Warnt Eltern vor Hamsterkäufen von Kinderarzneimitteln: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Foto: dpa/Britta Pedersen

Der Bundesgesundheitsminister glaubt, dass in diesem Winter Lieferengpässe zu vermeiden sind, wenn sich alle vernünftig verhalten und keine riesige Erkältungswelle anrollt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich am Donnerstag in einem dramatischen Appell gemeinsam mit Vertretern von Kinder- und Hausärzten, Apothekern und Herstellern von Kinderarzneimittel an die Eltern im Land gewandt. Die Botschaft: Wenn es in den kommenden Monaten keine Welle an Infektions- und Erkältungskrankheiten gebe, die höher ausfällt als es jahreszeitbedingt üblich ist, sei die Versorgung mit genügend Kinderarzneimitteln wie Fiebersäften und Antibiotika gesichert. Das gelte aber nur unter einer Bedingung: „Bitte tätigen Sie keine Hamsterkäufe“, fasste der Minister das Anliegen aller Fachleute zusammen. „Hamstern und Lagern hilft niemandem. Ein kleiner Hausvorrat ist sinnvoll und ausreichend.“ Zu mehr bestehe kein Anlass, denn man sei „deutlich besser aufgestellt als im vergangenen Jahr“.

„Wenn jeder vernünftig ist, kommen wir gut über den Winter“

Lauterbach hatte zu der Expertenrunde im Ministerium eingeladen, um sich ein Überblick zu verschaffen, ob Engpässe drohen. Seine Einschätzung nach den Beratungen: „Wenn sich jeder vernünftig verhält, kommen wir gut durch den Winter.“

Was aber unmittelbar die Frage aufwirft, was vernünftig und was ein sinnvoller Hausvorrat ist. Lauterbachs Rat: „Man sollte für das Kind genug Fiebersaft vorrätig haben, um gut durch die Nacht zu kommen, vielleicht auch über das Wochenende.“ Zum Beispiel 100 Milliliter Fiebersaft für ein Kind zu Hause zu haben, sei verantwortlich, präzisierte die Präsidentin des Apotheker-Spitzenverbandes ABDA, Gabriele Overwiening.

Hintergrund des Appells sind die Erfahrungen aus dem vergangenen Winter, als es gravierende Lieferengpässe bei wichtigen Kinderarzneien gegeben hatte. Eine außergewöhnliche Häufung von Atemwegserkrankungen hatte die Nachfrage nach Fiebersäften sprunghaft steigen lassen. Am Scheitelpunkt der Krise lag sie beim Achtfachen des saisonal Üblichen. Das hatte einen Markt überfordert, auf dem es für Hersteller immer weniger zu verdienen gibt. In den vergangenen Jahren hatten immer mehr Firmen die Produktionen auf diesem Feld ganz eingestellt. Lauterbach hatte darauf unter anderem mit einem Gesetz reagiert, das eine deutliche Änderung der Preisregeln bei Kinderarzneimittel vorsah.

Firmen weiten ihre Produktion deutlich aus

Dass die Situation in diesem Jahr besser aussieht, liegt nicht zuletzt daran, dass die Hersteller ihre Produktion ausgeweitet haben. Sein Unternehmen habe zum Beispiel die Produktion des Paracetamol-Fiebersaftes für Kinder „verdoppelt“, sagte Andreas Burkhardt, Chef der Firma Teva. Lauterbach war voll des Lobes für die Hersteller. Die seien bereit, 24 Stunden und sieben Tage die Woche zu arbeiten – im Drei-Schicht-Betrieb.“ Inzwischen sei man an der „technischen Obergrenzen dessen angelangt, was leistbar ist“, sagte Lauterbach.

Um die Lage weiter zu stabilisieren hat sich der Bundesgesundheitsminister mit Ärzten, Herstellern und Apothekern auf einen 5-Punkte-Plan geeinigt. So sollen die Festbeträge bei den dringlichsten Kinderarzneimitteln weiter ausgesetzt bleiben. Apotheker sollen bei den dringlichsten Medikamenten einen größeren Spielraum beim Herstellen von Rezepturen und beim Austausch und der Veränderung der Darreichungsform haben, zum Beispiel statt eines verschriebenen Saftes das Medikament in Tablettenform abgeben dürfen, ohne dass ein neues Rezept erforderlich wäre. Zudem soll eine Lenkungsgruppe im Ministerium, die direkt an den Minister berichtet, den regelmäßigen Austausch mit Ärzten, Herstellern und Apothekern suchen. Auch in dem 5-Punkte-Plan steht aber über allem, eine „unnötige Bevorratung zu vermeiden“.

Für den Plan erntet Lauterbach keinen Widerspruch. Aber die Hersteller weisen darauf hin, dass er nicht ausreiche, „um eine langfristige Verbesserung der Arzneimittelversorgung“ zu erreichen. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller, glaubt, dass dafür „Lieferketten diversifiziert und Abhängigkeiten verringert werden“ müssten. Zudem müssten bürokratische Hürden abgebaut und regulatorische Erleichterungen geschaffen werden“, um den Standort wieder attraktiver zu machen.