Der Zaun vor dem Fußballstadion ist mit Rosen geschmückt. Foto: AFP

Zwei schwere Anschläge erschüttern das beliebte Viertel Besiktas in Istanbul. Zahlreiche Menschen sterben, darunter viele Polizisten. Die türkische Führung kündigt Vergeltung an.

Istanbul - Ein Krater von zwei Metern Durchmesser klafft in der Straße. Von dem mit Sprengstoff beladenen Fahrzeug, das in der Nacht zum Sonntag explodierte, ist nichts mehr übrig. Das zeigen Bilder von der Nacht des verheerenden Doppelanschlags in Istanbul. Der Autobombenanschlag in der Nähe des Fußballstadions in Besiktas forderte wohl die meisten der Dutzenden Todesopfer und war gegen Polizisten gerichtet. Auch ein Selbstmordattentäter, der sich kurz nach der ersten Explosion in die Luft sprengte, zielte offenbar auf Sicherheitskräfte.

Am Tag danach reagiert die türkische Führung mit Forderung nach Vergeltung. Das Wichtigste sei der Kampf gegen die „Pest des Terrors“, sagte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag. Die Täter müssten einen „noch höheren Preis“ zahlen. Dabei ist nach wie vor unklar, wer hinter den Anschlägen steckt. Ministerpräsident Binali Yildirim vermutet die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK dahinter, die sich jedoch zunächst nicht bekannte. Details zu den bisher 13 Festgenommenen gaben die türkischen Behörden nicht bekannt.

Die Polizei hat die Gegend um das Fußballstadion in Besiktas noch am Morgen weiträumig abgesperrt. Am Nachmittag versammeln sich dann Hunderte um das Stadium. Sie schwenken türkische Flaggen und halten Schilder mit der Aufschrift: „Wir gewöhnen uns nicht daran.“

Besiktas ist ein beliebtes Ausgehviertel

Die meisten der 38 Toten sind Polizisten. Unter den zivilen Todesopfern ist auch der 19-jährige Medizinstudent Mustafa Berkay Akbas. Nach Angaben seines Vaters Salim Akbas war der junge Mann, der an einer Universität in Ankara eingeschrieben war, zusammen mit Freunden für zwei Tage zu Besuch in Istanbul. „Sie waren nur zu einem Ausflug in Istanbul. Sie sind ganz zufällig zu diesem Zeitpunkt in einem Taxi dort vorbeigefahren“, sagte Akbas unter Tränen zu türkischen Fernsehjournalisten. Er wolle nicht, dass sein Sohn jetzt ein „Märtyrer“ genannt werde. „Er wurde ermordet, mehr sage ich nicht“, sagte Akbas.

Am Samstagabend hatten Freunde und Familie bereits eine Suchaktion über Twitter nach Akbas gestartet, nachdem sie ihn telefonisch nicht mehr erreichen konnten.

Der Schock im ganzen Land ist groß. Unbekannte hatten die Autobombe um 22.29 Uhr am Samstagabend - etwa anderthalb Stunden nach Ende des Spiels zwischen den Erstligisten Besiktas und Bursaspor - gezündet. Die Zuschauer waren schon auf dem Heimweg. Der Selbstmordattentäter sprengte sich kurz darauf in die Luft.

Besiktas ist ein beliebtes Ausgehviertel auf der europäischen Seite Istanbuls und liegt in der Nähe des Taksim-Platzes. Gerade am Wochenende sind die Straßen belebt. Auch wenn die Polizei offenbar das Ziel war, wurden zivile Opfer in Kauf genommen. Die Explosionen waren gewaltig und kilometerweit zu hören. Die Erde bebte. Sirenen heulten.

Wegen Risikospiel waren besonders viele Polizisten im Einsatz

Nach Angaben des Vize-Ministerpräsidenten Numan Kurtulmus kamen zwischen 300 und 400 Kilogramm Sprengstoff zum Einsatz. Ein auf sozialen Medien verbreitetes Video, das von der asiatischen Seite der Stadt aufgenommen wurde, zeigt einen riesigen Feuerball.

Weil das Spiel zwischen den verfeindeten Clubs Bursaspor und Besiktas als Risikospiel galt, waren besonders viele Polizisten zur Absicherung im Einsatz.

Viele Fragen zu den Hintergründen blieben zunächst offen. Die PKK verübt immer wieder Anschläge auf Sicherheitskräfte, die offenbar gezielte Auswahl von Polizisten würde also dafür sprechen. Im Südosten der Türkei geht die Armee seit Sommer 2015 gegen die PKK vor. Diese reagiert über die Splittergruppe TAK vermehrt mit Anschlägen auch in der Westtürkei.

Doch auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat nach Regierungsangaben schon zahlreiche Anschläge in der Türkei verübt. Erst in einer am vergangenen Montag verbreiteten Audiobotschaft rief der IS seine Anhänger zu Attentaten gegen die Türkei auf. Unter anderem sollten Sicherheitskräfte und Regierungseinrichtungen angegriffen werden, hieß es darin. Eine Täterschaft des IS ist somit auch nicht auszuschließen.

In Syrien kämpft die Türkei sowohl gegen den IS als auch gegen den syrischen Ableger der PKK. Am Freitag drangen die türkische Armee und syrische Rebellen bis in die syrische IS-Bastion Al-Bab vor. Die Stadt unweit der Grenze zur Türkei ist die letzte IS-Hochburg in der nordsyrischen Provinz Aleppo.