Im Impfpass ist vermerkt, wer wann und womit gegen welche Erkrankung geimpft worden ist. Foto: Frank Rodenhausen

Ein Hausarzt aus dem Remstal muss sich wegen dreier angeblich nicht geleisteter Corona-Immunisierungen vor Gericht verantworten. Dort klärt sich der Sachverhalt auf – wohl auch für den Mediziner überraschend.

Seit Mitte der 1990er Jahre führt Dr. Heinz Müller (Name geändert) eine Hausarztpraxis im Remstal. Sein Ruf ist gut, „ein Arzt, wie man sich einen wünscht“, heißt es etwa in einer Bewertung bei der Internetsuchmaschine Google. Doch ein Vorfall in der Coronazeit hat den erfahrenen Allgemeinmediziner – zumindest bezogen auf sein polizeiliches Führungszeugnis – beinahe seine Reputation gekostet.

Wegen der „Ausstellung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses“, wie es im Juristendeutsch heißt, hätte Müller eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen bezahlen sollen – und damit als vorbestraft gegolten.

Impfpass gefälscht?

Konkret sollte er laut Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Stuttgart die Booster-Impfungen einer 49-jährigen Frau gegen das Coronavirus zwar in deren Impfpass bescheinigt, die drei Immunisierungen aber gar nicht vorgenommen haben. Aufgeflogen war das, weil seine Patientin, eine Altenpflegekraft, dies bei ihrem Arbeitgeber eingeräumt hatte. Dieser hatte die Frau daraufhin offenbar nicht nur unverzüglich von ihrer Arbeit entbunden, sondern wohl auch noch den Arzt angezeigt.

Einspruch gegen Strafbefehl

Weil sich dieser aber keiner Schuld bewusst war, legte er Widerspruch gegen den Strafbefehl ein – und musste sich deshalb jetzt auf der Anklagebank des Waiblinger Amtsgerichts verantworten.

Auch dort beteuerte er, bei der Frau wie bei fast allen insgesamt mehreren hundert in den Coronajahren vorgenommenen Impfungen vorgegangen zu sein. In einer Voruntersuchung habe er mögliche Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen abgeklopft, die Frau über die Risiken aufgeklärt und sie dann ins Labor geschickt, wo eine Arzthelferin die Spritze verabreicht habe, bevor er die Patientin zum Ende noch einmal kurz begutachtet und dann verabschiedet habe. Die für Impfungen nötigen Einverständniserklärungen habe die Patientin unterschrieben, die Marge der Impfdosis sei im Impfpass dokumentiert.

Arzt bei Impfbetrug selbst getäuscht

Während seine Patientin bei einem gemeinsamen Gespräch mit seinem Rechtsbeistand, um das er sie vor der zwischenzeitlich anberaumten Gerichtsverhandlung zur Aufklärung des Sachverhalts gebeten hatte, noch eingeräumt haben soll, die drei Spritzen vielleicht doch verabreicht bekommen zu haben, blieb sie als Zeugin vor Gericht bei ihrer Aussage, die sie gegenüber der Anklagebehörde gemacht hatte. Allerdings kristallisierte sich nach eingehender Befragung heraus, dass der angeklagte Arzt bei dem Betrug wohl selbst getäuscht worden war.

Demnach hatte die 49-jährige Frau jener Arzthelferin, welche in der Praxis vornehmlich Coronaspritzen verabreichte und mit der sie über soziale Netzwerke im Internet befreundet war, ihren Zwiespalt geschildert. Einerseits sei sie als Altenpflegerin mehr oder weniger verpflichtet, sich impfen zu lassen, andererseits aber habe sie Angst vor etwaigen Nebenwirkungen des nur wenig erforschten Impfstoffes. Die Arzthelferin soll ihr daraufhin angeboten haben, einen entsprechenden Nachweis auszustellen, ohne die Impfungen vorzunehmen.

Anklägerin plädiert auf Freispruch

Das stellte auch für die Staatsanwältin letztlich einen völlig neuen Sachverhalt dar. „Ich glaube der Zeugin tatsächlich, dass sie nicht geimpft wurde, aber ich glaube auch, dass der Arzt davon nichts wusste“, sagte sie in ihrem Plädoyer und beantragte deshalb, den Angeklagten freizusprechen. Allerdings empfahl sie ihm, sein Innenverhältnis und die Organisation seiner Hausarztpraxis noch einmal genau zu überdenken.

Dem hatte der Vorsitzende Richter Armin Blattner nicht mehr viel hinzuzufügen. „Ich würde ein ernstes Wort mit Ihrer Angestellten reden“, sagte er nach der Verkündung des Freispruchs. Schließlich habe sie ihn und seine Praxis durch ihr Handeln beinahe schwer in Verruf gebracht.