Recep Tayyip Erdogan in Dubai beim Weltgipfel der Regierungen Foto: Kamran Jebreili/AP/dpa/Kamran Jebreili

Der türkische Präsident besucht die Emirate, Ägypten und den Grenzübergang Rafah. Nach langer Dauerkrise sucht er die Aussöhnung mit Ägypten. Er sieht die Türkei als eine von mehreren Garantiemächten, die nach dem Ende des Gaza-Krieges den Frieden in Nahost überwachen.

Geheimdienstler hängen ihre Auslandsreisen normalerweise nicht an die große Glocke. Doch als Ibrahim Kalin, Chef des türkischen Geheimdienstes MIT, vor kurzem nach Katar flog, um mit der Führung der Hamas zu sprechen, ließ er türkische Staatsmedien über den Besuch berichten. Mit Hamas-Chef Ismail Haniyeh sprach Kalin, ein enger Berater von Präsident Recep Tayyip Erdogan, über den Gaza-Krieg, eine neue Feuerpause und einen Gefangenenaustausch mit Israel. Die Türkei signalisierte so, im Gaza-Konflikt mitreden zu wollen. Jetzt nimmt Erdogan die Sache selbst in die Hand.

Versuch einer Wiederannäherung

Versuch einer Wiederannäherung

Der Präsident nahm am Dienstag an einer Konferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) teil und will an diesem Mittwoch nach Ägypten weiterreisen. Erdogans erster Besuch am Nil seit mehr als einem Jahrzehnt soll eine Dauerkrise in den türkischen-ägyptischen Beziehungen beenden und den Anspruch der Türkei auf eine Rolle im Gaza-Konflikt unterstreichen. Deshalb will der türkische Präsident den ägyptischen Grenzübergang Rafah zum Gaza-Streifen besuchen.

Ägyptens Staatschef Abdel Fattah el-Sisi war für Erdogan in den vergangenen Jahren eine Unperson. Sisi hatte sich im Jahr 2013 mit dem Sturz des damaligen ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi, einem Partner der Türkei, an die Macht geputscht. Ägypten war nur eines von vielen Nahost-Ländern, mit denen sich Erdogan überwarf. Damit isolierte er die Türkei. Seit einigen Jahren bemüht sich Ankara, die beschädigten Beziehungen wieder zu reparieren. Die Wiederannäherung an Ägypten gehört dazu.

Gemeinsame Interessen in Gaza machten es Erdogan und Sisi leichter, ihren Streit zu begraben, sagt Nebahat Tanriverdi, Nahost-Expertin und Politik-Beraterin. Die Türkei und Ägypten wollten bei der Versorgung der Zivilisten in Gaza und bei den Bemühungen um eine Feuerpause zusammenarbeiten, sagte Tanriverdi unserer Zeitung. Die Türkei hat nach Angaben von Erdogan seit Oktober rund 34 000 Tonnen Hilfsgüter über Ägypten nach Gaza geschickt.

Bessere Beziehungen zu Ägypten sollen der Türkei auch helfen, sich in der Region wieder Gehör zu verschaffen. Im Gaza-Krieg sehe sich die Türkei auf derselben Wellenlänge wie wichtige arabische Staaten, sagt Hüseyin Cicek, Politikwissenschaftler an der Universität Wien. Eine der Gemeinsamkeiten sei, dass Ägypten und die UAE das militärische Vorgehen Israels kritisiert hätten, so wie die Türkei auch. Cicek verwies im Gespräch mit unserer Zeitung auf die Rolle der Türkei beim Getreide-Deal zwischen Russland und der Ukraine. Wie im Ukraine-Krieg sehe sich die Türkei im Gaza-Konflikt als Akteur, an dem niemand vorbeikomme. Und wieder spreche die Türkei ihre Politik in Gaza nicht mit Europa oder den USA ab: „Die Türkei operiert auf eigene Faust und weniger im Einklang mit westlichen Partnern.“

Allerdings kann die Türkei im Gaza-Konflikt anders als im Ukraine-Krieg nicht als Makler agieren. Erstens sind die Rollen der regionalen Vermittler in Nahost bereits vergeben: Ägypten und Katar arbeiten seit Monaten daran, die Kämpfe zwischen Israel und die Hamas zu beenden, sie brauchen die Türkei nicht. Zweitens hat sich Erdogan klar auf die Seite der Hamas gestellt und gegen Israel Position bezogen. Vor seiner Abreise verglich er den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu wieder mit Hitler.

Türkei als Schutzmacht der Hamas

Türkei als Schutzmacht der Hamas

Erdogans Regierung will deshalb als Schutzmacht der Hamas auftreten. Die militante Palästinenser-Miliz, die im Westen als Terrorgruppe eingestuft wird, ist für Erdogan eine Befreiungsorganisation, die ihr Land und ihr Volk verteidige. Die Türkei verlangt, nach einem Ende des Gaza-Krieges sollten internationale Garantiemächte, darunter sie selbst, sicherstellen, dass die Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern nicht wieder aufflammt. Die Türkei sei bereit, Verantwortung als Garantiemacht zu übernehmen, bekräftigte Erdogan am Dienstag in den VAE.

Die Hamas begrüßt die türkischen Vorstellungen. Als Bedingung für eine neue Feuerpause in Gaza fordert sie, die Türkei solle als eine von mehreren Garantiemächten die Waffenruhe überwachen. Die militärische Stärke für eine solche Aufgabe bringt die Türkei mit, doch Israel dürfte eine Beteiligung der Türken an Verhandlungen oder Vereinbarungen ablehnen.

Eine Wiederannäherung zwischen Erdogan und Netanjahu wie die zwischen Erdogan und Sisi könnte das ändern, sei derzeit aber unwahrscheinlich, sagt Türkei-Experte Cicek. Erdogan achte allerdings darauf, nicht alle Brücken zu Israel abzubrechen. So liefen die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und Israel weiter. Bei einer Rede in den VAE am Dienstag warf Erdogan den Israelis eine „Politik der Massaker“ vor und forderte die Anerkennung eines Palästinenserstaates. Das Existenzrecht des jüdischen Staates stellt er aber nicht in Frage.