Huw Edwards wurde bereits von der BBC suspendiert. Foto: AFP/Isabel Infantes

Die Affäre um ihren berühmten Nachrichtensprecher hat die BBC schwer getroffen. Die Polizei sieht jedoch keine kriminellen Tatbestände. Doch für die Zeitung „The Sun“ könnte Huw Edwards Fall gerichtliche Folgen haben.

Kein Ende will die neue Krise nehmen, in der sich die größte und angesehenste Rundfunkanstalt der Welt gegenwärtig befindet. Mit immer neuen Beschuldigungen konfrontiert, kämpft die BBC verzweifelt um ihren guten Ruf.

Schwer getroffen hat den Sender ein Skandal, den der Starmoderator und wichtigste Nachrichtensprecher der vergangenen zwanzig Jahre im BBC-Fernsehen, Huw Edwards, entfachte. Edwards, einem 61-jährigen Vater von fünf Kindern, wird vorgeworfen, junge Leute seit Jahren mit unsittlichen Anträgen animiert und ihnen als Gegenleistung für pornografische Fotos enorme Summen von Geld überwiesen zu haben.

Laut Polizei gibt es keine kriminellen Tatbestände

Jüngeren Kollegen im Sender soll er anzügliche Botschaften übermittelt haben, gegen die sie sich nicht zu wehren wussten, weil er „die Nummer eins“ in der Nachrichten-Abteilung des Senders, der prominenteste und bestbezahlte aller News-Presenter, war. Einige der Betroffenen fanden die Botschaften, die sie erhielten, schlicht peinlich und „unangenehm“. Andere klagten über einen „Missbrauch von Macht“.

Begonnen hatte die Krise im öffentlichen Raum vor einer Woche, als Rupert Murdochs Boulevardblatt „The Sun“ schwere Vorwürfe gegen einen ungenannten „BBC-Star“ erhob und dabei gesetzeswidrige Handlungen suggerierte. Erst nach Tagen eines zum nationalen Sport gewordenen Rätselratens enthüllte Edwards Frau Vicky Flind am Mittwoch die Identität des bis dahin „namenlosen“ BBC-Menschen: Es handelte sich um ihren Mann. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei bereits bestätigt, dass es keinerlei kriminelle Tatbestände gab – und dass keine polizeiliche Untersuchung gegen Edwards eingeleitet werde.

Dass aber ausgerechnet der vertrauenswürdigste, der rundum seriöseste Nachrichtensprecher des Senders, mit seinem grauen Haarschopf und seinem sonoren Ton, ein entsprechendes Verhalten an den Tag gelegt haben sollte, fanden viele Britinnen und Briten eine unerträgliche Vorstellung.

Denn Edwards, ein „altgedienter“ BBC-Journalist walisischer Herkunft, war seinen Mitbürgern geradezu als das Gesicht der Anstalt im News-Bereich vertraut gewesen. Er hatte auch regelmäßig als Anker bei großen Staatsereignissen fungiert und zum Beispiel im vorigen September der Nation den Tod von Königin Elizabeth II. mitgeteilt. Dass er zu gleicher Zeit ein wenig ruhmvolles „zweites Leben“ geführt haben soll, schien seinen Landsleuten unglaublich.

BBC will Fall beleuchten und Lehren daraus ziehen

Klagen löste auch aus, dass die BBC einer ersten Beschwerde der Mutter und des Stiefvaters eines „gefährdeten“ jungen Menschen über das angebliche Verhalten von Edwards im Mai dieses Jahres wohl nicht gründlich und schnell genug nachgegangen war. Während dieser „junge Mensch“ seither beteuert hat, dass die Vorwürfe seiner Mutter „völliger Quatsch“ gewesen seien, haben sich andere Zeitgenossen mit allerlei anderen Beschuldigungen gemeldet.

Befürchtet wird, dass in den nächsten Tagen noch mehr „Kläger“ gegen Edwards an die Öffentlichkeit treten. Suspendiert hatte die BBC Edwards bereits vorige Woche, ohne seinen Namen bekannt zu geben. Die Anstalt habe seither „ein paar anstrengende Tage durchlebt“, meinte jetzt Intendant Tim Davie zum internen Chaos bei der BBC.

Edwards selbst, der seit Jahren über Depressionen klagte, ist nach Auskunft seiner Frau inzwischen „mit ernsthaften psychischen Problemen“ in eine Klinik eingeliefert worden. Er hat versprochen, sich zu einem späteren Zeitpunkt zu den Vorwürfen gegen ihn zu äußern. Unterdessen hat die BBC gelobt, den Fall ihrerseits eingehend zu beleuchten und „Lehren daraus zu ziehen“.

Aber auch die „Sun“, die den Skandal auslöste und Tag für Tag neu anheizte, sieht sich nun im Kreuzfeuer der Kritik in Großbritannien. Dass die Zeitung es anfangs so aussehen ließ, als habe sich „der BBC-Presenter“ einer kriminellen Handlung schuldig gemacht, könnte noch ein gerichtliches Nachspiel haben. Auch weigerte sich das Blatt hartnäckig, irgendwelche Beweise für die diversen Anschuldigungen vorzulegen oder das wütende Dementi des ersten angeblichen „Opfers“ von Edwards auch nur zu erwähnen. Die „Sun“ habe „Huw geradezu terrorisiert, ohne alle Beweise für irgendwelche kriminellen Handlungen“, fand jetzt sogar der frühere „Sun“-Chefredakteur David Yelland. „Dies ist nicht mehr nur eine BBC-Krise, es ist eine Krise für das Blatt (die ‚Sun‘).“ Kritiker der Zeitung sehen in der Aktion der „Sun“ eine neue Episode der langen Schlacht des Großverlegers Rupert Murdoch gegen die BBC, mit der er der öffentlichen Anstalt das Wasser abgraben will.

Social-Media-Nutzer müssen mit rechtlichen Schritten rechnen

Mit rechtlichen Schritten müssen nun jedenfalls auch Benutzer sozialer Medien rechnen, die in den Tagen, in denen die Identität des mysteriösen „BBC-Presenters“ noch unklar war, bereits verschiedene Namen in Umlauf brachten und üble Verdächtigungen ausstreuten. Mehrere prominente BBC-Mitarbeiter, wie zum Beispiel der Sportmoderator Gary Lineker, fanden sich zu Beginn der Woche zu öffentlichen Beteuerungen gezwungen, dass sie mit der Affäre nichts zu tun hatten, nachdem sie von anonymen Zeitgenossen online verdächtigt, verunglimpft und beschimpft worden waren.