Diese Frau hat Angst, das Haus zu verlassen: Kim Basinger feiert am 8. Dezember ihren 70. Geburtstag. Foto: Imago/Newscom World

Die US-Schauspielerin Kim Basinger wird 70 und macht ihre Angststörung publik. Die Prominente steht damit nicht allein. Allein in Deutschland leiden rund zwölf Millionen Menschen an Angststörungen. Was sind die Symptome, Ursachen und Folgen der Erkrankung? Und welche Therapien helfen?

Vor der Kamera hat sich Kim Basinger schon seit mehreren Jahren nicht mehr blicken lassen. Auch Auftritte auf dem roten Teppich oder Interviews meidet die Schauspielerin, die am Freitag (8. Dezember) 70 Jahre alt wird, weitgehend.

Das liege unter anderem auch an einer immer noch nicht ganz überwundenen Angststörung, sagte Basinger jüngst. „Ich habe das Haus nicht verlassen. Ich bin nicht mehr essen gegangen. Ich musste das Fahren wieder lernen. Alles hat mich nervös gemacht, alles wurde eine große Sache, von der ich erst herausfinden musste, wie sie geht.“

Angst, das Haus nicht mehr zu verlassen

Der Hollywood-Promi ist einer von vielen Menschen, die unter einer solchen seelischen Erkrankung leiden. Doch was steckt dahinter? Um welche Art von Angst handelt es sich? Und unter welchen Angststörungen kann man noch leiden?

Rund zwölf Millionen Menschen in Deutschland leiden nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin an Angststörungen. In Europa sind es schätzungsweise 60 Millionen.

Angsterkrankungen sind damit die häufigste psychische Erkrankung – noch vor Depression. Doch nur bei der Hälfte der Betroffenen wird sie erkannt und richtig behandelt. Millionen Menschen sind ihren Ängsten ohne ärztliche und therapeutische Hilfe ausgeliefert, fühlen sich allein, hilflos, verzweifelt.

Angst vor der Angst

„Aus Angst vor der Angst vermeiden viele betroffene Situationen, die ihre Furcht auslösen, beschreibt der der Psychiater Borewin Bandelow das Dilemma. „Sie ziehen sich immer mehr aus dem Leben zurück und haben häufig Probleme in der Partnerschaft, der Familie oder im Berufsleben. In ihrer Verzweiflung greifen sie auch zu Alkohol oder Beruhigungsmitteln.“

Wenn Angsterkrankung nicht richtig behandelt würden, drohen Chronifizierung und Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Sucht, warnen die Fachgesellschaften.

Der ganzen Welt ist angst und bange

„Die ganze Welt ist voll armer Teufel, denen mehr oder weniger – angst ist“, sagt Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). Angst ist ein Grundgefühl, ein Primäraffekt, eine Basisemotion, die untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden ist. Hunderte von Millionen Menschen weltweit leiden an Angststörungen.

Doch es muss nicht gleich pathologisch sein. Die Besorgnis vor als bedrohlich empfundenen Situationen, das Herzklopfen infolge innerer Erregung vor dem Unbekannten sind Ausdruck einer teils massiven Verunsicherung des Gefühlslebens, deren Spektrum enorm ist.

Gesichter der Angst

Angst hat viele Facetten: die unbestimmte Angst; die Angst vor etwas (auch Furcht genannt); die situationsbedingte emotionale Angst; die Ängstlichkeit, die die Seele in Gestalt von Phobien und Zwängen dauerhaft lähmt. Der Begriff Angst leitet sich ab vom lateinischen „angustia“, Enge, Bedrängnis.

Wer sich ängstigt, dessen Inneres zieht sich zusammen, verhärtet sich, geht in den Verteidigungshabitus über. Auch „angor“, das Würgen, ist damit verwandt. Der sich Ängstigende wird von einem beklemmenden Gefühl gewürgt, das sich wie eine eiskalte Hand um seinen Hals legt, ihm das Atmen und klare Denken schwer, ja fast unmöglich macht.

„German Angst“

Im Englischen ist von „German Angst“ die Rede im Sinne von Existenzangst. „Angst ridden“ – von Angst geritten, heißt es. Evolutionsgeschichtlich ist Angst der Garant des Überlebens, ein Schutzmechanismus, der die Sinne in tatsächlichen oder vermeintlichen Gefahrensituationen schärft und den Menschen zu einem angemessenen und vorsichtigen Verhalten zwingt.

Soviel steht fest: Ohne Angst wäre die menschliche Spezies längst ausgestorben.

Angst und Depression

Die Grenzen von der normalen und notwendigen Gemütsregung zur Störung sind oft fließend. Die Kriterien für eine ernst zunehmende Erkrankung bleiben unscharf. Das ist auch ein Grund, dass Angststörungen so häufig nicht erkannt werden und der Betroffene immer tiefer im Teufelskreis seiner Ängste versinkt.

Zudem sind Angst und Depression – Zustände seelischer Niedergeschlagenheit, die episodisch oder rezidivierend (wiederkehrend) auftreten – so ineinander verwoben, dass man nur schwer zwischen beiden unterscheiden kann.

Welche Angststörungen gibt es?

Die DPGGN klassifiziert folgende grundlegende Angststörungen:

Panikstörung

„Die Betroffenen werden von plötzlichen Panikattacken überfallen. Sie haben auf einmal massive Angst, ihr Herz rast, schlägt unregelmäßig, sie zittern und schwitzen. Die Angst schnürt ihnen die Kehle zu. Die Panikattacken können aus heiterem Himmel auftreten, aber auch nur in speziellen Situationen oder an bestimmten Orten.“

Agoraphobie

„Wenn Menschen Angst haben, zum Beispiel in Bus, Bahn oder Flugzeug zu reisen, einen Fahrstuhl zu betreten, im Supermarkt einzukaufen oder wegen der vielen Menschen ein Konzert zu besuchen, leiden sie an einer Agoraphobie, die häufig mit einer Panikstörung einhergeht.“

Generalisierte Angststörung

„Ständige Sorgen, auch wenn dafür kein Grund besteht, quälen die Betroffenen. Sie leben in ständiger Anspannung und Furcht, dass zum Beispiel sie selbst, Angehörige oder Freunde schwer erkranken, einen Unfall erleiden, sie verarmen oder eine Katastrophe eintreten könnte.“

Soziale Phobie

„Kennzeichen dieser Erkrankung ist, Situationen zu vermeiden, in denen man fürchtet, sich zu blamieren oder von anderen negativ beurteilt zu werden. Die Folge: Sie vermeiden den Kontakt mit anderen Menschen, was bis hin zur sozialen Isolation führen kann.“

Spezifische Phobie

„Den Menschen jagen beispielsweise Katzen, Mäuse, Vögel oder Spinnen, furchtbare Angst ein. Ihre Angst kann sich aber auch auf tiefes Wasser, hohe Berge, Gewitter, Dunkelheit, den Arztbesuch oder Injektionen beziehen. Das heißt, sie fürchten sich vor einem bestimmten Objekt oder einer ganz speziellen Situation.“

Was kann man tun?

„Wichtig zu wissen ist: Man ist der Angst nicht hilflos ausgeliefert. Rund 80 bis 90 Prozent der Betroffenen kriegen die krankhafte Angst, mit professioneller Hilfe in den Griff“, betont der Psychiater Arno Deister.

Ein Mittel der Wahl ist die kognitive Verhaltenstherapie, bei welcher der Betroffene mittels Training lernt, seine negativen Schemata zu erkennen und durch ein angemessenes Verhalten zu ersetzen. Hierbei werden Risiken bewusst eingegangen, um zu lernen, wie man mögliche Fehler und Ablehnung aushält. Auch Entspannungsübungen wie autogenes Training können Ängste mindern. Verhaltenstherapien werden durch neuere Antidepressiva (etwa Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, SSRI) ergänzt.