„Hilfe, meine Mutter bekommt ein Kind“: So heißt der neue Streifen mit Andrea Sawatzki, der gerade in Sindelfingen gedreht wird. Foto: SAT.1/Daniel Schmid

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche wird der Wohnraum knapp, nur in Sindelfingen gibt es Leerstand. Deshalb ist Andrea Sawatzki dort derzeit anzutreffen.

Bondorf - Ehningen - Eigentlich sollten Stuttgart oder Ludwigsburg als Kulisse dienen. Aber dort fand das Filmteam kein leeres Haus. Also landeten die Dreharbeiten für eine Komödie des Senders Sat 1 in Sindelfingen. Von wegen Wohnungsmangel: In der Spitzholzstraße stieß der Regisseur auf ein unbewohntes Haus. Und wenn diese Nachricht nicht Sindelfingens Ruf ruiniert, dann tut dies spätestens der Film. „Hilfe, meine Mutter bekommt mein Kind“ heißt der Streifen mit Andrea Sawatzki in der Hauptrolle. Nicht nur die Filmtochter muss verzweifelt sein, auch der Hauseigentümer. Denn eine Werbung für seine vier Wände kann dieser Klamauk eher nicht sein. Aber der Film sollte ja in Ludwigsburg oder Stuttgart spielen, weshalb Sindelfingen in Sat 1 vielleicht inkognito bleibt.

Keine Ferien- sondern eigentlich Arbeitswohnungen

Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es bekanntermaßen. In Bondorf hält sich ein Eigentümer wohl an denselben Spruch. Er plant nämlich den Bau von Ferienwohnungen in der Gemeinde, deren touristische Anziehungspunkte jetzt nicht gerade auf den ersten Blick ins Auge springen. Bürgermeister Bernd Dürr wirbt im Internet hauptsächlich mit der verkehrsgünstigen Lage. Allerdings betont er nicht, dass quasi alle Wege nach Bondorf statt nach Rom führen. Sondern er wirbt mit dem Intercity von Singen nach Stuttgart und der Anbindung an die Stadtbahn nach Karlsruhe. Das klingt mehr nach schnell weg als nach: Kommt alle her. „Natürlich sind Sie jederzeit herzlich eingeladen, auch persönlich vor Ort eine Entdeckungsreise in unserer schönen Gemeinde zu unternehmen“, schreibt er in seinem Grußwort jedoch.

Der Eigentümer, der die Ferienwohnungen in Bondorf vermieten will, ist allerdings nicht naiv. Dass der Aufforderung des Bondorfer Bürgermeisters nicht viele Touristen folgen werden, weiß auch er. Seine Zielkundschaft sind Monteure, die nicht zum Urlaubmachen in die verkehrsgünstig liegende Gemeinde kommen. Sein Plan lässt sich nicht vereiteln, mussten einige Gemeinderäte erfahren: Denn anders als in Sindelfingen gibt es am IC-Halt keine leer stehenden Häuser, sondern Wohnungsknappheit. Die Umnutzung der Mietwohnungen in Ferienwohnungen, die eigentlich dem Gegenteil – nämlich der Arbeit – dienen sollen, ist trotzdem rechtmäßig, weil es sich beim Ortskern um ein Mischgebiet handelt. Und Bernd Dürr konnte das Gremium beruhigen: Niemand plane, Bondorf mit Ferienwohnungen zuzupflastern, was sowohl bei einer Vermietung an Monteure als auch an Touristen durchaus eine beängstigende Vorstellung wäre. Am Ende käme Andrea Sawatzki auf eine Entdeckungsreise in den Ort, um „Hilfe, meine Großmutter bekommt meinen Enkel“ zu drehen. Nicht einmal Sindelfinger Hausbesitzer hätten vermutlich einen solchen Mieter nötig. „Ich möchte den Schreckgespenstern die Luft rausnehmen“, sagte der Rathauschef: Bondorf verfügt über zehn Ferienwohnungen bei 2500 Wohneinheiten.

Reiche Städte schieben ihre Flüchtlinge einfach ab

Allerdings war es möglicherweise nicht sehr schlau, diese Zahlen zu veröffentlichen. Sie könnten mit Interesse in Böblingen gelesen werden. Die Stadt hat zwar keinen Touristenüberschuss, aber so wenig leer stehenden Wohnraum wie Stuttgart und Ludwigsburg zusammen. Und sie hat die Neigung, ihre Flüchtlinge einfach abzuschieben. Nach Holzgerlingen ist ihr dies bereits gelungen. Noch bevor der Gemeinderat der Kommune darüber befunden hatte, hatte Böblingens Erster Bürgermeister bereits von einer Win-win-Situation gesprochen: „Wir kaufen uns dort ein“, sagte Tobias Heizmann über den Plan, in Holzgerlingen zwei bestehende Wohnheime des Landratsamtes mitsamt Mietern zu übernehmen, um die Flüchtlingszahlen zu erfüllen. Es muss sich um ein Angebot gehandelt haben, das die Nachbarstadt nicht ablehnen konnte: Der Holzgerlinger Gemeinderat nahm es einstimmig an. Allerdings darf Böblingen nur maximal 70 Flüchtlinge dort unterbringen, rund 50 bleiben noch übrig, die sich eventuell auf zehn Ferienwohnungen verteilen ließen.

Unter wohlhabenden Gemeinden scheint die Praxis Schule zu machen: Auch der Porsche-Standort Weissach wendet dieses schnittige Wohnmodell mittlerweile an und mietet im Nachbarort Container für die zeitweise Unterbringung von 30 Flüchtlingen. „Wir sind Rutesheim sehr dankbar, dass die Stadt dieser doch sehr unkonventionellen Lösung zugestimmt hat“, sagte Daniel Töpfer. Damit könne die Zeit überbrückt werden, bis in Weissach Wohnraum geschaffen ist. Diesen Plänen darf halt nur nicht Andrea Sawatzki dazwischenkommen.