Autorin Eva-Maria Loenicker hat 50 Jahre in Fellbach-Schmiden gewohnt und lebt mittlerweile in Stuttgart-Wangen. Foto: privat

Ihre jahrelangen Forschungen über Catharina Schmid, die 1663 auf dem Scheiterhaufen in Cannstatt verbrannt wurde, hat die 85-jährige Eva-Maria Loenicker in einem spannenden Buch zusammengefasst. Jetzt stellt sie ihr Werk im Fellbacher Stadtmuseum vor.

Was gibt es doch für amüsante Drehbücher und gruselige Romane: Charmed, die Hexen von Eastwick, Blair Witch, Harry Potter, Bibi Blocksberg, Hexe Lilli, Otfried Peußlers kleine Hexe. Sie umgarnen vergnügungswillige Konsumenten, sind Verkaufsschlager und in Film, Fernsehen oder Literatur omnipräsent. Die Hexe: mal possierlich, mal selbstbewusst, mal raffiniert, mal kauzig, mal hinterhältig.

Zahlreiche Hexenprozesse im 16. und 17. Jahrhundert

Doch was heute für amüsante Abende im Kino oder auf dem Sofa taugt, hatte einst andere, schreckliche Dimensionen. Dabei ist es, wenn man großzügig rechnet, vielleicht so gerade mal fünf Menschenleben her, dass Frauen schlimmste Qualen erdulden mussten, wenn man sie als Hexe gebrandmarkt hatte. Im 16. und 17. Jahrhundert gab es hierzulande eine Hexenverfolgung, deren Dimensionen kaum fassbar sind. Das galt auch fürs Herzogtum Württemberg – eine davon war 1663 die Fellbacherin Catharina Schmid.

Mit diesem traurigen Kapitel der Fellbacher Lokalgeschichte befasst sich Eva-Maria Loenicker schon länger. Sie war beteiligt an der Ausstellung „Starke Frauen in Fellbach“, gehört zum Arbeitskreis Fellbacher Frauengeschichte und hat mehrfach in den vergangenen 20 Jahren Vorträge über Catherina Schmid gehalten, die 1663 als Hexe angeklagt und in Cannstatt verbrannt wurde.

Eva-Maria Loenicker zählt – man glaubt es kaum, wenn man die resolute, fidele Dame fürs Interview in ihrer kleinen Wohnung in Stuttgart-Wangen besucht – tatsächlich 85 Jahre. Damit all ihre Exzerpte aus Quellenstudien, aus Transkriptionen, aus der Lektüre von Originalschriften, Gerichtsakten, Abhandlungen und den Besuchen „in tausenden Archiven“ nicht in ihren fast ebenso vielen Ordnern vermodern, hat sie sich vor einem Jahr zu ihrem Buchprojekt entschlossen. „Spuren – Hexenverfolgung und ein totes Kind“ ist der Titel des kürzlich im Eigenverlag herausgebrachten 160-seitigen, wissenschaftlich fundierten und grafisch anspruchsvoll gestalteten Werks.

Im Rentenalter begann Eva-Maria Loenicker ihr Geschichtsstudium

Hexentanz ums Feuer – heutzutage als närrische Veranstaltung wie hier in Offenburg. Vor 400 Jahren war es brutaler Ernst für vermeintliche Hexen, auch in Fellbach. Foto: dpa/Rolf Haid

Eva-Maria Loenicker ist in Riga geboren, kam in den deutschen Südwesten und landete schließlich „von dr Alb ra“, wie sie schelmisch anmerkt, in Fellbach-Schmiden. Dort lebte sie 50 Jahre in der Oeffinger Straße, heiratete und wurde Mutter zweier Söhne. Auf ihr Hexenprojekt kam sie über ihr Studium der Geschichte und Geschichte der Technik an der Universität Stuttgart, das die vormalige medizinische Assistentin an der Urologie in Stuttgart mit dem Eintritt ins Rentenalter begann. Über ein Seminar zur Frauenarbeit kam sie auf die einstigen Landhebammen – und erfuhr, dass diese „toughen Frauen“ oft „als die schlimmsten Hexen galten“. Sie inspizierte auch lokale Quellen – und entdeckte in Otto Borsts 400 Seiten dicker Abhandlung über Fellbach („Eine schwäbische Stadtgeschichte“) den Nebensatz: „Es gab 1663 sogar eine Hexe in Fellbach.“

Damit nahm sie Fährte auf und widmete sich intensiv dem Schicksal der aus Zuffenhausen stammenden bettelarmen, aber „fröhlichen, freundlichen Krämerswitwe“, die 1640 als 40-Jährige den angesehenen Fellbacher Jacob Schmid aus der „dörflichen Oberschicht“ heiratete. 22 Jahre lebten sie friedlich bis zu seinem Tod zusammen. Im Frühjahr 1663 wurde Catharina allerdings der Hexerei verdächtigt – weil sie einer Familie Schmalz und deren zwei Kindern Äpfel gegeben habe, worauf diese verstorben seien. Alsbald hieß es, sie habe die Kinder vergiftet. Vergiftung galt damals als Hexenwerk und Schadenszauber, „und die Mediziner waren ebenso hexengläubig wie alle Menschen“, erzählt Loenicker.

Monatelang im Cannstatter Gefängnis eingekerkert

Detail des Buchcovers Foto: red

Folge: „Die Schlinge, sie zieht sich immer enger zu um Catharina.“ Sie wird monatelang im Brückenturm, dem Gefängnis in Cannstatt, eingekerkert, wird permanent verhört und dem ersten Grad der Folter, der „Territion“, ausgesetzt. „Catharinas Widerstand brach nur langsam“, doch irgendwann gestand sie „den Teufelspakt“. Darauf stand in Württemberg die Todesstrafe durch Verbrennen.

Der 25. Juni 1663 auf dem Hinrichtungsplatz Cannstatt ist „eine große Theatervorstellung unter Beteiligung des Volkes“. Auf dem Weg dorthin wird sie, wie bei solchen Beschuldigungen üblich, „mit der glühenden Zange an der Brust gefetzt und mit dem Schwert geköpft; zuletzt wird ihr Körper auf dem Scheiterhaufen verbrannt“.

Und wie ist die Hexenverfolgung im Rückblick zu sehen? „Wir könnten uns jetzt selbstgerecht zurücklehnen und mit unserem säkularen Verstand die unwissenden, abergläubischen Menschen des 17. Jahrhunderts einfach verurteilen. Aber so einfach kann man es sich nicht machen“, sagt Eva-Maria Loenicker. Ihre Einschätzung: „Man hat ihr die Freiheit, das Leben und die Ehre genommen. Doch durch die Aufarbeitung ihres Prozesses ist es gelungen, Catharina, nach so langer Zeit, ein wenig Ehre und Würde zurückzugeben.“

Lesung Ihr Buch, in dem sie auch weitere Opfer der Hexenverfolgung beschreibt, stellt Eva-Maria Loenicker am Montag, 22. April, um 15 Uhr im Fellbacher Stadtmuseum, Hintere Straße 26, vor. Anmeldung erwünscht unter Telefon 0711 / 58 51 75 92.