Seit Mitte April kämpfen im Sudan die Streitkräfte unter der Führung des amtierenden Staatschefs Abdel Fattah al-Burhan gegen die paramilitärischen RSF. Nach UN-Angaben sind mehr als sieben Millionen Menschen im Land auf der Flucht. Foto: Uncredited/AP/dpa

Kämpfe, brutale Milizen, Vertreibungen: Millionen Menschen erleben in dem afrikanischen Land seit zehn Monaten einen Albtraum. Milliarden sind nötig, um ihnen zu helfen. Das Problem: sie zu erreichen.

Genf/Khartum - Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, hat vor größeren Fluchtbewegungen Richtung Europa gewarnt, wenn nicht genügend Geld zur Linderung der Not im Sudan und dessen Nachbarländern zusammenkommt.

Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths warnte vor der Destabilisierung der ganzen Region. In dem nordostafrikanischen Land leben seit Ausbruch eines Kriegs zwischen Regierungstruppen und der Miliz RSF vor rund zehn Monaten Millionen Menschen in Angst und Schrecken. Grandi und Griffiths sagten in Genf, die Vereinten Nationen brauchten in diesem Jahr 4,1 Milliarden Dollar (3,8 Mrd Euro) zur Linderung der schlimmsten Not. Der Bedarf 2023 lag bei 2,6 Milliarden Dollar. Davon kamen aber nur rund 43 Prozent zusammen.

Griffiths, Chef des UN-Nothilfebüros OCHA, sagte, die Generäle der rivalisierenden Gruppen hätten zugesagt, persönlich an einer humanitären Konferenz in der Schweiz teilzunehmen. Seit etwa zehn Tagen habe er aber nichts mehr von ihnen gehört. Eine politische Lösung des Konflikts sei nicht in Sicht. 

Der Konflikt 

Seit April 2023 kämpfen Regierungstruppen und die Miliz RSF um die Macht. Die Vereinten Nationen berichten von brutalem Vorgehen vieler Kämpfer. Sie sollen unter anderem Minderjährige zu Waffendiensten, Mädchen und Frauen zur Prostitution und Sklavenarbeit zwingen. Lager humanitärer Organisationen würden geplündert. Der Konflikt hat nach UN-Angaben fast acht Millionen Menschen in die Flucht getrieben und sei damit mittlerweile die weltweit größte Fluchtbewegung. Rund 1,5 Millionen sind in Nachbarländern, die aber selbst arm sind und die Flüchtlinge kaum unterstützen können. 

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung auf Hilfe angewiesen

Nach OCHA-Angaben sind 25 Millionen Menschen - mehr als die Hälfte der Bevölkerung - auf Hilfe angewiesen. Darunter sind 14 Millionen Kinder und Jugendliche. Die UN-Organisationen und ihre Partner wollen fast 15 Millionen Menschen im Land selbst erreichen, ebenso wie insgesamt 2,7 Millionen Menschen in der Zentralafrikanische Republik, dem Tschad, Ägypten, Äthiopien und Südsudan. Vor allem in der Region Darfur ist die Lage dramatisch: Nach Angaben der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" sind im Flüchtlingslager Samsam in Nord-Darfur rund 40 Prozent der untersuchten Kleinkinder akut mangelernährt. "Wir schätzen, dass in dem Lager alle zwei Stunden mindestens ein Kind stirbt", sagte Claire Nicolet, Leiterin der Nothilfe von Ärzte ohne Grenzen im Sudan.

Kämpfe erschweren Hilfe

Hilfsorganisationen können viele hilfsbedürftige Menschen kaum erreichen. Wegen der Kämpfe hätten die UN in der Hauptstadt Khartum seit Oktober keine Hilfe leisten können. Das Welternährungsprogramm (WFP) kann Lebensmittel nach Darfur nur über das Nachbarland Tschad bringen. Der Treibstoff reiche aber oft nicht, um alle in der weitläufigen Region zu erreichen. "Lebensrettende Hilfe erreicht nicht diejenigen, die sie am dringendsten benötigen, und wir erhalten Berichte über Menschen, die an Hunger sterben", warnte WFP-Landesdirektor Eddie Rowe. Andere UN-Organisationen sind frustriert über den Genehmigungsaufwand für Lieferungen und ständige Verzögerungen an Straßensperren. 

Auch Heuschreckenplage droht

Zu allem Überfluss droht nun auch noch eine Heuschreckenplage. Wegen der Kämpfe sei nicht mehr genug zur Eindämmung getan worden, berichtete die UN-Agrarorganisation FAO. Niederschlag im Winter habe das Brüten begünstigt. Zudem bedrohten nun auch Heuschreckenschwärme aus Nachbarländern die Ernten und Anbaugebiete. Die FAO habe geholfen, die Heuschrecken auf 23.000 Hektar Land einzudämmen, aber das reiche nicht. "Die Situation ist kritisch", sagte Adam Yao vom FAO-Team in Port Sudan.