Löst Austrittswelle aus der Kirche aus: Bischof Tebartz-van Elst. Foto: dpa

Die Kirchenkritikerin Ingrid Matthäus-Maier fordert eine Reform der kirchlichen Finanzierung.

Die Kirchenkritikerin Ingrid Matthäus-Maier fordert eine Reform der kirchlichen Finanzierung.

Sankt Augustin - Die Affäre um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hat der katholischen Kirche viele Negativ-Schlagzeilen eingebracht, einer Forsa-Umfrage zufolge erschüttert der Unmut über Tebartz-van Elst das Vertrauen in die Kirche. 65 Prozent der Katholiken halten demnach ihre Kirche für wenig oder überhaupt nicht glaubwürdig, die Zahl der Kirchenaustritte ist drastisch angestiegen. Die Kirchenkritikerin Ingrid Matthäus-Maier fordert mehr Transparenz bei den kirchlichen Vermögensverhältnissen.

Frau Matthäus-Maier, der Limburger Bischof Tebartz-van Elst hat vom Papst eine Auszeit verordnet bekommen. Ist die Affäre um den überteuerten Residenzbau damit beendet?
Ich fühle mich nicht befugt, über seine Person zu urteilen und seine Stellung in der Katholischen Kirche. Mir ist aber wichtig, dass das, was der Fall an Tageslicht gebracht hat, nicht in der Versenkung verschwindet. Einer breiteren Öffentlichkeit ist jetzt bekannt geworden, dass die deutschen Bischöfe außer in Hessen und Hamburg durch sogenannte Dotationen bezahlt werden – also aus dem Steueraufkommen aller Bürger.
Die Kirchenkritikerin Ingrid Matthäus-Maier. Foto: privat
Was ist daran verwerflich?
Ich halte das für rechtswidrig. Denn im Grundgesetz heißt es, dass die Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen seien. Und das ist bis jetzt nicht geschehen. Schon seit 1919 gibt es einen gesetzlich festgeschriebenen Auftrag, diese Ausgleichszahlungen durch einen abschließenden Kompromiss zu beenden. Begründet werden diese finanziellen Leistungen, die in Deutschland schon im 19. Jahrhundert erbracht wurden, mit der Säkularisation von 1803. Damals wurden die Kirchen von Napoleon enteignet. Dass der deutsche Staat noch heute jedes Jahr Millionen an die Kirchen zahlt, ist ganz und gar unzeitgemäß. Wir zahlen alle auch dem Limburger Bischof das Gehalt, und wenn er zurücktritt, auch noch dessen Pension. Um dieses Thema muss sich der nächste Bundestag endlich kümmern.
Sollen die Bischöfe also aus dem Kirchensteueraufkommen bezahlt werden?
Das wäre schon besser, denn dann würde nur das Geld eingesetzt werden, das von den Kirchenmitgliedern selbst stammt, und nicht pauschal das Geld aller Steuerzahler – also auch das der Protestanten, der Muslime und der Konfessionsfreien, die mittlerweile fast 40 Prozent der Bevölkerung stellen. Aus der Kirchensteuer erhält die Katholische Kirche etwas über fünf Milliarden Euro im Jahr, bei den Protestanten liegt es etwas darunter.
Im Zuge der Limburger Affäre ist der Vermögen der Kirche insgesamt in den Blickpunkt geraten. Auf 170 Milliarden wurde das der Katholischen Kirche beziffert. Stimmt das?
Ich kann die Zahl nicht bestätigen. Ich weiß nur, dass Carsten Frerk, von dem die Zahl stammt, der beste nichtkirchliche Experte der Kirchenfinanzen in Deutschland ist. Sicher ist, dass die Katholische Kirche über ein sehr großes Vermögen verfügt. Sie ist ja nicht nur Nutznießer der Kirchensteuer, sondern verfügt auch über das Vermögen bei den bischöflichen Stühlen und andere Reserven. Eine Transparenz gibt es da nicht, hier muss man nachhaken. Die Kirchen sind ja Körperschaften des öffentlichen Rechts, für die Nachweispflicht ihrer Einnahmen besteht.
Ist die Kirchensteuer in Ihren Augen also ein Unding?
Ich bin seit langem dafür, die Kirchensteuer durch ein Beitragssystem zu ersetzen, wie es bei den Gewerkschaften oder Vereinen existiert. Hier geht es ja auch um Datenschutz. Wenn der Staat für die Kirchen die Steuer erhebt, weiß der Arbeitgeber auch immer über die Kirchenzugehörigkeit seiner Beschäftigten Bescheid. Das geht den Arbeitgeber aber nichts an.
Viele Bürger zahlen Kirchensteuer in der Hoffnung, dass die Kirche manche Dinge effektiver erledigt als der Staat.
Ich glaube nicht, dass die Kirche Sozialleistungen grundsätzlich effektiver erbringt als andere Anbieter. Ich sehe das Problem darin, dass es mancherorts gar keine Alternative gibt. Hier im Rheinland haben wir ganze Regionen, in denen man nur katholische Krankenhäuser findet. Es darf aber nicht sein, dass streng katholische Prinzipien bei der Aufnahme von Patienten oder bei Personalproblemen dominieren, wenn der Staat die Einrichtung trägt, letztlich also der Steuerzahler dafür aufkommt. Ich weiß von Fällen, in denen Mitarbeiter gefeuert wurden, weil sie als Geschiedene wieder heirateten oder auch einfach aus der Kirche austraten.