Dirk Spaniel hält eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit seinen AfD-Vorstandskollegen nicht länger für möglich. Foto: dpa

Nach einer heftigen Schlammschlacht auf dem Parteitag der baden-württembergischen AfD in Pforzheim sind die Gräben im aktuellen Landesvorstand tiefer denn je.

Pforzheim - Abstimmungen über Abwahlanträge und stundenlange Wortgefechte brachten am Wochenende keine Lösung des Machtkampfes. Die Parteimitglieder entschieden sich in Pforzheim dagegen, den Vorstand oder einzelne Mitglieder abzuwählen. Ob sich die Führung des Landesverbands aufspaltet und Mitglieder in den kommenden Tagen und Wochen noch zurücktreten, ist offen. Die Zeichen stehen auf Konfrontation.

Co-Sprecher Dirk Spaniel hält eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit seinen Vorstandskollegen jedenfalls nicht länger für möglich. „Ich kann mir ein Arbeitsverhältnis, wie es momentan in der Landesgeschäftsstelle existiert, aufgrund des vollkommen nicht mehr vorhandenen Vertrauens einfach nicht mehr vorstellen“, sagte er. „Wir werden die Abwahlanträge und den Rücktritt des Vorstands zu einem anderen Zeitpunkt erleben.“ Spaniel bot unter Applaus seinen Rücktritt an, wenn alle anderen Vorstandsmitglieder auch ihre Ämter niederlegten. „Dieser Vorstand ist nicht arbeitsfähig“, sagte er.

„Eine Abwahlorgie bringt uns nicht weiter“

„Wenn er nicht möchte, kann ich es nicht ändern“, sagte der Landesvorsitzende Bernd Gögel mit Blick auf seinen Kontrahenten Spaniel. Er sei auch weiterhin zu einer Zusammenarbeit ohne Vorbelastungen bereit. Mit Blockade komme man nicht weiter. Gögel sagte, wenn man keinen Weg finde, mit dem alle Vorstandsmitglieder leben könnten, dann müsse der gesamte Vorstand zurücktreten. Bis zur Kreissprechertagung im Juli gebe es aber noch Möglichkeiten, Lösungen zu finden. Fragen rund um den Besitz von Datensätzen oder Telefonrechnungen müssten nun sachlich geklärt werden. „Eine Abwahlorgie bringt uns nicht weiter.“

Der Pforzheimer Parteitag stand im Zeichen einer heftigen Krise im Vorstand. Die Mehrheit von sieben Vorstandsmitgliedern um AfD-Landeschef Gögel steht dabei gegen den Co-Sprecher Dirk Spaniel und Schatzmeister Frank Kral. Seit Tagen kursieren Dokumente und Erklärungen, in denen sich beide Seiten üble Vorwürfe machen. Es geht um Intrigen, eine Schmäh-Mail, rüden Umgangston, um zu hohe Telefonrechnungen und Alleingänge. Es geht aber auch um die Frage, wer aus der AfD die Spendenaffäre rund um Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel und den Kreisverband Bodensee öffentlich machte.

Die rund 550 Mitglieder lieferten sich am Samstag über zehn Stunden heftige Wortgefechte. Zahlreiche Anträge und eine lange Aussprache brachten keine Lösung. Mitglieder zeigten sich entsetzt und frustriert angesichts der Fehde im Vorstand. Der Parteitag lehnte einen Antrag zur kompletten Abwahl des Vorstands mit hauchdünner Mehrheit ab. Die Mitglieder stimmten auch dagegen, sich mit Abwahlanträgen gegen Spaniel und Kral zu befassen.

Tiefe Gräben

„Das ist für mich der traurigste Tag, seit ich in AfD eingetreten bin“, sagte AfD-Vorstandsmitglied Marc Jongen. Die Gräben seien zu tief, der Streit in Pforzheim habe zu nichts geführt, bilanzierte Parteisprecher und Vorstandsmitglied Thilo Rieger. Wenn man sich nicht zusammenraufe, müsse der komplette Vorstand zurücktreten und ein Parteitag ein neues Führungsgremium wählen.

„Es ist natürlich unerfreulich, dass der vorangegangene Parteitag nicht alle Konflikte erkennen konnte, die nun zu Tage getreten sind“, betonte Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel in Pforzheim. „Ich bin aber guter Dinge, dass die Mitglieder eine konstruktive Lösung für den Landesvorstand finden werden.“

Gögel und Spaniel waren erst beim Landesparteitag in Heidenheim Ende Februar neu in den Vorstand gewählt worden. Unmittelbar nach der Europa- und Kommunalwahl drang ein übler Streit im Landesvorstand an die Öffentlichkeit. Die Vorstandsmitglieder um Gögel machen Kral und dem Co-Landesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Spaniel schwere Vorwürfe - etwa, dass sie Falschbehauptungen verbreiteten, die Landesgeschäftsstelle unter ihre Kontrolle bringen und ihnen nicht genehme Beschäftigte loswerden wollten. Spaniel und Kral weisen die Vorwürfe zurück, sprechen von Verleumdung und einer Intrige.

Viel Frust war zu spüren

Spaniel beklagte in Pforzheim eine „Selbstbedienungsmentalität“ in der Landesgeschäftsstelle. Der ordnungsgemäße Umgang mit Parteigeldern sei keine Petitesse. Er werde die Machenschaften nicht decken. Spaniel nannte die vergangenen Tage schockierend und katastrophal für die AfD. Wer die Debatte über Facebook oder die Medien führe, „der versündigt sich an den Idealen der Partei“.

Unter den Mitgliedern war viel Frust zu spüren. „Wenn wir so weiter machen, lösen wir uns selber auf“, sagte ein Parteimitglied. Wenn jeder Parteitag den Vorstand in Frage stelle, sei man nichts anderes als die Piratenpartei, sagte ein anderes. Man gebe derzeit ein Bild ab wie die Grünen in der Gründungsphase, sagte Landeschef Bernd Gögel - „außer, dass da kein Publikum sitzt, das häkelt oder strickt“.

Nach langer Debatte ging der Parteitag am Sonntag zur ursprünglich geplanten Tagesordnung über - und wählte verschiedene Funktionäre nach, die eigentlich schon in Heidenheim gewählt werden sollten. Der Landtagsabgeordnete Rainer Balzer wurde dabei als noch fehlendes Mitglied in den Vorstand gewählt. Er setzte sich in der Stichwahl gegen Alfred Bamberger aus dem Kreisverband Pforzheim durch.

Auch in der AfD-Fraktion des Landtags stehen die Zeichen weiter auf Konfrontation - dort ringen gemäßigte Kräfte und Abgeordnete vom rechten Rand seit Monaten um die Macht. Bei der Sitzung am Dienstag sollen drei Posten für Fraktionsvizes nachgewählt werden. Anfang Januar hatten die Abgeordneten Rainer Podeswa und Emil Sänze nach einem Putschversuch gegen Fraktionschef Gögel auf ihre Ämter verzichtet. Nun hat auch Stefan Herre auf seinen Stellvertreterposten im Fraktionsvorstand verzichtet.