Ingo Kantorek ist im Alter von nur 44 Jahren zusammen mit seiner Ehefrau bei einem Autounfall verstorben. Foto: dpa

Der Tod des bei Sindelfingen verunglückten TV-Stars Ingo Kantorek bewegt Millionen Menschen. Dabei kannten die wenigsten seinen Namen. Beschäftigen wir uns zu wenig mit Laiendarstellern?

Sindelfingen - Ingo wer? So haben wahrscheinlich die meisten reagiert, als sie vom Tod des Soap-Darstellers Ingo Kantorek auf der A 8 bei Sindelfingen gehört haben, der dort am Freitag bei einem tragischen Autounfall zusammen mit seiner Frau Suzana verunglückte. Dennoch erzielt die Nachricht im Internet gewaltige Reichweiten, kein Name wurde in den letzten Tagen in Deutschland öfter gegoogelt als Ingo Kantorek, zwei Millionen Mal wurde er in die Suchleiste getippt. Warum kannten wir seinen Namen vorher nicht?

Ingo Kantorek wurde als Laiendarsteller in der RTL-2-Serie „Köln 50667“ bekannt, ein Ableger der Serie „Berlin Tag & Nacht“. Es geht darin um das Großstadtleben zumeist junger Leute. Manche verorten „Köln 50667“ in die Ecke des Trash-TV. Keine Kunst, Kulturredaktionen schauen hier gerne weg, wenn sie nicht gerade Verrisse schreiben.

Dabei begleiten Ingo Kantorek und die anderen Laiendarsteller täglich ein Millionenpublikum. Kantorek verkörperte dabei Alex Kowalski, eine der Hauptrollen und war maßgeblich am Erfolg der Serie beteiligt – der Mensch dahinter blieb bis zu seinem Tod weitestgehend unter dem Radar des öffentlichen Interesses. Dabei gibt es vermutlich keinen guten Grund, warum Laiendarsteller vom Feuilleton konsequent ausgespart werden, große Schauspielkunst hin oder her. Manchen von ihnen schauen mehr Menschen zu als den meisten ausgebildeten Schauspielern.

Laiendarsteller verdienen 4000 Euro im Monat

Wahrscheinlich wissen die allermeisten nicht einmal, wie man Laiendarsteller wird, warum TV-Produzenten überhaupt Laiendarsteller engagieren und ob man davon hauptberuflich leben kann. Um ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen: Manchmal vermitteln Agenturen Laiendarsteller, manchmal suchen Produktionsfirmen auch direkt über Castings, es kommt auch vor, dass Filmteams Laiendarsteller vor Ort engagieren.

Scripted-Reality-Formate wie „Köln 50667“ setzen ganz gezielt auf Laiendarsteller, um Authentizität vorzuspielen, die zu ihrem dokumentarischen Stil passt. Eine Rechnung, die offenbar aufgeht. Wäre Ingo Kantorek so austauschbar gewesen, wäre wohl kaum zu erklären, warum sein Tod jetzt solche Wellen schlägt.

Laut dem „Vermögensmagazin“ verdienten die Hauptdarsteller bei „Berlin Tag & Nacht“ 2018 mehr als 4000 Euro im Monat. Bei „Köln 50667 dürften sich die Gehälter in ähnlichen Bereichen bewegen. Viele Theater bezahlen ihre Schauspieler schlechter.

Kantorek hat soziale Projekte unterstützt

Die Interviewanfragen an Doku-Soap-Darsteller wird sich in Grenzen halten, von Kantorek ist im Netz nur ein einziges Interview zu finden, und das für ein Tattoo-Nischenformat. Doch es gibt andere Möglichkeiten, seine Fans zu erreichen. Hier spielen soziale Netzwerke eine große Rolle und zeigen, dass Laiendarsteller klassische Medien als Karrierebeschleuniger auch gar nicht unbedingt nötig haben.

Auch Ingo Kantorek, aus dessen Vergangenheit wenig öffentlich bekannt ist, aber immerhin, dass er zuvor als Model gearbeitet hatte, nutzte Instagram. 400.000 Fans folgen ihm dort. Dort zelebrierte Kantorek nicht nur die Liebe zu seiner Frau, sondern nutzte seine junge Berühmtheit vor allem dazu, Dinge zu unterstützen, die ihm wichtig sind: Umweltschutz, Tierrechte, das Grundgesetz. Dabei blieb es nicht bei Instagram-Lippenbekenntnissen; was über Kantorek auch noch bekannt ist: Er engagierte sich für eine Anti-Pelz-Kampagne und initiierte ein Musikprojekt, das Menschen in Not hilft.

Mit Laiendarstellern wie ihm identifizieren sich Menschen genauso wie mit Promis, die als richtige Stars gelten. Trotzdem bleibt die Öffentlichkeit über deren Treiben, wenn sie nicht vor der Kamera stehen, verhältnismäßig unterinformiert. Vielleicht liefern sie objektiv betrachtet nicht das beste Schauspiel ab. Aber ihnen gebührt die Aufmerksamkeit als die Charakterköpfe, die sie zweifellos sind.