährige nach vierjähriger Amtszeit beim BDI aufhören wird, begründet Grillo so: „Es ist ein guter Brauch, das Amt nach vier Jahren an den Nachfolger zu übergeben.“ Doch die offizielle Version ist nur die halbe Wahrheit. Es gibt keine Regel, dass ein erfolgreicher Präsident nach zwei Amtszeiten den Stab übergeben muss. Tatsächlich bereitet Grillo das Schaulaufen auf Berliner Bühne Freude und er hätte gern weitergemacht. Auch der BDI ist mit dem hochgewachsenen Präsidenten äußerst zufrieden. Anders als seine Vorgänger scheut Grillo keine Talkshows im Fernsehen. Er ist derjenige Präsident in den Spitzenverbänden der Wirtschaft, der in der Öffentlichkeit am bekanntesten ist. Dass er aufhört, verblüfft Unternehmer und Verbandsmanager.

Grund für Rückzug liegt im Unternehmen

Nach Informationen dieser Zeitung liegen die Gründe dafür im eigenen Unternehmen. Die Grillo-Werke in Duisburg sind mit ihrer mehr als 175-jährigen Tradition nicht nur im Ruhrpott ein Begriff. Das Familienunternehmen, das Zink und Kupfer verarbeitet, wird bereits in der fünften Generation geführt. Grillo ist Vorstandsvorsitzender und nebenbei BDI-Präsident. Dem Vernehmen nach sollen die Gesellschafter des Familienunternehmens wenig begeistert gewesen sein, dass Grillo Zeit für das Unternehmen fehlte, weil er mit Regierungsmitgliedern durch die Welt reiste oder in Berlin Gespräche führte. Seine Cousine, die Aufsichtsratsvorsitzende Gabriela Grillo, gilt als die starke Frau im Unternehmen. Sie hat früh klar gemacht, dass das eigene Unternehmen Vorrang haben muss. Zurzeit wird offenbar ausführlich über die Aufstellung der Unternehmensgruppe diskutiert.

Der BDI musste sich aus diesem Grund nach einem Nachfolger umsehen. Im Herbst vergangenen Jahres sollen die Gespräche begonnen haben. „Ich bin stolz, dass wir die Gespräche vertraulich halten konnten“, sagt Grillo. Traditionell rekrutieren die Wirtschaftsverbände ihre Präsidentenkandidaten aus der Reihe der Vizepräsidenten. Aus dieser Riege kommt der IT-Manager Dieter Kempf (63), der 20 Jahre lang Vorstandsvorsitzender des Softwareunternehmens Datev in Nürnberg war, ein Unternehmen mit 7000 Beschäftigten und 880 Millionen Euro Umsatz. Die Software von Datev wird beispielsweise in Buchhaltungen von Betrieben und Steuerberatern eingesetzt. Einer breiten Öffentlichkeit muss sich Kempf erst noch bekannt machen. Immerhin kennt er die Lobbyarbeit. Kempf war von 2011 bi s 2015 Präsident des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom). Dieser Branchenverband ist wiederum Mitglied im BDI. Grillo sagt über seinen Nachfolger, er sei „der richtige Mann am richtigen Ort“. Die Themen Digitalisierung und der Umgang mit sensiblen Daten seien für die deutsche Industrie von allergrößter Bedeutung.

Digitalisierung als Schlüsselthema

Kempf sieht die Digitalisierung der Industrie als den Schlüssel für die Zukunft an. Seine Erfahrungen als IT-Manager sieht Kempf im neuen Job als Vorteil. Als Datev-Chef hörte er im März auf. In seiner Lebensplanung war vorgesehen, trotz des vorläufigen Ruhestands nicht ganz mit dem Arbeiten aufzuhören. Dennoch sei er zuerst sprachlos gewesen, als ihn Grillos Anfrage erreichte. Kempf räumt ein, dass er sich auch etwas gebauchpinselt gefühlt habe, als ihm das Amt angetragen wurde. Klar sei, dass es mit seiner Berufung nicht darum gehe, einen 63-Jährigen von der „Lethargie der Rente“ zu bewahren, so Kempf. Der gebürtige Münchner räumt aber ein, dass er in große Fußstapfen seines Vorgängers trete. Er werde sich aber schnell einarbeiten. In der Steuerpolitik habe er in der Datev-Zeit viel Erfahrungen gesammelt. In die Handelspolitik, für die der BDI ebenfalls zuständig ist, werde er sich schnell vertiefen.

Nachdem der Personalvorschlag von den Vizepräsidenten gebilligt worden ist, ist es nur noch eine Formalie: Der neue BDI-Präsident soll Ende November auf der Mitgliederversammlung gewählt werden.