Mehr Erträge in der Landwirtschaft durch Gentechnik. Das ist die Verheißung, weshalb die EU-Kommission nun die Regeln lockern will. Doch die Kritik an dem geplanten Gesetz ist groß. Foto: dpa/Ingo Wagner

Bald könnten gentechnisch veränderte Lebensmittel auf dem Teller der Verbraucher landen. Die EU-Kommission arbeitet an einem neuen Gesetz. Die Bio-Branche ist entsetzt.

Die Verlockung ist groß. Mit einer kleinen Veränderung der Gene einer Nutzpflanze wie Mais kann etwa das Tiefenwachstum der Wurzeln stimuliert werden. Auf diese Weise würde sie resistenter gegen Trockenheit. In Europa sind solche Eingriffe im Labor allerdings verboten, in Ländern wie den USA, Argentinien oder Brasilien ist der Anbau solch modifizierter Arten erlaubt und bereits weit verbreitet.

Auch aus diesem Grund arbeitet die EU-Kommission an einem Gesetz, das die gängige Praxis neu regeln soll. Nun sickern erste Details durch, dass die Behörde vorschlagen will, bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen von den strengen EU-Regeln auszunehmen. Das bedeutet, dass zahlreiche gentechnisch veränderte Lebensmittel in Zukunft ungekennzeichnet auf den Tellern der Verbraucher landen könnten. Die Kommission wollte das Papier schon vor Wochen veröffentlichen, doch die Diskussionen darüber wurden erbittert und sehr emotional geführt. Nun soll es voraussichtlich im Juli vorgestellt werden.

Eine Gefahr für die Bio-Landwirtschaft

Zu den vehementen Kritikern zählt Martin Häusling, Europaabgeordneter der Grünen. „Wenn dieser Entwurf der Kommission zu einem Gesetz wird, haben die Verbraucher keine Möglichkeit zu erfahren, ob sie gentechnisch veränderte Lebensmittel essen“, erklärt der Parlamentarier. Er sieht auch die gesamte Bio-Landwirtschaft in Gefahr, die sich weiter an die strengen Gentechnikregeln halten muss. Züchter, Landwirte und Lebensmittelhersteller hätten es schwer, eine Verunreinigung ihrer eigenen Produkte mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu vermeiden, sagt Martin Häusling, da nicht mehr angegeben werden müsse, ob und wie in das Erbgut eingegriffen wurde. Zudem sind Kritiker der Ansicht, dass die Risiken nicht zu 100 Prozent klar seien. Konkret wird etwa befürchtet, dass auch ungewollte Änderungen in Pflanzen auftreten könnten - diese etwa vermehrt Giftstoffe bilden.

Allerdings vertreten viele EU-Mitgliedstaaten eine andere Position in Sachen Gen-Technik und selbst der liberale Koalitionspartner der Grünen in Berlin hat eine andere Haltung. Jüngst betonte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Johannes Vogel in Brüssel, dass seine Partei an ihrer Haltung festhalten werde, dass die EU-Regeln für Gentechnik gelockert werden sollten. Das gelte insbesondere für die sogenannte grüne Gentechnik, die nur abbilde, was im Rahmen von natürlichen Selektionen oder klassischen Züchtungsmethoden sowieso passiere.

Die Verheißungen der Gen-Schere

Gestritten wird vor allem um das Verfahren, bei der eine sogenannte Gen-Schere (Crispr/Cas) zum Einsatz kommt. Die vor gut zehn Jahren entwickelte Methode steuert gezielt Gene an, die für eine bestimmte Eigenschaft verantwortlich sind. Der Genstrang wird an einer bestimmten Stelle geschnitten und dann vom zelleigenen Reparatursystem wieder zusammengefügt. Dadurch entstehen Veränderungen im Erbgut, die auch auf natürliche Weise oder durch gezielte Kreuzungen auftreten können. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen diese, mit der Genschere entstandenen Pflanzensorten keinen Gentechnikregeln mehr unterliegen.

Wie das neue Gesetz am Ende aussehen wird, ist allerdings ungewiss. Änderungen könnte noch das Europäische Parlament durchsetzen, in dem die Regelung heftig umstritten ist. Die Zustimmung der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten, die das letzte Wort haben, gilt hingegen als gewiss.