Auch wer nichts kann, gelangt oft auf eine große Bühne: „Madame Marguerite“ Foto: Conc

Madame Marguerite singt für ihr Leben gern, aber leider falsch – nur sagt es ihr niemand. Um seine Hauptdarstellerin Catherine Frot herum lässt Regisseur Xavier Giannoli in schönster Detailverliebtheit das Paris der 1920er entstehen und einen Kosmos aus skurrilen Figuren kreisen.

Stuttgart - Madame Marguerite kann nicht singen, ganz und gar nicht. Sie tut es dennoch, weiß von nichts, denn jeder belügt sie. Die reiche Dame der Pariser Gesellschaft, eine Baronin gar, ist umgeben von einem Klüngel aus Lügnern, Heuchlern, Feiglingen. Aus Zynismus, Geldgier oder Verlegenheit bestätigt dieser Hofstaat der unbegabten Sängerin beständig ein Talent, das sie nicht besitzt. Und Marguerite lebt ihren Traum von der Musik, nicht ahnend, dass er eine Inszenierung ist.

Vorbild für Marguerite war die Amerikanerin Florence Foster Jenkins (1868–1944). Regisseur Xavier Giannoli stieß auf ihre Geschichte, hörte Aufnahmen ihres schrillen Gesanges, war verwundert, fasziniert, verpflanzte Jenkins ins Paris der 1920er Jahre – und fand mit Catherine Frot („Die Köchin und der Präsident“, 2012) eine fantastische Darstellerin. Sie zeichnet Madame Marguerite nicht als egomanes Monster, sondern als durch und durch liebenswerte Frau, die ganz naiv in ihrem Traum von Musik befangen ist. So schrecklich ihr Gesang, so sehr bezaubert ihre Persönlichkeit, die Unschuld, mit der sie an ihren Traum zu glauben vermag.

Um sie herum lässt Xavier Giannoli eine nostalgische Welt in schönster Detailverliebtheit entstehen und einen Kosmos aus skurrilen Figuren kreisen: Hervorragend besetzt sind auch André Marcon als Marguerites untreuer Gatte, Denis Mpunga, der als Diener Madelbos energisch eigene künstlerische Ziele verfolgt, Sylvain Dieuaide als Journalist Lucien, Christa Théret als junge Sängerin Hazel und Michel Fau als schwuler Gesangslehrer mit bizarrer Entourage.

Giannoli möchte nicht die zarten Töne, sondern die Lacher

Die Gelegenheit, aus der Geschichte einen Film zu machen, der diskrete Gedanken anstößt, verschenkt Giannoli jedoch: Letztlich möchte er eben doch nicht die zarten Töne, sondern die Lacher. Und die bekommt er, indem er Marguerite zum unwissenden Star einer anarchischen Dada-Performance macht, sie im großen Konzertsaal die Königin der Nacht töten lässt und auch ihr eigenes Ende als grelle Farce inszeniert.

„Madame Marguerite“ ist ein wundervoll gespielter und ausgestatteter Film, ein komödiantisches Kabinettstücken, das einen zwiespältigen Geschmack hinterlässt: Wenn Zuschauer das Kino mit Schuldgefühlen verlassen, sich dafür schämen, auch über Marguerite gelacht zu haben, unterstreicht das noch einmal, wie anrührend das Gesicht ist, das Catherine Frot dieser Figur gibt.