Auch vor und nach den Feiertagen wird in den Straßen kontrolliert und geblitzt. Aber die Bußgeldbescheide werden erst im kommenden Jahr an die Verkehrssünder geschickt – nach dem 4. Januar.
Kornwestheim - „Weihnachtsfrieden, der: inoffizielle Bezeichnung eines festgelegten Zeitraumes, in dem die Behörden und Ämter des öffentlichen Dienstes in Deutschland keine Verwaltungsakte erlassen, die den Empfänger belasten. Der Weihnachtsfrieden beginnt für gewöhnlich eine Woche vor Weihnachten und endet Anfang Januar“: aus Internetlexikon Wikipedia. Auf genau diesen Weihnachtsfrieden verwies Oberbürgermeisterin Ursula Keck in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats, als sie gefragt wurde, ab wann die Stadt das neu angeordnete Tempo 40 in großen Teilen der Stadt kontrollieren und die Verkehrssünder zur Kasse bitten werde. Der Weihnachtsfrieden sei eine „schöne Gepflogenheit“, sagte die OB noch. Und dann war er in der Woche vor Weihnachten doch im Einsatz, der mobile Blitzer. An der Stuttgarter und der Aldinger Straße sowie an der Hornbergstraße schoss er Fotos von denen, die zu flott unterwegs waren. Also doch kein Weihnachtsfrieden in Kornwestheim? Post zumindest müssen die Verkehrssünder bis zum 4. Januar nicht befürchten. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Stadt lässt auf Nachfrage keine Zweifel daran aufkommen, dass diejenigen, die in diesen Tagen geblitzt worden sind, auch zur Kasse gebeten werden – aber eben erst nach dem 4. Januar.
Bevor der Blitzer zum Einsatz kam, hatte die Stadt die Geschwindigkeitsmesstafel aufgestellt und mit ihrer Hilfe auf die neuen Tempobegrenzungen hingewiesen. „Erst danach, etwa drei bis vier Wochen nach der Änderung der Beschilderung, sind ,echte’ Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt worden“, so die Stadt.
Viele Verkehrssünder muss die Stadt Kornwestheim erwischen, bis sie die Kosten wieder hereingeholt hat, die die Temporeduzierung verursacht hat. Allein 60 000 Euro kostet die Umstellung von zwölf Ampelanlagen auf „Grüne Welle bei Tempo 40“, noch einmal 25 000 Euro sind für die neuen Schilder ausgegeben worden. Von denen mussten 160 Exemplare installiert werden, weil laut der Straßenverkehrsordnung an jeder Einmündung oder Kreuzung ein solches Tempo-40-Schild aufzustellen ist. Schließlich gilt innerorts eigentlich die Regelgeschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde, abweichende Geschwindigkeitsbegrenzungen müssen extra angezeigt werden.
Vor der Sommerpause hatte der Gemeinderat beschlossen, an den meisten Durchfahrtstraßen Tempo 40 anzuordnen – des Lärms wegen. In einigen Bereichen gilt sogar nur Tempo 30, zum Beispiel in der Lange-, in der Pfarrer-Hahn- und in der Aldinger Straße westlich der Bundesstraße 27. Hornbergstraße, Ludwig-Herr-Straße, Eastleighstraße, Theodor-Heuss-Straße, Stammheimer Straße, Bahnhofstraße (westlich der Bahnlinie), Zeppelinstraße, Ludwigsburger Straße und Stuttgarter Straße.
Der Schilderwald, der quasi über Nacht herangewachsen ist, ist den Stadträten ein Dorn im Auge. Kann man nicht Tempo-40-Zonen ausweisen, um die Zahl der Schilder wieder zu reduzieren?, fragte Robert Müller (SPD). Nein, kann man nicht, antwortete die Oberbürgermeisterin und erinnerte daran, dass die Stadtverwaltung von Beginn an darauf hingewiesen habe, was Tempo 40 für die Beschilderung an Kornwestheims Straßen bedeute. Sie hoffe aber, dass sich die Gesetzgebung weiterentwickele und es irgendwann möglich sei, Tempo-40-Zonen ausweisen zu können. Oder dass Tempo 40 Tempo 50 als Regelgeschwindigkeit innerorts ablöse.
Auch seine Fraktion habe vor dem Schilderwald gewarnt, sagte Thomas Ulmer (Grüne/Linke). Die Grünen wollten eigentlich Tempo 30, für das auch eine ganze Zone eingerichtet werden darf. Einen kleinen Seitenhieb konnte er sich nicht verkneifen. Wenn die Grünen erst einmal Teil der Bundesregierung seien, ließen sich solche Ziele leichter verwirklichen. In Seitenhieben versteht sich aber auch Robert Müller: Solange der grüne Umweltminister nicht mit Tempo 177 durch die Stadt fahre, könne er mit einer Regelgeschwindigkeit 40 Kilometer pro Stunde gut leben.