Die Martinskirche ist zurzeit eine große Baustelle. Foto: Horst Dömötör

Die Restauration des Kornwestheimer Gotteshauses geht voran.

Kornwestheim - Wo normalerweise Bänke, ein Jesuskreuz und Kerzen stehen, sind nun: Gerüste. Viele, hohe Gerüste. Der Fußboden, der Altar und der Taufstein werden von dicken Holzplatten vor Schmutz und Kratzern geschützt. Das Geländer am Aufgang zur Empore ist in dünne Plastikfolie gewickelt. Es ist eine Mischung aus Baustellen- und Kirchen-Flair: Einerseits sieht der Innenraum aus wie eine einzige Baustelle, andererseits hat die Größe des Raums weiterhin die Strahlkraft und das kühle Klima einer ganz normalen Kirche. Und es ist überhaupt nicht laut auf dieser Baustelle. Die Restauratoren arbeiten an diesem Tag mit Schwämmen und Tüchern, um Decken und Holzverkleidungen vorsichtig zu säubern.

Einblick in die Vergangenheit

Seit drei Monaten wird der Innenraum der Martinskirche renoviert. Die Wände wurden aufgerissen, um die alte Elektrik zu ersetzen. Nun sind sie schon wieder verputzt und gestrichen. Nur neben dem Aufgang zur Empore klafft noch ein Loch, in dem die vielen Kabel zu sehen sind. Von der Decke hängen ein paar weiße Kabel, an die später die Lampen angeschlossen werden. „Die alten Lampen haben nicht viel Licht gebracht und sie waren nicht besonders schön“, sagt Pfarrer Horst Rüb. Worauf er sich besonders freut: Die neuen LEDs können unter anderem so eingestellt werden, dass sie nur die Decke anleuchten.

Wenn so ein altes Gebäude – 1516 wurde die Martinskirche erbaut – restauriert wird, erhascht man mit Glück einen kleinen Einblick in die Vergangenheit. Horst Rüb führt in die Sakristei, wo an der Wand aufgemalte Mauersteine zum Vorschein gekommen sind. „Das lässt man jetzt offen“, sagt Rüb. So soll die Bemalung etwas Historisches in die renovierte Kirche bringen.

Auch im Chorraum haben die Handwerker eine solche Entdeckung gemacht: „Hier war mal ein blauer Sternenhimmel“, sagt Rüb und deutet auf die Decke. So etwas kommt zum Vorschein, weil die Restauratoren die Decke sozusagen sauber radieren – sie wird nicht einfach überstrichen oder ähnliches. Eine kleine, blaue Ecke wird nun ebenfalls als Erinnerung freigelassen.

Horst Rüb findet den Gedanken an einen Sternenhimmel im Chor gar nicht schlecht. „Mir hätte das auch heute noch gefallen“, sagt er. Auch wenn es heutzutage keinen Sternenhimmel mehr über dem Chor gibt, steigt Horst Rüb dort gern das komplette Gerüst hinauf. Gerade einmal mannshoch ist der Platz zwischen der oberen Gerüstetage und der meterhohen Decke.

So kann man nicht nur die flammenartigen Bemalungen und blumenförmigen Rahmen um die Heiligen von Nahem betrachten, sondern auch den Grund für die Restaurierung des Gebäudes sehen: Vom Altar aus ging durch den ganzen Chor und die Rückwand hinauf ein großer Riss. Der ist mittlerweile geschlossen worden. Weil der Chor mit mehr als 500 Jahren der älteste Teil der Kirche ist, wollte man so viel wie möglich von der historischen Wand erhalten. „Die Gefahr besteht jetzt, dass die Risse in zehn Jahren wieder kommen“, sagt Rüb. Die Wände rechts und links des Altars dagegen sind erneuert worden. Auch sie hatten Risse.

Kosten: Eine Million Euro

Die Restaurierung der Martinskirche kostet knapp eine Million Euro. Der nächste große Schritt steht im November an. Dann wird die Orgel an ihrem bisherigen Standort im Chor abgebaut, in alle Einzelteile zerlegt und nach oben auf die Empore transportiert. Dort soll der Klang besser sein, sagt der zuständige Orgelsachverständige. Bisher werde vom Chorbogen viel Akustik aufgefangen und zurückgehalten. Damit die Orgel auf der Empore sicher steht, musste ein zusätzlicher Balken eingebaut werden. Nun sieht es so aus, als würde das Instrument auf eine eigens gebaute Bühne gestellt werden. „Das ist ein ziemlicher Aufwand, aber klanglich wird es künftig eine Wucht“, sagt Horst Rüb. Nicht nur der Orgel tut der Umzug gut. „Ein leerer Chor ist auch besser für die Akustik, da können wir schöne musikalische Abendgebete machen“, sagt Rüb und freut sich schon darauf.

Weihnachten wird man in der frisch renovierten Martinskirche wohl noch nicht feiern können. Aber bis zum Martinsbasar im Februar soll alles fertig sein. Bis dahin werden Gottesdienste im Philipp-Matthäus-Hahn-Gemeindehaus abgehalten. Dieses steht als nächstes auf der Renovierungsliste. Auch dort sei unter anderem die Elektrik sehr alt. Rüb geht davon aus, dass die Planungen im kommenden Jahr starten und die Bauarbeiten dann 2023.