Jürgen Schied in seiner Werkstatt Foto: Mateja fotografie

Jürgen Schied schließt sein Geschäft für antike Möbel und seine Werkstatt.

Kornwestheim - Nein, das war im Lebensweg von Jürgen Schied nicht vorgesehen, dass er einmal alte Sofas restauriert, Schränke lasiert oder Antiquitäten verkauft. Dass er seinen Arbeitstag in einer kleinen Werkstatt verbringt und mit dem Werkzeug an Sekretären und Stühlen feilt. Seine Vita, sie ist so schief und krumm wie manch ein Möbelstück, das er im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in die Hände bekommen und dem er zu neuem Glanz verholfen hat.

Erst mit Mitte 30 hat Jürgen Schied erkannt, dass der Holzweg für ihn der richtige ist – und nicht die Beamtenlaufbahn, die er nach der Schule eingeschlagen hatte. Nach dem Abitur in Kornwestheim und der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung heuerte Jürgen Schied bei der Stadt Waiblingen an. Er war stellvertretender Vorsteher im Ortsteil Neustadt, er arbeitete im Hauptamt und baute die komplette Datenverarbeitung für die Stadtverwaltung auf. Bis zum Leiter der IT hatte er es gebracht, als er dem Waiblinger Oberbürgermeister Ende der 1980er-Jahre verkündete, dass er kündige und künftig Möbel restaurieren und verkaufen werde.

Ein Faible für das Holzhandwerk hatte Jürgen Schied schon immer. Als Jugendlicher baute er sich kleine Möbelstücke, als Student schlenderte er über Flohmärkte und schaute sich mit großer Begeisterung alte Möbel an, und nach dem Studium kaufte er sich für 800 Mark seinen ersten antiken Schrank. „Bei einem Memminger Händler, einem ganz verschrobenen Typen“, erinnert sich der 65-Jährige.

Manch weiteres Möbelstück kam hinzu, Jürgen Schied studierte die Fachliteratur und eignete sich nach und nach Wissen über alte Möbel an. Als er bei einem Nordsee-Urlaub in einer Antik-Scheuer samt Café einkehrte und großen Gefallen an dieser Form der Präsentation und des Möbelhandels fand, war die Entscheidung für ihn gefallen: Er gibt das sichere Beamten-Dasein auf und stürzt sich in die Selbstständigkeit.

Zunächst in einem ausgedienten Kuhstall an der Langestraße und später im einstigen Gasthof zur Linde eröffnete der Kornwestheimer seinen Antik-Hof – begleitet vom eigenen Herzklopfen und manch einem Kopfschütteln, ob er denn noch alle Tassen im antiken Schrank habe. Jürgen Schied hat es nicht einen Tag bereut. Weil sich auch Türen auftaten – nicht nur Schranktüren, die ihm entgegen fielen, weil sie defekt waren, sondern auch Lebenstüren. Eine der Kundinnen wurde Jürgen Schieds zweite Ehefrau, die die Begeisterung für alte Möbel mit ihm teilt und die in der Adventszeit den Hof dekorierte und für eine ganz besondere Atmosphäre sorgte, die viele Besucher begeisterte.

Herzstück des Antik-Hofs ist die Werkstatt im hinteren Bereich. Dort sägt, feilt, hobelt, bohrt, leimt und lasiert Jürgen Schied. Im Hintergrund dudelt SWR 1. Es ist ein einsames, konzentriertes Arbeiten. In der Pause liest er die Zeitung. Jede Restaurierung beginnt mit einer genauen Inspizierung des Möbelstücks. Da könne es auch schon einmal passieren, dass er einen halben Tag davor sitze und alles genauestens begutachte, erzählt Schied. Er mag es, wenn er sich ganz den Möbelstücken hingeben kann. Fünf bis sechs Stunden muss er in kleine Möbelstücke investieren, 50 bis 60 sind’s auch schon einmal, wenn viel herzurichten ist. Sein Ziel sei es stets, „die ursprüngliche Form und Ausstrahlung zu erhalten“, sagt der 65-Jährige. „Ich arbeite mit altem Werkzeug.“ Wenn Teile ersetzt werden müssen, dann greift er auf altes Holz zurück, das er sich von ausrangierten Möbeln zurückbehält. „Aber ich versuche alles zu retten.“ An die aufwendigste Arbeit aus den 30 Jahren Antik-Hof erinnert sich der Vater von zwei Söhnen noch ganz genau: ein 300 Jahre alter Tabernakel-Sekretär, der heute in Wilhelmshaven steht.

Der Ruhestand kommt für den 65-Jährigen genau zur richtigen Zeit. Das Interesse an Antiquitäten lasse nach, beobachtet er. „Die Wohnkultur hat sich verändert.“ Die Coolness sei in die Häuser eingezogen, das Verschnörkelte nicht mehr gefragt. Und dabei kommen gerade viele alte Möbelstücke auf den Markt, weil die Erbengeneration an ihnen keinen Gefallen findet. Wenn Jürgen Schied nun ein letztes Mal den Schlüssel umdreht und die Tür zum Antik-Hof verschließt, dann fällt ihm das gleichwohl nicht leicht. „Es ist doch mein Baby“, sagt er. Deshalb: Ganz ohne Werkstatt wird auch künftig nicht sein. Privat will er weiter schreinern – dann nicht mehr für Kunden, sondern fürs Enkelkind.