Der Historiker Eberhard Sieber lässt bei der Einweihung der Tafel die Revolutionsjahre Revue passieren. Foto: Horst Rudel

Eine Hinweistafel am Stadtarchiv Kirchheim erinnert jetzt an Friedrich Tritschler. Während der Revolution 1848/49 gehörte er zu den Wortführern eines lokalen Aufbruchs. Im Freihof wurde die erste Volksversammlung der Teckstadt abgehalten.

Kirchheim - Landauf, landab ist die Begeisterung groß gewesen in den Revolutionsjahren 1848/1849. Auch in Kirchheim herrschte Aufbruchstimmung. Neben Gottlob Friedrich Groß ist vor allem Friedrich Tritschler der Protagonist des lokalen Revolutionsgeschehens gewesen. Kirchheim erinnert am Stadtarchiv jetzt mit einer Hinweistafel an seinen Revolutionär. Bei der Einweihung hat der Dettinger Historiker Eberhard Sieber jene bewegte Zeit in Erinnerung gerufen.

Eine Fahne mit den Revolutionsfarben Schwarz-Rot-Gold

Vor 172 Jahren fielen die Ideen der Französischen Revolution im Südwesten auf fruchtbaren Boden. So fand am 7. März 1848 im Kirchheimer Rathaus die erste Bürgerversammlung statt. In vorderster Linie standen Groß und Tritschler. „Da es noch kein Versammlungsrecht gab, war die Zusammenkunft im Rathaus durchaus ein revolutionärer, ein mutiger Akt“, so Eberhard Sieber in seinem Vortrag. Getragen von der Euphorie der Märzbewegung riefen Tritschler und seine Mitstreiter zu einer Volksversammlung im heutigen Freihof auf.

Die Massen kamen. Kirchheim hatte damals circa 5600 Einwohner, bei der Volksversammlung wurden rund 1500 Stadt- und Landbewohner gezählt, auch vom „schönen Geschlecht“, wie das Amts- und Intelligenzblatt berichtete. Es gab eine Bühne, eine Fahne mit den revolutionären Farben Schwarz-Rot-Gold und am Ende einen Beschluss: Die politisierten Teilnehmer setzten die Gründung eines „Vaterländischen Vereins“ auf die Agenda, die Vorform einer politischen Partei.

Zu wenige schließen sich den Revolutionären an

„Die lokale, in unserem Fall die Kirchheimer Perspektive zeigt, dass die 48er- Bewegung weit mehr war als die Frankfurter Verhandlungen“, erklärte Eberhard Sieber. Ob es sich um die Kirche, die Schule, das Gerichtswesen, die Stadtverwaltung, den Gemeinderat handelte – „überall drang der Geist der bürgerlichen Mitwirkung auf Veränderung und Reform. Die 48er-Revolution war geradezu eine Explosion an Initiative“, so der Historiker.

Doch ließ die Ernüchterung nicht lange auf sich warten. Zwar hatte der württembergische König zunächst nachgegeben und die deutsche Verfassung akzeptiert. Doch schon 1849 schloss er sich der Reaktion an, was in Kirchheim „helle Empörung“ auslöste. „Man wollte sich die mühsam errungenen Rechte nicht wieder nehmen lassen“, verdeutlichte Eberhard Sieber. Die demokratischen Kräfte erklärten am 18. Juni die Obrigkeit in Kirchheim für abgesetzt, „und noch in der Nacht marschierte das bewaffnete Jugendbanner, knapp 100 Mann stark, unter Max Roth und Friedrich Tritschler aus der Stadt“. In Weilheim und Wiesensteig hätten die Revolutionäre auf massenhaften Zuzug gesetzt. Allerdings folgte kaum jemand diesem Ruf der Revolution.

Friedrich Tritschler wird verurteilt und flieht in die Schweiz

Doch der Kampf ging weiter. Der mit einer besonderen Rednergabe ausgestattete Seifensieder Friedrich Tritschler siegte bei der Wahl im August mit 74,5 Prozent der Stimmen haushoch gegen seinen reaktionären Widersacher, den Stadtschultheiß Kübel. Die königstreue Presse in Stuttgart verunglimpfte Kirchheim als „Pfütze der Demokratie“, und König Wilhelm I. setzte Neuwahlen durch, zu denen Tritschler nicht mehr antreten durfte. In die Schweiz geflüchtet, wurden er und seine Mitstreiter zu fünfeinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt.

Von der Schweiz aus wanderte der Revolutionär nach Amerika aus. Unter schwierigsten Bedingungen versuchte er, im US-Bundesstaat Illinois eine neue Existenz aufzubauen. Er starb dort 1859 im Alter von 49 Jahren. „Man kann sagen: Friedrich Tritschler hat den Kampf für die Kirchheimer Demokratie mit seiner bürgerlichen Existenz bezahlt. Er ist ein Märtyrer der Demokratie“, lautet das Fazit des Historikers Eberhard Sieber.