Die Kulturamtsmitarbeiterin der Stadt Marbach Anette Horn, verschickt Programme und Einladungen noch per Post. Foto: Oliver von Schaewen

Die Portoerhöhung trifft auch die Verwaltungen. Aber was geht überhaupt noch per Brief raus?

Marbach - Auch wenn es nicht so scheint: Der Brief bleibt wichtig. „Wir verkehren in vielen Bereichen immer noch so“, erklärt Jan Trost. Der Marbacher Bürgermeister lässt auf althergebrachte Weise zum Beispiel Glückwunschschreiben an ehemalige Mitarbeiter oder Jubilare versenden. Es gehe um Wertschätzung, die durch eine E-Mail so nicht vermittelbar sei. Aber auch formale Erlasse oder Bußgeldbescheide müssten per Post beim Empfänger ankommen.

Die E-Mail stößt auch an andere Grenzen. Adressaten an ihrem Wohnsitz zu erreichen, erscheint den Verwaltungen sicherer. Nicht jede E-Mail-Adresse stimme, erklärt Jan Trost, auch verschlucken Spam-Filter manche digitalen Botschaften. „Die Tendenz in Sachen E-Mail ist aber zunehmend“, weiß der Marbacher Bürgermeister, der allerdings bei den Altersjubilaren nach wie vor auf den Besuch und die Gratulation per Handschlag setzt. „Bei der Generation 80plus verfügt – so wie ich es beobachtet habe – die Hälfte über gar keinen Internetanschluss.“

In die gute alte Zeit zurück möchte auf keinen Fall der Marbacher Hauptamtsleiter Thomas Storkenmaier. „Früher hat man oft eine ganze Woche für einen Aktenvermerk warten müssen“, blickt er in die Zeit der 1990er-Jahre zurück. „Heute dauert es keinen Tag, bis alle per Mail geantwortet haben.“ Die aktuelle Portoerhöhung hält Storkenmaier deshalb für verkraftbar. Ohnehin habe die Stadt nicht mit der Deutschen Post, sondern mit der BW  Post einen Vertrag abgeschlossen. Ob sich an den vertraglich vereinbarten Kosten von jährlich etwa 26 000 Euro etwas ändert, werde man sehen müssen. Bisher habe die BW Post noch keine Portoerhöhung angekündigt – was das Unternehmen aber in dieser Woche mit einer Presseerklärung nachholte.

Die BW Post kündigt an, ihre Preise anzupassen und führt „Engpässe bei der Gewinnung von Fach- und Fahrpersonal, Mindestlohnerhöhungen, steigende Energiepreise sowie allgemeine Kostenerhöhungen von Beförderungsleistungen“ als Gründe an. Dies alles lasse sich nicht mehr alleine durch Produktivitätsverbesserungen kompensieren.

Die Boten der BW Post holen täglich die Post des Marbacher Rathauses ab. Darunter seien viele Mahnungen oder Erinnerungen, weiß Gerda Richwald, die im Marbacher Rathaus am Eingang die Post sammelt und herausgibt. „Die alten Leute haben gar kein Internet“, sagt sie. Wenn Grabzeiten abliefen oder ein Pass abgelaufen sei, müsse die Verwaltung die Bürger – ganz unabhängig von deren Alter – per Brief anschreiben. Auch Rechnungen würden nicht per E-Mail sondern postalisch verschickt. „Manchmal sind es drei bis vier Kisten, die hier stehen“, erzählt die Mitarbeiterin. Immer wenn Veranstaltungen bevorstünden, seien es besonders viele Briefe, mit denen die Stadt einlade – etwa zu kulturellen Events wie in der Galerie Wendelinskapelle oder im Schlosskeller.

Zweigleisig fährt auch das Rathaus in Oberstenfeld. „Der Briefverkehr wird zunehmend weniger wichtig, aber nichtsdestoweniger braucht man ihn“, sagt der Bürgermeister Markus Kleemann. Mit seinem Team setze er auf Digitalisierung. Kiloweise Papier spart die Gemeinde schon allein dadurch ein, dass sie die Sitzungsunterlagen seit Jahren nicht mehr ausdruckt, sondern den Räten mit Tablets digital zur Verfügung stellt. „Wir sind effizienter und transparenter“, sagt Kleemann über den regen E-Mail-Verkehr. Warum Briefverkehr trotzdem sein muss? „Eine digitale Unterschrift ist nicht rechtsgültig.“ Das findet Kleemann schade. „Die Italiener und andere in Europa sind da weiter“, sagt er, verweist aber auch darauf, dass er etwa Arbeitsverträge persönlich unterschreiben und per Post versenden lassen müsse.

Nur noch etwa zehn Prozent der Korrespondenz wickelt das Deutsche Literaturarchiv (DLA) in Marbach auf dem herkömmlichen Postweg ab, dessen Bedeutung stark abgenommen habe, teilt die Sprecherin Alexa Hennemann mit. Die Portokosten bewegten sich zwischen 56 000 und 79 000 Euro. Einladungen, Schreiben an Autoren und Freunde des Hauses würden per Post verschickt. Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 2017 zu Besuch kam, schnellten die Portokosten auf rund 72 000 Euro hoch. In dem Jahr habe auch das Projekt „Rilke und Russland“ eine Rolle gespielt.