Kim Jong-un bei der Inspektion eines angeblichen Wasserstoffbomben-Sprengkopfes. Foto: KCNA via KNS

Nach dem erneuten Kernwaffentest in Nordkorea steigt in Asien die Angst. Experten sehen China in der entscheidenden Rolle für eine Stabilisierung der Lage.

Peking - Trotz aller Warnungen hat Nordkorea zum sechsten Mal eine Kernwaffe getestet. Machthaber Kim Jong-un ließ zunächst Bilder davon veröffentlichen, wie er einen silbrig lackierten Gegenstand in Form einer überdimensionierten Erdnuss inspizierte, angeblich eine Wasserstoffbombe.

Sonntagmittag koreanischer Zeit registrierten die Erdbebenwarten weltweit dann heftige Erschütterungen, die vom Atomtestgelände in Punggye-ri ausgingen. Die Bombe war den Messungen zufolge etwa zehnmal stärker als die Waffe, die beim vorigen Test im September detoniert ist – ein deutlicher Fortschritt für Kims Nuklearprogramm. Während die Bombe im vergangenen Jahr die Explosionskraft von rund 10 000 Tonnen herkömmlichen Sprengstoffs erreicht hat, waren es diesmal über 100 000 Tonnen.

Staatssender verkündet „vollen Erfolg“

Der Staatssender KCTV verkündete am Sonntagnachmittag einen „vollen Erfolg“ bei dem Test einer selbstentwickelten „Bombe mit unvergleichlicher Vernichtungskraft“. Dank der vorhandenen Raketen ließen sich damit auch ferne Länder angreifen, sagte die Ansagerin voller Stolz.

Der neue Atomtest kommt in einer angespannten Lage und gilt als besonders gefährlicher Akt. US-Präsident Donald Trump hat Kim bereits mit „Feuer und Verderben“ gedroht, wenn er die Provokationen fortsetze. Vor einem „brandgefährlichen Spiel mit dem Untergang“, warnt Yoon Young-kwan, Professor für Internationale Beziehungen an der Seoul National University. In jeder Runde würden die Drohungen ernster. Es drohe der Ausbruch eines Krieges, obwohl keine Seite ihn wolle und beide Seiten nur verlieren können.

Ungewöhnliche Kritik aus China

Nordkoreas letzter Unterstützer, China, verurteilte den Atomtest am Sonntagnachmittag daher auch ungewöhnlich deutlich. „Wir fordern atomare Abrüstung auf der koranischen Halbinsel“, teilte das Außenministerium in Peking mit. Nordkorea solle den Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen Folge leisten. „Falsche Handlungen, die die Situation verschlimmern, sind zu unterlassen. Nur Dialog kann die Probleme lösen“, hieß es aus Peking. China werde sich aktiv für den Abzug von Atomwaffen aus Korea einsetzen.

Für Chinas Präsident Xi Jinping kam die Provokation des Nachbarn zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Er schickte sich gerade an, in der Hafenstadt Xiamen den BRICS-Gipfel führender Schwellenländer zu eröffnen. Im kommenden Monat findet in Peking zudem ein richtungsweisender Kongress der Kommunistischen Partei statt – außenpolitischen Ärger kann Xi derzeit nicht gebrauchen. Xi erwähnte den Atomtest am Sonntag nicht, doch er sprach in seiner Rede in Xiamen von „dunklen Schatten über der Sicherheitslage“.

Japan denkt an totalen Handelsstopp

Japan war am Sonntag besonders alarmiert: Nordkorea hat erst in der vergangenen Woche eine Rakete über die Nordinsel des Landes hinweggeschossen. Premier Shinzo Abe kündigte „maximale Maßnahmen“ an, um Nordkorea zu stoppen. Ein Regierungssprecher dachte laut über die Möglichkeit eines totalen Handelsstopps mit Nordkorea nach. Bisher liefern China und Russland immer noch Öl in Kims Reich – bloß weniger als vor Inkrafttreten der jüngsten Runde von Sanktionen.  

Die japanische Luftwaffe hat Flugzeuge aufsteigen lassen, um Luftproben in der Nähe des Testgebiets zu nehmen. Die Zusammensetzung der radioaktiven Elemente verrät Physikern, um was für eine Waffe es sich wirklich gehandelt hat. Bisher tippen Beobachter auf eine Atombombe, die mit einer Beiladung von Wasserstoff verstärkt ist. Eine echte Wasserstoffbombe ist technisch deutlich schwerer machbar als so eine Waffe - sie sind im Allgemeinen noch stärker als das, was am Sonntag explodiert ist. Als realistisch gilt dagegen Nordkoreas Behauptung, der Sprengkopf sei klein genug, um in den Kopf einer Rakete zu passen.

Hoffnung auf kluge Reaktion der USA

Regionalexperte Yoon hält nun eine weise Reaktion der US-Regierung für ungeheuer wichtig, um eine Katastrophe zu vermeiden. „Sowohl die USA und Nordkorea müssen es vermeiden, sich gegenseitig in eine Ecke zu drängen, aus der es keinen gesichtswahrenden Ausweg mehr gibt.“

Während der Kuba-Krise 1962 habe der damalige Präsident John F. Kennedy keinen absoluten Sieg seines Landes angestrebt, sondern Konzessionen gemacht: Er hat seinerseits Atomraketen aus der Türkei abziehen lassen. Der sowjetische Regierungschef Nikita Chruschtschow stand damit gegenüber der eigenen Partei ebenfalls als Gewinner da – und konnte zustimmen.

China sollte stabilisierend wirken

Doch ob so eine Deeskalation mit Trump und Kim ebenfalls klappt? „Keiner von beiden scheint sich politisch sicher genug zu fühlen, um nachzugeben“, glaubt Yoon. Angesichts der enormen Risiken müssten sich nun andere Akteure stärker engagieren. Konkret müsse China endlich aus der Deckung kommen und die Rolle als stabilisierende Kraft wirklich übernehmen, die es sich gerne zuschreibe.

Im Jahr 1994, auf dem Höhepunkt der ersten Atomwaffenkrise um Nordkorea, hatte Peking klargemacht, dass es Pjöngjang nicht unterstützen würde – und damit letztlich zum Nachgeben gebracht. China könne heute öffentlich und eindeutig erklären, dass Nordkorea im Konfliktfall auf sich allein gestellt sei, meint Yoon. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass Kim dann nachgebe – wenn Trump ihm eine gesichtswahrende Chance dazu gebe.